Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Paradies gehalten, nah an der Quelle des Niles,Unter der Aethiopischen Linie, rundum bezirket, Von helleuchtenden Klippen von Bergkrystall, eine ganze 285Lange Tagreise Joch; von diesem Assyrischen Garten Noch viel Meilen entlegen -- der Feind sah alles Vergnügen Hier mit Mißvergnügen; und aller Geschöpfe Geschlechter, Die dem neugierigen Blick noch so neu und ungewohnt waren. Zwey, von viel edlerem Ansehn, mit aufgerichtetem Leibe, 290Aufgerichtet, wie Götter, mit angebohrener Größe, Schienen in nackender Majestät die Herren von allen; Und sie schienen es werth zu seyn; die göttlichen Blicke Stralten das Bild des glorreichen Schöpfers, Wahrheit und Weisheit Heiligkeit streng' und rein; (streng', aber in wahrer Freyheit, 295Wahrer kindlichen Freyheit gegründet) von welcher des Mannes Wahres Ansehen kömmt. Zwar schienen sie beyde nicht gleich sich Wie ihr Geschlecht nicht gleich zu seyn schien; zur hohen Betrachtung Und zur Stärke geschaffen schien Er; Sie aber zur Sanftmuth Und zu süßer anziehender Anmuth; für Gott er alleine, 300Sie für Gott in ihm. Die schöne offene Stirne Und sein erhabenes Auge sprach seine vollige Herrschaft. Seiner getheilten Scheitel entslossen männliche, volle Hyacinthene Locken [Spaltenumbruch] p), jedoch nicht unter die Schultern. Sie p) So giebt Minerva im Homer
dem Ulysses hyacinthene Locken, um ihn desto schöner zu machen [Spaltenumbruch] -- -- [fremdsprachliches Material - 2 Zeilen fehlen] Odyss. VI. 231. Und Das verlohrne Paradies. Paradies gehalten, nah an der Quelle des Niles,Unter der Aethiopiſchen Linie, rundum bezirket, Von helleuchtenden Klippen von Bergkryſtall, eine ganze 285Lange Tagreiſe Joch; von dieſem Aſſyriſchen Garten Noch viel Meilen entlegen — der Feind ſah alles Vergnuͤgen Hier mit Mißvergnuͤgen; und aller Geſchoͤpfe Geſchlechter, Die dem neugierigen Blick noch ſo neu und ungewohnt waren. Zwey, von viel edlerem Anſehn, mit aufgerichtetem Leibe, 290Aufgerichtet, wie Goͤtter, mit angebohrener Groͤße, Schienen in nackender Majeſtaͤt die Herren von allen; Und ſie ſchienen es werth zu ſeyn; die goͤttlichen Blicke Stralten das Bild des glorreichen Schoͤpfers, Wahrheit und Weisheit Heiligkeit ſtreng’ und rein; (ſtreng’, aber in wahrer Freyheit, 295Wahrer kindlichen Freyheit gegruͤndet) von welcher des Mannes Wahres Anſehen koͤmmt. Zwar ſchienen ſie beyde nicht gleich ſich Wie ihr Geſchlecht nicht gleich zu ſeyn ſchien; zur hohen Betrachtung Und zur Staͤrke geſchaffen ſchien Er; Sie aber zur Sanftmuth Und zu ſuͤßer anziehender Anmuth; fuͤr Gott er alleine, 300Sie fuͤr Gott in ihm. Die ſchoͤne offene Stirne Und ſein erhabenes Auge ſprach ſeine vollige Herrſchaft. Seiner getheilten Scheitel entſloſſen maͤnnliche, volle Hyacinthene Locken [Spaltenumbruch] p), jedoch nicht unter die Schultern. Sie p) So giebt Minerva im Homer
dem Ulyſſes hyacinthene Locken, um ihn deſto ſchoͤner zu machen [Spaltenumbruch] — — [fremdsprachliches Material – 2 Zeilen fehlen] Odyſſ. VI. 231. Und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="4"> <pb facs="#f0168" n="148"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Paradies gehalten, nah an der Quelle des <hi rendition="#fr">Niles,</hi></l><lb/> <l>Unter der <hi rendition="#fr">Aethiopiſchen</hi> Linie, rundum bezirket,</l><lb/> <l>Von helleuchtenden Klippen von Bergkryſtall, eine ganze</l><lb/> <l><note place="left">285</note>Lange Tagreiſe Joch; von dieſem <hi rendition="#fr">Aſſyriſchen</hi> Garten</l><lb/> <l>Noch viel Meilen entlegen — der Feind ſah alles Vergnuͤgen</l><lb/> <l>Hier mit Mißvergnuͤgen; und aller Geſchoͤpfe Geſchlechter,</l><lb/> <l>Die dem neugierigen Blick noch ſo neu und ungewohnt waren.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Zwey, von viel edlerem Anſehn, mit aufgerichtetem Leibe,</l><lb/> <l><note place="left">290</note>Aufgerichtet, wie Goͤtter, mit angebohrener Groͤße,</l><lb/> <l>Schienen in nackender Majeſtaͤt die Herren von allen;</l><lb/> <l>Und ſie ſchienen es werth zu ſeyn; die goͤttlichen Blicke</l><lb/> <l>Stralten das Bild des glorreichen Schoͤpfers, Wahrheit und Weisheit</l><lb/> <l>Heiligkeit ſtreng’ und rein; (ſtreng’, aber in wahrer Freyheit,</l><lb/> <l><note place="left">295</note>Wahrer kindlichen Freyheit gegruͤndet) von welcher des Mannes</l><lb/> <l>Wahres Anſehen koͤmmt. Zwar ſchienen ſie beyde nicht gleich ſich</l><lb/> <l>Wie ihr Geſchlecht nicht gleich zu ſeyn ſchien; zur hohen Betrachtung</l><lb/> <l>Und zur Staͤrke geſchaffen ſchien Er; Sie aber zur Sanftmuth</l><lb/> <l>Und zu ſuͤßer anziehender Anmuth; fuͤr Gott er alleine,</l><lb/> <l><note place="left">300</note>Sie fuͤr Gott in ihm. Die ſchoͤne offene Stirne</l><lb/> <l>Und ſein erhabenes Auge ſprach ſeine vollige Herrſchaft.</l><lb/> <l>Seiner getheilten Scheitel entſloſſen maͤnnliche, volle</l><lb/> <l>Hyacinthene Locken <cb/> <note xml:id="a24" next="#a25" place="foot" n="p)">So giebt Minerva im Homer<lb/> dem Ulyſſes hyacinthene Locken, um<lb/> ihn deſto ſchoͤner zu machen<lb/><cb/> — —<lb/><gap reason="fm" unit="lines" quantity="2"/> <hi rendition="#aq">Odyſſ. VI.</hi> 231.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw></note>, jedoch nicht unter die Schultern.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [148/0168]
Das verlohrne Paradies.
Paradies gehalten, nah an der Quelle des Niles,
Unter der Aethiopiſchen Linie, rundum bezirket,
Von helleuchtenden Klippen von Bergkryſtall, eine ganze
Lange Tagreiſe Joch; von dieſem Aſſyriſchen Garten
Noch viel Meilen entlegen — der Feind ſah alles Vergnuͤgen
Hier mit Mißvergnuͤgen; und aller Geſchoͤpfe Geſchlechter,
Die dem neugierigen Blick noch ſo neu und ungewohnt waren.
Zwey, von viel edlerem Anſehn, mit aufgerichtetem Leibe,
Aufgerichtet, wie Goͤtter, mit angebohrener Groͤße,
Schienen in nackender Majeſtaͤt die Herren von allen;
Und ſie ſchienen es werth zu ſeyn; die goͤttlichen Blicke
Stralten das Bild des glorreichen Schoͤpfers, Wahrheit und Weisheit
Heiligkeit ſtreng’ und rein; (ſtreng’, aber in wahrer Freyheit,
Wahrer kindlichen Freyheit gegruͤndet) von welcher des Mannes
Wahres Anſehen koͤmmt. Zwar ſchienen ſie beyde nicht gleich ſich
Wie ihr Geſchlecht nicht gleich zu ſeyn ſchien; zur hohen Betrachtung
Und zur Staͤrke geſchaffen ſchien Er; Sie aber zur Sanftmuth
Und zu ſuͤßer anziehender Anmuth; fuͤr Gott er alleine,
Sie fuͤr Gott in ihm. Die ſchoͤne offene Stirne
Und ſein erhabenes Auge ſprach ſeine vollige Herrſchaft.
Seiner getheilten Scheitel entſloſſen maͤnnliche, volle
Hyacinthene Locken
p), jedoch nicht unter die Schultern.
Sie
p) So giebt Minerva im Homer
dem Ulyſſes hyacinthene Locken, um
ihn deſto ſchoͤner zu machen
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