Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.
Also hab' ich dir alles von meinem Zustand' erzählet, Und zu dem Gipfel des irdischen Glückes, das ich hier genieße Meine Geschichte gebracht. Jch muß bekennen, in allem 525Find ich zwar auch Ergötzen und Lust; doch wenn ich sie brauche, Oder auch nicht sie gebrauche, so lassen sie keine Verändrung, Oder heftge Begierden in meinem Herzen zurücke; Alle diese Vergnügen versteh ich, vom Sehen und Schmecken, Oder Riechen; die Kräuter und Früchte, die Blumen und Lauben, 530Und der Vögel Musik; doch hier, hier ist es weit anders; Mit Entzückungen seh ich, und mit Entzückungen fühl ich. Etwas fremdes empfand ich zuerst im Herzen; ein Wallen, Das ich zuvor im Blut nie empfand, da ich im Genusse Aller andern Dinge sonst ohne Bewegung geblieben, 535Und mich selber beherrsche; doch bey dem mächtigen Glanze, Und der zaubrischen Kraft der Schönheit, bin ich allein nur Schwach. Die Ratur ließ in mir entweder etwas ermangeln, Und hat Stellen in mir zu unvertheidigt gelassen, Daß ich gegen so mächtige Reize zu siegen vermöchte; 540Oder indem sie mir was von meiner Seite genommen, Nahm sie vielleicht nur allzuviel; zum wenigsten hat sie Zu viel Zierrath verschwendet an ihr; an äußerer Schönheit Sie vollkommen gemacht, doch an der innern so sehr nicht. Zwar
Alſo hab’ ich dir alles von meinem Zuſtand’ erzaͤhlet, Und zu dem Gipfel des irdiſchen Gluͤckes, das ich hier genieße Meine Geſchichte gebracht. Jch muß bekennen, in allem 525Find ich zwar auch Ergoͤtzen und Luſt; doch wenn ich ſie brauche, Oder auch nicht ſie gebrauche, ſo laſſen ſie keine Veraͤndrung, Oder heftge Begierden in meinem Herzen zuruͤcke; Alle dieſe Vergnuͤgen verſteh ich, vom Sehen und Schmecken, Oder Riechen; die Kraͤuter und Fruͤchte, die Blumen und Lauben, 530Und der Voͤgel Muſik; doch hier, hier iſt es weit anders; Mit Entzuͤckungen ſeh ich, und mit Entzuͤckungen fuͤhl ich. Etwas fremdes empfand ich zuerſt im Herzen; ein Wallen, Das ich zuvor im Blut nie empfand, da ich im Genuſſe Aller andern Dinge ſonſt ohne Bewegung geblieben, 535Und mich ſelber beherrſche; doch bey dem maͤchtigen Glanze, Und der zaubriſchen Kraft der Schoͤnheit, bin ich allein nur Schwach. Die Ratur ließ in mir entweder etwas ermangeln, Und hat Stellen in mir zu unvertheidigt gelaſſen, Daß ich gegen ſo maͤchtige Reize zu ſiegen vermoͤchte; 540Oder indem ſie mir was von meiner Seite genommen, Nahm ſie vielleicht nur allzuviel; zum wenigſten hat ſie Zu viel Zierrath verſchwendet an ihr; an aͤußerer Schoͤnheit Sie vollkommen gemacht, doch an der innern ſo ſehr nicht. Zwar
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Das verlohrne Paradies.
Schneller den Abendſtern eilen hieß, von ſchimmernden Hoͤhen
Mit der Hochzeitsfackel dem gluͤcklichen Paare zu leuchten.
Alſo hab’ ich dir alles von meinem Zuſtand’ erzaͤhlet,
Und zu dem Gipfel des irdiſchen Gluͤckes, das ich hier genieße
Meine Geſchichte gebracht. Jch muß bekennen, in allem
Find ich zwar auch Ergoͤtzen und Luſt; doch wenn ich ſie brauche,
Oder auch nicht ſie gebrauche, ſo laſſen ſie keine Veraͤndrung,
Oder heftge Begierden in meinem Herzen zuruͤcke;
Alle dieſe Vergnuͤgen verſteh ich, vom Sehen und Schmecken,
Oder Riechen; die Kraͤuter und Fruͤchte, die Blumen und Lauben,
Und der Voͤgel Muſik; doch hier, hier iſt es weit anders;
Mit Entzuͤckungen ſeh ich, und mit Entzuͤckungen fuͤhl ich.
Etwas fremdes empfand ich zuerſt im Herzen; ein Wallen,
Das ich zuvor im Blut nie empfand, da ich im Genuſſe
Aller andern Dinge ſonſt ohne Bewegung geblieben,
Und mich ſelber beherrſche; doch bey dem maͤchtigen Glanze,
Und der zaubriſchen Kraft der Schoͤnheit, bin ich allein nur
Schwach. Die Ratur ließ in mir entweder etwas ermangeln,
Und hat Stellen in mir zu unvertheidigt gelaſſen,
Daß ich gegen ſo maͤchtige Reize zu ſiegen vermoͤchte;
Oder indem ſie mir was von meiner Seite genommen,
Nahm ſie vielleicht nur allzuviel; zum wenigſten hat ſie
Zu viel Zierrath verſchwendet an ihr; an aͤußerer Schoͤnheit
Sie vollkommen gemacht, doch an der innern ſo ſehr nicht.
Zwar
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