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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

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Fünfter Gesang.
Koste du gleichfalls davon. Du bist sehr glücklich, doch kannst du
Noch viel glücklicher werden; nur nicht vortrefflicher. Kost es
Und sey künstighin eine Göttinn unter den Göttern.
80Nicht an die Erde gefesselt, erheb in die Lüfte dich manchmal
So wie wir; und steige zuweilen zum Himmel auf, der dir
Nach Verdiensten gebührt, und sieh, was dorten die Götter
Für ein Leben genießen, und lebe du gleichfalls wie Götter.
Als er so sprach, trat er näher, und hielt mir dicht vor die Lippen
85Einen Theil von der herrlichen Frucht, die er abgepflückt hatte,
Und der reizende süße Geruch erweckte so heftig
Jn mir die Begierde zum Essen, daß ich, wie mich dünkte,
Kosten mußte. Schnell flog ich mit ihm hinauf in die Wolken;
Und ich sah unten die Erde weit ausgestreckt, unermeßlich
90Liegen in weiter veränderten Aussicht, ganz voller Verwundrung
Ueber meinen aufsteigenden Flug, und die schnelle Versetzung
Jn so einen erhabenen Stand. Mein Führer indeß war
Plötzlich verschwunden; und ich, so wie es mir vorkam, sank nieder,
Und fiel in Schlaf. Doch ach! wie fröhlich war ich erwachend,
95Als ich fand, dies sey bloß ein Traum. -- So erzählet ihm Eva
Jhre Nacht e), und traurig gab Adam ihr also zur Antwort:

Bestes Bild von mir selbst, du, meine theurere Hälfte,
Mich auch betrübet die Unruh, die diese Nacht durch im Schlafe
Deine Gedanken empört. Auch will dein seltsamer Traum mir
Nicht
e) So wiederholt ihm Eva ihren Traum. Nacht steht hier an statt der
Träume in derselben. N.
A a 2

Fuͤnfter Geſang.
Koſte du gleichfalls davon. Du biſt ſehr gluͤcklich, doch kannſt du
Noch viel gluͤcklicher werden; nur nicht vortrefflicher. Koſt es
Und ſey kuͤnſtighin eine Goͤttinn unter den Goͤttern.
80Nicht an die Erde gefeſſelt, erheb in die Luͤfte dich manchmal
So wie wir; und ſteige zuweilen zum Himmel auf, der dir
Nach Verdienſten gebuͤhrt, und ſieh, was dorten die Goͤtter
Fuͤr ein Leben genießen, und lebe du gleichfalls wie Goͤtter.
Als er ſo ſprach, trat er naͤher, und hielt mir dicht vor die Lippen
85Einen Theil von der herrlichen Frucht, die er abgepfluͤckt hatte,
Und der reizende ſuͤße Geruch erweckte ſo heftig
Jn mir die Begierde zum Eſſen, daß ich, wie mich duͤnkte,
Koſten mußte. Schnell flog ich mit ihm hinauf in die Wolken;
Und ich ſah unten die Erde weit ausgeſtreckt, unermeßlich
90Liegen in weiter veraͤnderten Ausſicht, ganz voller Verwundrung
Ueber meinen aufſteigenden Flug, und die ſchnelle Verſetzung
Jn ſo einen erhabenen Stand. Mein Fuͤhrer indeß war
Ploͤtzlich verſchwunden; und ich, ſo wie es mir vorkam, ſank nieder,
Und fiel in Schlaf. Doch ach! wie froͤhlich war ich erwachend,
95Als ich fand, dies ſey bloß ein Traum. — So erzaͤhlet ihm Eva
Jhre Nacht e), und traurig gab Adam ihr alſo zur Antwort:

Beſtes Bild von mir ſelbſt, du, meine theurere Haͤlfte,
Mich auch betruͤbet die Unruh, die dieſe Nacht durch im Schlafe
Deine Gedanken empoͤrt. Auch will dein ſeltſamer Traum mir
Nicht
e) So wiederholt ihm Eva ihren Traum. Nacht ſteht hier an ſtatt der
Traͤume in derſelben. N.
A a 2
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[187/0209] Fuͤnfter Geſang. Koſte du gleichfalls davon. Du biſt ſehr gluͤcklich, doch kannſt du Noch viel gluͤcklicher werden; nur nicht vortrefflicher. Koſt es Und ſey kuͤnſtighin eine Goͤttinn unter den Goͤttern. Nicht an die Erde gefeſſelt, erheb in die Luͤfte dich manchmal So wie wir; und ſteige zuweilen zum Himmel auf, der dir Nach Verdienſten gebuͤhrt, und ſieh, was dorten die Goͤtter Fuͤr ein Leben genießen, und lebe du gleichfalls wie Goͤtter. Als er ſo ſprach, trat er naͤher, und hielt mir dicht vor die Lippen Einen Theil von der herrlichen Frucht, die er abgepfluͤckt hatte, Und der reizende ſuͤße Geruch erweckte ſo heftig Jn mir die Begierde zum Eſſen, daß ich, wie mich duͤnkte, Koſten mußte. Schnell flog ich mit ihm hinauf in die Wolken; Und ich ſah unten die Erde weit ausgeſtreckt, unermeßlich Liegen in weiter veraͤnderten Ausſicht, ganz voller Verwundrung Ueber meinen aufſteigenden Flug, und die ſchnelle Verſetzung Jn ſo einen erhabenen Stand. Mein Fuͤhrer indeß war Ploͤtzlich verſchwunden; und ich, ſo wie es mir vorkam, ſank nieder, Und fiel in Schlaf. Doch ach! wie froͤhlich war ich erwachend, Als ich fand, dies ſey bloß ein Traum. — So erzaͤhlet ihm Eva Jhre Nacht e), und traurig gab Adam ihr alſo zur Antwort: Beſtes Bild von mir ſelbſt, du, meine theurere Haͤlfte, Mich auch betruͤbet die Unruh, die dieſe Nacht durch im Schlafe Deine Gedanken empoͤrt. Auch will dein ſeltſamer Traum mir Nicht e) So wiederholt ihm Eva ihren Traum. Nacht ſteht hier an ſtatt der Traͤume in derſelben. N. A a 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/209>, abgerufen am 29.04.2024.