Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763.

Bild:
<< vorherige Seite

Das verlohrne Paradies.

Jhm geraubte Verlobte, Lavinia; oder die Feindfchaft
Vom Neptunus, oder der Juno, die über den Griechen,
Und der Cythere Sohn so langes Unglück gebracht hat.
Wenn nur meinen Gesang durch wahren erhabenen Ausdruck
20Meine himmlische Gönnerinn hebt; sie, welche mich würdigt,

Mich von selbst zu besuchen des Nachts; und die mir im Schlummer
Meine Gedanken begeistert, und, ohne daß ich drauf sinne,
Selbst den fließenden Vers in meiner Entzückung mir vorsagt,
Seitdem, da mir zuerst zu einem heroischen Liede
25Diese Geschichte gefiel, nachdem ich lange gewählet,

Und spät anhub; indem von Natur mein Geist nicht geneigt ist,
Blutige Schlachten und Kriege zu singen, den einzigen Stoff nur,
Den man bisher für heroisch erklärt; wenn etwan sich künstlich
Mit verdrüßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel
30Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; indessen man Tugend,

Jene höhere Stärke der edlern Geduld, und die Thaten
Tapfrer Märtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere
Zu beschreiben, und Ritterspiel', und Rüstungen, schimmernd
Von geschlagenem Gold; und blasonnierete Schilde,
35Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Rosse

Und von Golddrath gewirkte Schabracken und prächtige Ritter,
Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn sich zeigten;
Dann ein prächtiges Mahl im Rittersaale gehalten,
Wo sie Marschall und Truchseß, und Seneschallen bedienten.
40Dinge von schlechter Kunst, und weniger Würde, die niemals

Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroisch

Mit-

Das verlohrne Paradies.

Jhm geraubte Verlobte, Lavinia; oder die Feindfchaft
Vom Neptunus, oder der Juno, die uͤber den Griechen,
Und der Cythere Sohn ſo langes Ungluͤck gebracht hat.
Wenn nur meinen Geſang durch wahren erhabenen Ausdruck
20Meine himmliſche Goͤnnerinn hebt; ſie, welche mich wuͤrdigt,

Mich von ſelbſt zu beſuchen des Nachts; und die mir im Schlummer
Meine Gedanken begeiſtert, und, ohne daß ich drauf ſinne,
Selbſt den fließenden Vers in meiner Entzuͤckung mir vorſagt,
Seitdem, da mir zuerſt zu einem heroiſchen Liede
25Dieſe Geſchichte gefiel, nachdem ich lange gewaͤhlet,

Und ſpaͤt anhub; indem von Natur mein Geiſt nicht geneigt iſt,
Blutige Schlachten und Kriege zu ſingen, den einzigen Stoff nur,
Den man bisher fuͤr heroiſch erklaͤrt; wenn etwan ſich kuͤnſtlich
Mit verdruͤßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel
30Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; indeſſen man Tugend,

Jene hoͤhere Staͤrke der edlern Geduld, und die Thaten
Tapfrer Maͤrtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere
Zu beſchreiben, und Ritterſpiel’, und Ruͤſtungen, ſchimmernd
Von geſchlagenem Gold; und blaſonnierete Schilde,
35Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Roſſe

Und von Golddrath gewirkte Schabracken und praͤchtige Ritter,
Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn ſich zeigten;
Dann ein praͤchtiges Mahl im Ritterſaale gehalten,
Wo ſie Marſchall und Truchſeß, und Seneſchallen bedienten.
40Dinge von ſchlechter Kunſt, und weniger Wuͤrde, die niemals

Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroiſch

Mit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>
              <pb facs="#f0088" n="68"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw>
            </l><lb/>
            <l>Jhm geraubte Verlobte, <hi rendition="#fr">Lavinia;</hi> oder die Feindfchaft</l><lb/>
            <l>Vom <hi rendition="#fr">Neptunus,</hi> oder der <hi rendition="#fr">Juno,</hi> die u&#x0364;ber den Griechen,</l><lb/>
            <l>Und der <hi rendition="#fr">Cythere</hi> Sohn &#x017F;o langes Unglu&#x0364;ck gebracht hat.</l><lb/>
            <l>Wenn nur meinen Ge&#x017F;ang durch wahren erhabenen Ausdruck<lb/><note place="left">20</note>Meine himmli&#x017F;che Go&#x0364;nnerinn hebt; &#x017F;ie, welche mich wu&#x0364;rdigt,</l><lb/>
            <l>Mich von &#x017F;elb&#x017F;t zu be&#x017F;uchen des Nachts; und die mir im Schlummer</l><lb/>
            <l>Meine Gedanken begei&#x017F;tert, und, ohne daß ich drauf &#x017F;inne,</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t den fließenden Vers in meiner Entzu&#x0364;ckung mir vor&#x017F;agt,</l><lb/>
            <l>Seitdem, da mir zuer&#x017F;t zu einem heroi&#x017F;chen Liede<lb/><note place="left">25</note>Die&#x017F;e Ge&#x017F;chichte gefiel, nachdem ich lange gewa&#x0364;hlet,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;pa&#x0364;t anhub; indem von Natur mein Gei&#x017F;t nicht geneigt i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Blutige Schlachten und Kriege zu &#x017F;ingen, den einzigen Stoff nur,</l><lb/>
            <l>Den man bisher fu&#x0364;r heroi&#x017F;ch erkla&#x0364;rt; wenn etwan &#x017F;ich ku&#x0364;n&#x017F;tlich</l><lb/>
            <l>Mit verdru&#x0364;ßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel<lb/><note place="left">30</note>Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; inde&#x017F;&#x017F;en man Tugend,</l><lb/>
            <l>Jene ho&#x0364;here Sta&#x0364;rke der edlern Geduld, und die Thaten</l><lb/>
            <l>Tapfrer Ma&#x0364;rtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere</l><lb/>
            <l>Zu be&#x017F;chreiben, und Ritter&#x017F;piel&#x2019;, und Ru&#x0364;&#x017F;tungen, &#x017F;chimmernd</l><lb/>
            <l>Von ge&#x017F;chlagenem Gold; und bla&#x017F;onnierete Schilde,<lb/><note place="left">35</note>Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Ro&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Und von Golddrath gewirkte Schabracken und pra&#x0364;chtige Ritter,</l><lb/>
            <l>Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn &#x017F;ich zeigten;</l><lb/>
            <l>Dann ein pra&#x0364;chtiges Mahl im Ritter&#x017F;aale gehalten,</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;ie Mar&#x017F;chall und Truch&#x017F;eß, und Sene&#x017F;challen bedienten.<lb/><note place="left">40</note>Dinge von &#x017F;chlechter Kun&#x017F;t, und weniger Wu&#x0364;rde, die niemals</l><lb/>
            <l>Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroi&#x017F;ch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mit-</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0088] Das verlohrne Paradies. Jhm geraubte Verlobte, Lavinia; oder die Feindfchaft Vom Neptunus, oder der Juno, die uͤber den Griechen, Und der Cythere Sohn ſo langes Ungluͤck gebracht hat. Wenn nur meinen Geſang durch wahren erhabenen Ausdruck Meine himmliſche Goͤnnerinn hebt; ſie, welche mich wuͤrdigt, Mich von ſelbſt zu beſuchen des Nachts; und die mir im Schlummer Meine Gedanken begeiſtert, und, ohne daß ich drauf ſinne, Selbſt den fließenden Vers in meiner Entzuͤckung mir vorſagt, Seitdem, da mir zuerſt zu einem heroiſchen Liede Dieſe Geſchichte gefiel, nachdem ich lange gewaͤhlet, Und ſpaͤt anhub; indem von Natur mein Geiſt nicht geneigt iſt, Blutige Schlachten und Kriege zu ſingen, den einzigen Stoff nur, Den man bisher fuͤr heroiſch erklaͤrt; wenn etwan ſich kuͤnſtlich Mit verdruͤßlichen langen Gefechten die Ritter der Fabel Jn erdichteten Schlachten zerfetzten; indeſſen man Tugend, Jene hoͤhere Staͤrke der edlern Geduld, und die Thaten Tapfrer Maͤrtyrer nicht befang, und vorzog, Turniere Zu beſchreiben, und Ritterſpiel’, und Ruͤſtungen, ſchimmernd Von geſchlagenem Gold; und blaſonnierete Schilde, Prahlende Wappen und Pferdedecken, und prangende Roſſe Und von Golddrath gewirkte Schabracken und praͤchtige Ritter, Die mit Lanzen und Schwerdt in offener Rennbahn ſich zeigten; Dann ein praͤchtiges Mahl im Ritterſaale gehalten, Wo ſie Marſchall und Truchſeß, und Seneſchallen bedienten. Dinge von ſchlechter Kunſt, und weniger Wuͤrde, die niemals Weder dem Manne, noch auch dem Gedicht, den Namen heroiſch Mit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/88
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 2. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae Altona, 1763, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies02_1763/88>, abgerufen am 15.05.2024.