Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Jn umwölkter Majestät die Fürstinn des Himmels,Phoebe, herauftritt; ihr herrliches Licht den Augen enthüllet, Und weit über das Dunkle den Silbermantel verbreitet. Als sich Adam zu Eva wendet, und huldreich so anhebt: 610Schöne Gattinn, die Stunde der Nacht, und alle Geschöpfe, Die sich itzo zur Ruhe begeben, erinnern uns, gleichfalls Unsere Ruhe zu suchen; indem der Schöpfer geordnet, Daß, wie Tag und Nacht, auch Arbeit und Ruh, bey den Menschen Abwechseln sollen. Jtzt sinkt des Schlafes Abendthau nieder, 615Und neigt mit dem sanften und schlummervollem Gewichte Unsere Augenlieder. Es schweifen die andern Geschöpfe Müßig, und ohne Geschäffte, den ganzen Tag durch, und haben Weniger Ruhe nöthig. Der Mensch hat sein täglich Geschäffte Mit dem Gemüth, oder Leibe; Ein Zeichen der Würde des Menschen, 620Und der Gunst des Himmels, der seine Wege bemerket, Da die andern Geschöpfe die müßigen Tage verbringen Ohne Geschäfft'; und Gott auf ihre Werke nicht Acht hat. Ehe der frische Morgen des künftigen Tages den Osten Um sich her mit der ersten Ankunft des Lichtes vergüldet, 625Müssen wir auf seyn, und uns zur ergötzlichen Arbeit begeben, Jene blumichten Bäume, und jene schattichte Lauben, Unsern Mittagsspaziergang, mit Zweigen ganz überwachsen, Zu beschneiden, die unsrer zu schwachen Arbeiten spotten, Weil sie mehr Hände, wie unsre, die geilen Reiser zu tilgen, 630Fordern; und diese Blumen, und dieser tropfende Gummi, Die
Das verlohrne Paradies. Jn umwoͤlkter Majeſtaͤt die Fuͤrſtinn des Himmels,Phoebe, herauftritt; ihr herrliches Licht den Augen enthuͤllet, Und weit uͤber das Dunkle den Silbermantel verbreitet. Als ſich Adam zu Eva wendet, und huldreich ſo anhebt: 610Schoͤne Gattinn, die Stunde der Nacht, und alle Geſchoͤpfe, Die ſich itzo zur Ruhe begeben, erinnern uns, gleichfalls Unſere Ruhe zu ſuchen; indem der Schoͤpfer geordnet, Daß, wie Tag und Nacht, auch Arbeit und Ruh, bey den Menſchen Abwechſeln ſollen. Jtzt ſinkt des Schlafes Abendthau nieder, 615Und neigt mit dem ſanften und ſchlummervollem Gewichte Unſere Augenlieder. Es ſchweifen die andern Geſchoͤpfe Muͤßig, und ohne Geſchaͤffte, den ganzen Tag durch, und haben Weniger Ruhe noͤthig. Der Menſch hat ſein taͤglich Geſchaͤffte Mit dem Gemuͤth, oder Leibe; Ein Zeichen der Wuͤrde des Menſchen, 620Und der Gunſt des Himmels, der ſeine Wege bemerket, Da die andern Geſchoͤpfe die muͤßigen Tage verbringen Ohne Geſchaͤfft’; und Gott auf ihre Werke nicht Acht hat. Ehe der friſche Morgen des kuͤnftigen Tages den Oſten Um ſich her mit der erſten Ankunft des Lichtes verguͤldet, 625Muͤſſen wir auf ſeyn, und uns zur ergoͤtzlichen Arbeit begeben, Jene blumichten Baͤume, und jene ſchattichte Lauben, Unſern Mittagsſpaziergang, mit Zweigen ganz uͤberwachſen, Zu beſchneiden, die unſrer zu ſchwachen Arbeiten ſpotten, Weil ſie mehr Haͤnde, wie unſre, die geilen Reiſer zu tilgen, 630Fordern; und dieſe Blumen, und dieſer tropfende Gummi, Die
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Das verlohrne Paradies.
Jn umwoͤlkter Majeſtaͤt die Fuͤrſtinn des Himmels,
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Als ſich Adam zu Eva wendet, und huldreich ſo anhebt:
Schoͤne Gattinn, die Stunde der Nacht, und alle Geſchoͤpfe,
Die ſich itzo zur Ruhe begeben, erinnern uns, gleichfalls
Unſere Ruhe zu ſuchen; indem der Schoͤpfer geordnet,
Daß, wie Tag und Nacht, auch Arbeit und Ruh, bey den Menſchen
Abwechſeln ſollen. Jtzt ſinkt des Schlafes Abendthau nieder,
Und neigt mit dem ſanften und ſchlummervollem Gewichte
Unſere Augenlieder. Es ſchweifen die andern Geſchoͤpfe
Muͤßig, und ohne Geſchaͤffte, den ganzen Tag durch, und haben
Weniger Ruhe noͤthig. Der Menſch hat ſein taͤglich Geſchaͤffte
Mit dem Gemuͤth, oder Leibe; Ein Zeichen der Wuͤrde des Menſchen,
Und der Gunſt des Himmels, der ſeine Wege bemerket,
Da die andern Geſchoͤpfe die muͤßigen Tage verbringen
Ohne Geſchaͤfft’; und Gott auf ihre Werke nicht Acht hat.
Ehe der friſche Morgen des kuͤnftigen Tages den Oſten
Um ſich her mit der erſten Ankunft des Lichtes verguͤldet,
Muͤſſen wir auf ſeyn, und uns zur ergoͤtzlichen Arbeit begeben,
Jene blumichten Baͤume, und jene ſchattichte Lauben,
Unſern Mittagsſpaziergang, mit Zweigen ganz uͤberwachſen,
Zu beſchneiden, die unſrer zu ſchwachen Arbeiten ſpotten,
Weil ſie mehr Haͤnde, wie unſre, die geilen Reiſer zu tilgen,
Fordern; und dieſe Blumen, und dieſer tropfende Gummi,
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