Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.
Alle Vorrathshäuser eröffnet; und dieses Gewölbe
Seine Schleusen voll Feuer herabspeyt, (hangende Schrecken,
Die mit scheußlichem Fall einst über unsere Häupter
Niederzustürzen, uns drohn;) und uns vielleicht, da wir eben
180Glorreiche Feldzüg' entwerfen, und muthig dazu uns ermuntern,
Von dem feurigen Sturm ergriffen, die Flammen hinabstößt,
Jeden an seinen Felsen gespießt; das Spiel und die Beute
Reißender Wirbelwinde von Feuer; -- Oder auf immer,
Unter dem siedenden Meere versenkt, in Ketten uns anschließt,
185Da Jahrhunderte lang, von denen kein Ende zu hoffen,
Unter immerwährendem Jammern in Pein zu vollbringen,
Unaufhörlich, und unbedaurt und unnachgelassen;
Dies wär'| ärger! -- Drum kann ich, ihr Götter, zum Kriege nicht rathen,
Weder zum offenen Kriege, noch zum verdeckten. Was kann denn
190Wider Jhn Gewalt, oder List? Wer kann den betriegen,
Welcher alle Dinge mit einem Blick überschauet?
Von den himmlischen Höhn sieht, und verspottet er g) alle
Diese Bewegungen; eben so weise, die Anschläg' und Ränke,
Die wir gemacht, zu vereiteln, als er allmächtig ist, siegend
195Unsrer Macht sich entgegen zu stellen. Doch sollen wir also
So erniedriget leben, wir, das Geschlechte des Himmels,
So zu Boden getreten, so ausgestoßen? und Ketten
Hier ertragen, und solche Martern? Nach meinem Ermessen
Lieber diese, denn ärgre; da uns ein eisernes Schicksal

Unter-
g) Ps. II, 4. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihr, und der
Herr spottet ihr. N.
G 3

Zweyter Geſang.
Alle Vorrathshaͤuſer eroͤffnet; und dieſes Gewoͤlbe
Seine Schleuſen voll Feuer herabſpeyt, (hangende Schrecken,
Die mit ſcheußlichem Fall einſt uͤber unſere Haͤupter
Niederzuſtuͤrzen, uns drohn;) und uns vielleicht, da wir eben
180Glorreiche Feldzuͤg’ entwerfen, und muthig dazu uns ermuntern,
Von dem feurigen Sturm ergriffen, die Flammen hinabſtoͤßt,
Jeden an ſeinen Felſen geſpießt; das Spiel und die Beute
Reißender Wirbelwinde von Feuer; — Oder auf immer,
Unter dem ſiedenden Meere verſenkt, in Ketten uns anſchließt,
185Da Jahrhunderte lang, von denen kein Ende zu hoffen,
Unter immerwaͤhrendem Jammern in Pein zu vollbringen,
Unaufhoͤrlich, und unbedaurt und unnachgelaſſen;
Dies waͤr’| aͤrger! — Drum kann ich, ihr Goͤtter, zum Kriege nicht rathen,
Weder zum offenen Kriege, noch zum verdeckten. Was kann denn
190Wider Jhn Gewalt, oder Liſt? Wer kann den betriegen,
Welcher alle Dinge mit einem Blick uͤberſchauet?
Von den himmliſchen Hoͤhn ſieht, und verſpottet er g) alle
Dieſe Bewegungen; eben ſo weiſe, die Anſchlaͤg’ und Raͤnke,
Die wir gemacht, zu vereiteln, als er allmaͤchtig iſt, ſiegend
195Unſrer Macht ſich entgegen zu ſtellen. Doch ſollen wir alſo
So erniedriget leben, wir, das Geſchlechte des Himmels,
So zu Boden getreten, ſo ausgeſtoßen? und Ketten
Hier ertragen, und ſolche Martern? Nach meinem Ermeſſen
Lieber dieſe, denn aͤrgre; da uns ein eiſernes Schickſal

Unter-
g) Pſ. II, 4. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihr, und der
Herr ſpottet ihr. N.
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="5">
            <pb facs="#f0069" n="53"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Alle Vorrathsha&#x0364;u&#x017F;er ero&#x0364;ffnet; und die&#x017F;es Gewo&#x0364;lbe</l><lb/>
            <l>Seine Schleu&#x017F;en voll Feuer herab&#x017F;peyt, (hangende Schrecken,</l><lb/>
            <l>Die mit &#x017F;cheußlichem Fall ein&#x017F;t u&#x0364;ber un&#x017F;ere Ha&#x0364;upter</l><lb/>
            <l>Niederzu&#x017F;tu&#x0364;rzen, uns drohn;) und uns vielleicht, da wir eben</l><lb/>
            <l><note place="left">180</note>Glorreiche Feldzu&#x0364;g&#x2019; entwerfen, und muthig dazu uns ermuntern,</l><lb/>
            <l>Von dem feurigen Sturm ergriffen, die Flammen hinab&#x017F;to&#x0364;ßt,</l><lb/>
            <l>Jeden an &#x017F;einen Fel&#x017F;en ge&#x017F;pießt; das Spiel und die Beute</l><lb/>
            <l>Reißender Wirbelwinde von Feuer; &#x2014; Oder auf immer,</l><lb/>
            <l>Unter dem &#x017F;iedenden Meere ver&#x017F;enkt, in Ketten uns an&#x017F;chließt,</l><lb/>
            <l><note place="left">185</note>Da Jahrhunderte lang, von denen kein Ende zu hoffen,</l><lb/>
            <l>Unter immerwa&#x0364;hrendem Jammern in Pein zu vollbringen,</l><lb/>
            <l>Unaufho&#x0364;rlich, und unbedaurt und unnachgela&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Dies wa&#x0364;r&#x2019;| a&#x0364;rger! &#x2014; Drum kann ich, ihr Go&#x0364;tter, zum Kriege nicht rathen,</l><lb/>
            <l>Weder zum offenen Kriege, noch zum verdeckten. Was kann denn</l><lb/>
            <l><note place="left">190</note>Wider Jhn Gewalt, oder Li&#x017F;t? Wer kann den betriegen,</l><lb/>
            <l>Welcher alle Dinge mit einem Blick u&#x0364;ber&#x017F;chauet?</l><lb/>
            <l>Von den himmli&#x017F;chen Ho&#x0364;hn &#x017F;ieht, und ver&#x017F;pottet er <note place="foot" n="g)">P&#x017F;. <hi rendition="#aq">II,</hi> 4. <hi rendition="#fr">Aber der im Himmel wohnet, lachet ihr, und der<lb/>
Herr &#x017F;pottet ihr. N.</hi></note> alle</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e Bewegungen; eben &#x017F;o wei&#x017F;e, die An&#x017F;chla&#x0364;g&#x2019; und Ra&#x0364;nke,</l><lb/>
            <l>Die wir gemacht, zu vereiteln, als er allma&#x0364;chtig i&#x017F;t, &#x017F;iegend</l><lb/>
            <l><note place="left">195</note>Un&#x017F;rer Macht &#x017F;ich entgegen zu &#x017F;tellen. Doch &#x017F;ollen wir al&#x017F;o</l><lb/>
            <l>So erniedriget leben, wir, das Ge&#x017F;chlechte des Himmels,</l><lb/>
            <l>So zu Boden getreten, &#x017F;o ausge&#x017F;toßen? und Ketten</l><lb/>
            <l>Hier ertragen, und &#x017F;olche Martern? Nach meinem Erme&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Lieber die&#x017F;e, denn a&#x0364;rgre; da uns ein ei&#x017F;ernes Schick&#x017F;al</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Unter-</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0069] Zweyter Geſang. Alle Vorrathshaͤuſer eroͤffnet; und dieſes Gewoͤlbe Seine Schleuſen voll Feuer herabſpeyt, (hangende Schrecken, Die mit ſcheußlichem Fall einſt uͤber unſere Haͤupter Niederzuſtuͤrzen, uns drohn;) und uns vielleicht, da wir eben Glorreiche Feldzuͤg’ entwerfen, und muthig dazu uns ermuntern, Von dem feurigen Sturm ergriffen, die Flammen hinabſtoͤßt, Jeden an ſeinen Felſen geſpießt; das Spiel und die Beute Reißender Wirbelwinde von Feuer; — Oder auf immer, Unter dem ſiedenden Meere verſenkt, in Ketten uns anſchließt, Da Jahrhunderte lang, von denen kein Ende zu hoffen, Unter immerwaͤhrendem Jammern in Pein zu vollbringen, Unaufhoͤrlich, und unbedaurt und unnachgelaſſen; Dies waͤr’| aͤrger! — Drum kann ich, ihr Goͤtter, zum Kriege nicht rathen, Weder zum offenen Kriege, noch zum verdeckten. Was kann denn Wider Jhn Gewalt, oder Liſt? Wer kann den betriegen, Welcher alle Dinge mit einem Blick uͤberſchauet? Von den himmliſchen Hoͤhn ſieht, und verſpottet er g) alle Dieſe Bewegungen; eben ſo weiſe, die Anſchlaͤg’ und Raͤnke, Die wir gemacht, zu vereiteln, als er allmaͤchtig iſt, ſiegend Unſrer Macht ſich entgegen zu ſtellen. Doch ſollen wir alſo So erniedriget leben, wir, das Geſchlechte des Himmels, So zu Boden getreten, ſo ausgeſtoßen? und Ketten Hier ertragen, und ſolche Martern? Nach meinem Ermeſſen Lieber dieſe, denn aͤrgre; da uns ein eiſernes Schickſal Unter- g) Pſ. II, 4. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihr, und der Herr ſpottet ihr. N. G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/69
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/69>, abgerufen am 24.11.2024.