Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.frage dich doch selbsten: Solte der/ von deme du Krafft und Augen hast zu sehen/ und Ohren zu hören; ja in verborgene Dinge zu penetriren: solte der Geist von deme du alles hast gar keine derglei- chen/ und nicht noch unendlich viele höhere Kräff- ten besitzen/ als du armer eine kurtze Zeit hier leben- der Erden-Wurm? Gewiß du must dir sehr viel einbilden/ und aus übersteigenden Hochmuth gar aberwitzig und in der eingebildeten Weißheit gewiß- lich ein rechter Thor seyn/ von dergleichen der Kö- nig David wohl recht saget: Der Narr spricht in seinem Hertzen: Es ist kein GOtt! Theogenes. Ja wo man nur ein Thier oder son- derlich den Menschen mit denen Kräfften seiner Sin- ne/ Augen, Ohren, Mund/ Nase/ Verstand u. s. m. auffmercksam betrachtet: wie alles/ an einem jeden zu seinem Zweck/ (wozu es geordnet ist) gebil- det; die Bildnisse der Sachen dem Verstande vor- zustellen/ solche zu beurtheilen/ das Angenehme zu erwählen; das Widrige zu meiden und zu fliehen u. d. gl. tausend andere Sachen mehr: sollte man nicht nachdencken und fragen: Wer ist der weise Meister der alles so herrlich und weißlich formiret hat? Sollte deme wohl etwas verborgen seyn? welcher das Licht heisset hervorgehen aus der Fin- sterniß/ und welcher selbst ein unerschaffenes ewiges Licht ist. Nicander. Es ist ohnstreitig/ daß wir in Betrach- tung der Geschöpfen/ und in specie in der Untersu- chung unserer selbsten eine vortreffliche Bibliothee haben; und daß derjenige/ welcher sich selbsten/ und die H
frage dich doch ſelbſten: Solte der/ von deme du Krafft und Augen haſt zu ſehen/ und Ohren zu hoͤren; ja in verborgene Dinge zu penetriren: ſolte der Geiſt von deme du alles haſt gar keine derglei- chen/ und nicht noch unendlich viele hoͤhere Kraͤff- ten beſitzen/ als du armer eine kurtze Zeit hier leben- der Erden-Wurm? Gewiß du muſt dir ſehr viel einbilden/ und aus uͤberſteigenden Hochmuth gar aberwitzig und in der eingebildeten Weißheit gewiß- lich ein rechter Thor ſeyn/ von dergleichen der Koͤ- nig David wohl recht ſaget: Der Narr ſpricht in ſeinem Hertzen: Es iſt kein GOtt! Theogenes. Ja wo man nur ein Thier oder ſon- derlich den Menſchen mit denen Kraͤfften ſeiner Sin- ne/ Augen, Ohren, Mund/ Naſe/ Verſtand u. ſ. m. auffmerckſam betrachtet: wie alles/ an einem jeden zu ſeinem Zweck/ (wozu es geordnet iſt) gebil- det; die Bildniſſe der Sachen dem Verſtande vor- zuſtellen/ ſolche zu beurtheilen/ das Angenehme zu erwaͤhlen; das Widrige zu meiden und zu fliehen u. d. gl. tauſend andere Sachen mehr: ſollte man nicht nachdencken und fragen: Wer iſt der weiſe Meiſter der alles ſo herrlich und weißlich formiret hat? Sollte deme wohl etwas verborgen ſeyn? welcher das Licht heiſſet hervorgehen aus der Fin- ſterniß/ und welcher ſelbſt ein unerſchaffenes ewiges Licht iſt. Nicander. Es iſt ohnſtreitig/ daß wir in Betrach- tung der Geſchoͤpfen/ und in ſpecie in der Unterſu- chung unſerer ſelbſten eine vortreffliche Bibliothee haben; und daß derjenige/ welcher ſich ſelbſten/ und die H
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frage dich doch ſelbſten: Solte der/ von deme du
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der Geiſt von deme du alles haſt gar keine derglei-
chen/ und nicht noch unendlich viele hoͤhere Kraͤff-
ten beſitzen/ als du armer eine kurtze Zeit hier leben-
der Erden-Wurm? Gewiß du muſt dir ſehr viel
einbilden/ und aus uͤberſteigenden Hochmuth gar
aberwitzig und in der eingebildeten Weißheit gewiß-
lich ein rechter Thor ſeyn/ von dergleichen der Koͤ-
nig David wohl recht ſaget: Der Narr ſpricht in
ſeinem Hertzen: Es iſt kein GOtt!
Theogenes. Ja wo man nur ein Thier oder ſon-
derlich den Menſchen mit denen Kraͤfften ſeiner Sin-
ne/ Augen, Ohren, Mund/ Naſe/ Verſtand u.
ſ. m. auffmerckſam betrachtet: wie alles/ an einem
jeden zu ſeinem Zweck/ (wozu es geordnet iſt) gebil-
det; die Bildniſſe der Sachen dem Verſtande vor-
zuſtellen/ ſolche zu beurtheilen/ das Angenehme
zu erwaͤhlen; das Widrige zu meiden und zu fliehen
u. d. gl. tauſend andere Sachen mehr: ſollte man
nicht nachdencken und fragen: Wer iſt der weiſe
Meiſter der alles ſo herrlich und weißlich formiret
hat? Sollte deme wohl etwas verborgen ſeyn?
welcher das Licht heiſſet hervorgehen aus der Fin-
ſterniß/ und welcher ſelbſt ein unerſchaffenes ewiges
Licht iſt.
Nicander. Es iſt ohnſtreitig/ daß wir in Betrach-
tung der Geſchoͤpfen/ und in ſpecie in der Unterſu-
chung unſerer ſelbſten eine vortreffliche Bibliothee
haben; und daß derjenige/ welcher ſich ſelbſten/ und
die
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