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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Zehnter Gesang.
Also richtete Gott, der Richter und Mittler der Menschen;
210Doch verschob er den Streich des ihnen gedroheten Todes

Noch auf ferne Zeiten hinaus. Mitleiden ergriff ihn,
Da er so nackend sie sah, und nichts vor der Luft sie beschirmte,
Der nach dem Falle nunmehr die größte Verändrung bevorstand.
Damals hielt er es schon nicht für die Gottheit zu niedrig,
215Sich zur Knechtesgestalt herunter zu lassen, wie nachher,

Da er den Jüngern die Füße gewaschen. Er kleidet auch itzo [Spaltenumbruch] l) ,
Wie ein Vater, der Nackenden Blöße mit Fellen von Thieren,
Die er vielleicht erwürgt, vielleicht die genommene Haut auch
Jhnen, so wie der Schlange, mit einer neuen ersetzet.
220Er bedachte sich nicht, selbst seine Feinde zu kleiden,

Und nicht nur die äußere Blöße mit Fellen von Thieren;
Sondern die innre sogar, für sie noch schimpflicher, deckt er
Mit der Gerechtigkeit Rocke vor seines Vaters Gesichte.
Zu ihm fuhr er wieder hinauf mit plötzlicher Auffahrt,
225Jn den seeligen Schooß, und nahm den vorigen Thron ein.

Er erzählte dem Vater, wiewohl ihm alles bekannt ist,
Was mit den Menschen ergangen; und in die gnädigen Reden
Mischt' er liebreich, als Mittler der Menschen, versöhnende Bitten.
Mittler-
l) 1 B. Mos. III, 21. Und Gott
der Herr machte Adam und seinem
Weibe Röcke von Fellen, und zog
sie ihnen an.
Unser Dichter versteht
dieß buchstäblich, ob es gleich genug ist,
daß es durch die göttliche Vorsehung und
ihre Anleitung geschehen. Einige Aus-
[Spaltenumbruch] leger quälen indeß sich und den Text mit
der Frage, wie Adam und Eva zu Thier-
fellen gekommen? Und deswegen setzt Mil-
ton verschiedene Meynungen der Ausle-
ger hin, um seine Belesenheit in densel-
ben zu zeigen. N.
R 2
Zehnter Geſang.
Alſo richtete Gott, der Richter und Mittler der Menſchen;
210Doch verſchob er den Streich des ihnen gedroheten Todes

Noch auf ferne Zeiten hinaus. Mitleiden ergriff ihn,
Da er ſo nackend ſie ſah, und nichts vor der Luft ſie beſchirmte,
Der nach dem Falle nunmehr die groͤßte Veraͤndrung bevorſtand.
Damals hielt er es ſchon nicht fuͤr die Gottheit zu niedrig,
215Sich zur Knechtesgeſtalt herunter zu laſſen, wie nachher,

Da er den Juͤngern die Fuͤße gewaſchen. Er kleidet auch itzo [Spaltenumbruch] l) ,
Wie ein Vater, der Nackenden Bloͤße mit Fellen von Thieren,
Die er vielleicht erwuͤrgt, vielleicht die genommene Haut auch
Jhnen, ſo wie der Schlange, mit einer neuen erſetzet.
220Er bedachte ſich nicht, ſelbſt ſeine Feinde zu kleiden,

Und nicht nur die aͤußere Bloͤße mit Fellen von Thieren;
Sondern die innre ſogar, fuͤr ſie noch ſchimpflicher, deckt er
Mit der Gerechtigkeit Rocke vor ſeines Vaters Geſichte.
Zu ihm fuhr er wieder hinauf mit ploͤtzlicher Auffahrt,
225Jn den ſeeligen Schooß, und nahm den vorigen Thron ein.

Er erzaͤhlte dem Vater, wiewohl ihm alles bekannt iſt,
Was mit den Menſchen ergangen; und in die gnaͤdigen Reden
Miſcht’ er liebreich, als Mittler der Menſchen, verſoͤhnende Bitten.
Mittler-
l) 1 B. Moſ. III, 21. Und Gott
der Herr machte Adam und ſeinem
Weibe Röcke von Fellen, und zog
ſie ihnen an.
Unſer Dichter verſteht
dieß buchſtaͤblich, ob es gleich genug iſt,
daß es durch die goͤttliche Vorſehung und
ihre Anleitung geſchehen. Einige Aus-
[Spaltenumbruch] leger quaͤlen indeß ſich und den Text mit
der Frage, wie Adam und Eva zu Thier-
fellen gekommen? Und deswegen ſetzt Mil-
ton verſchiedene Meynungen der Ausle-
ger hin, um ſeine Beleſenheit in denſel-
ben zu zeigen. N.
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[131/0153] Zehnter Geſang. Alſo richtete Gott, der Richter und Mittler der Menſchen; Doch verſchob er den Streich des ihnen gedroheten Todes Noch auf ferne Zeiten hinaus. Mitleiden ergriff ihn, Da er ſo nackend ſie ſah, und nichts vor der Luft ſie beſchirmte, Der nach dem Falle nunmehr die groͤßte Veraͤndrung bevorſtand. Damals hielt er es ſchon nicht fuͤr die Gottheit zu niedrig, Sich zur Knechtesgeſtalt herunter zu laſſen, wie nachher, Da er den Juͤngern die Fuͤße gewaſchen. Er kleidet auch itzo l) , Wie ein Vater, der Nackenden Bloͤße mit Fellen von Thieren, Die er vielleicht erwuͤrgt, vielleicht die genommene Haut auch Jhnen, ſo wie der Schlange, mit einer neuen erſetzet. Er bedachte ſich nicht, ſelbſt ſeine Feinde zu kleiden, Und nicht nur die aͤußere Bloͤße mit Fellen von Thieren; Sondern die innre ſogar, fuͤr ſie noch ſchimpflicher, deckt er Mit der Gerechtigkeit Rocke vor ſeines Vaters Geſichte. Zu ihm fuhr er wieder hinauf mit ploͤtzlicher Auffahrt, Jn den ſeeligen Schooß, und nahm den vorigen Thron ein. Er erzaͤhlte dem Vater, wiewohl ihm alles bekannt iſt, Was mit den Menſchen ergangen; und in die gnaͤdigen Reden Miſcht’ er liebreich, als Mittler der Menſchen, verſoͤhnende Bitten. Mittler- l) 1 B. Moſ. III, 21. Und Gott der Herr machte Adam und ſeinem Weibe Röcke von Fellen, und zog ſie ihnen an. Unſer Dichter verſteht dieß buchſtaͤblich, ob es gleich genug iſt, daß es durch die goͤttliche Vorſehung und ihre Anleitung geſchehen. Einige Aus- leger quaͤlen indeß ſich und den Text mit der Frage, wie Adam und Eva zu Thier- fellen gekommen? Und deswegen ſetzt Mil- ton verſchiedene Meynungen der Ausle- ger hin, um ſeine Beleſenheit in denſel- ben zu zeigen. N. R 2

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/153>, abgerufen am 27.11.2024.