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Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

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Eilfter Gesang.
Er sah auf; und sahe den Kasten, der über den Fluthen,
Die sich itzo verminderten, schwamm. Die regnichten Wolken
Waren vom scharfen Nordwind verjagt; sein trucknender Athem
Hatte der Sündfluth Gesicht [Spaltenumbruch] z) , als wie vor Alter, verwelket,
890Voller Runzeln gemacht. Die hellaufgehende Sonne

Schaute heiter und heiß herab in den Spiegel der Wasser,
Und trank, wie voll Durst, mit starken Zügen die Wellen
Dadurch zog sich der Strom aus einem stehenden Meere
Mit sanftgleitender Ebbe hinab, die unter dem Abgrund
895Leise sich fortstahl; es hatte die Tiefe die Schleusen verstopfet,

So wie der Himmel die Fenster. Nun schwimmt der Kasten nicht länger,
Sondern auf eines erhabnen Gebirgs verragendem Gipfel
Scheint er feste zu stehn. Schon kommen die Spitzen der Berge,
Gleich den Felsen hervor; es treiben die reißenden Ströme
800Jhre wüthenden Fluthen von da mit mächtigem Rauschen

Jn die weichende See. Ein Rabe flieget nun forschend
Aus dem Kasten heraus; nach ihm der treuere Bothe,
Eine Taube, die einmal, und dann noch einmal verschickt wird,
Einen grünen Baum, und sichern Boden zu suchen,
905Wo sie den Fuß zu verweilen vermöchte. Zum zweytenmal kam sie

Jn dem Schnabel mit einem Zweig vom grünenden Oelbaum,
Einem
z) Diese anspielende Vergleichung der
Fläche des abnehmenden Wassers, das
durch den Wind gerunzelt wird, mit den
Runzeln des abnehmenden hohen Alters
[Spaltenumbruch] ist etwas klein und sehr weit hergehohlt;
aber der Dichter ersetzt uns dieses durch
die Schönheiten der übrigen Beschrei-
bung. Thyer.
D d 3
Eilfter Geſang.
Er ſah auf; und ſahe den Kaſten, der uͤber den Fluthen,
Die ſich itzo verminderten, ſchwamm. Die regnichten Wolken
Waren vom ſcharfen Nordwind verjagt; ſein trucknender Athem
Hatte der Suͤndfluth Geſicht [Spaltenumbruch] z) , als wie vor Alter, verwelket,
890Voller Runzeln gemacht. Die hellaufgehende Sonne

Schaute heiter und heiß herab in den Spiegel der Waſſer,
Und trank, wie voll Durſt, mit ſtarken Zuͤgen die Wellen
Dadurch zog ſich der Strom aus einem ſtehenden Meere
Mit ſanftgleitender Ebbe hinab, die unter dem Abgrund
895Leiſe ſich fortſtahl; es hatte die Tiefe die Schleuſen verſtopfet,

So wie der Himmel die Fenſter. Nun ſchwimmt der Kaſten nicht laͤnger,
Sondern auf eines erhabnen Gebirgs verragendem Gipfel
Scheint er feſte zu ſtehn. Schon kommen die Spitzen der Berge,
Gleich den Felſen hervor; es treiben die reißenden Stroͤme
800Jhre wuͤthenden Fluthen von da mit maͤchtigem Rauſchen

Jn die weichende See. Ein Rabe flieget nun forſchend
Aus dem Kaſten heraus; nach ihm der treuere Bothe,
Eine Taube, die einmal, und dann noch einmal verſchickt wird,
Einen gruͤnen Baum, und ſichern Boden zu ſuchen,
905Wo ſie den Fuß zu verweilen vermoͤchte. Zum zweytenmal kam ſie

Jn dem Schnabel mit einem Zweig vom gruͤnenden Oelbaum,
Einem
z) Dieſe anſpielende Vergleichung der
Flaͤche des abnehmenden Waſſers, das
durch den Wind gerunzelt wird, mit den
Runzeln des abnehmenden hohen Alters
[Spaltenumbruch] iſt etwas klein und ſehr weit hergehohlt;
aber der Dichter erſetzt uns dieſes durch
die Schoͤnheiten der uͤbrigen Beſchrei-
bung. Thyer.
D d 3
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[213/0237] Eilfter Geſang. Er ſah auf; und ſahe den Kaſten, der uͤber den Fluthen, Die ſich itzo verminderten, ſchwamm. Die regnichten Wolken Waren vom ſcharfen Nordwind verjagt; ſein trucknender Athem Hatte der Suͤndfluth Geſicht z) , als wie vor Alter, verwelket, Voller Runzeln gemacht. Die hellaufgehende Sonne Schaute heiter und heiß herab in den Spiegel der Waſſer, Und trank, wie voll Durſt, mit ſtarken Zuͤgen die Wellen Dadurch zog ſich der Strom aus einem ſtehenden Meere Mit ſanftgleitender Ebbe hinab, die unter dem Abgrund Leiſe ſich fortſtahl; es hatte die Tiefe die Schleuſen verſtopfet, So wie der Himmel die Fenſter. Nun ſchwimmt der Kaſten nicht laͤnger, Sondern auf eines erhabnen Gebirgs verragendem Gipfel Scheint er feſte zu ſtehn. Schon kommen die Spitzen der Berge, Gleich den Felſen hervor; es treiben die reißenden Stroͤme Jhre wuͤthenden Fluthen von da mit maͤchtigem Rauſchen Jn die weichende See. Ein Rabe flieget nun forſchend Aus dem Kaſten heraus; nach ihm der treuere Bothe, Eine Taube, die einmal, und dann noch einmal verſchickt wird, Einen gruͤnen Baum, und ſichern Boden zu ſuchen, Wo ſie den Fuß zu verweilen vermoͤchte. Zum zweytenmal kam ſie Jn dem Schnabel mit einem Zweig vom gruͤnenden Oelbaum, Einem z) Dieſe anſpielende Vergleichung der Flaͤche des abnehmenden Waſſers, das durch den Wind gerunzelt wird, mit den Runzeln des abnehmenden hohen Alters iſt etwas klein und ſehr weit hergehohlt; aber der Dichter erſetzt uns dieſes durch die Schoͤnheiten der uͤbrigen Beſchrei- bung. Thyer. D d 3

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Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/237>, abgerufen am 24.11.2024.