Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.findet man diese redliche Leute, welche ohne Jn- teresse sind. Theogenes. Der Herr fange nur erst an sich selb- sten an; verläugne sich selbsten aufrichtig; liebe seinen Nächsten als sich selbst: so will ich ihme Bür- ge davor seyn, daß er gewiß seines gleichen finden werde, mit welchen er sich aufs genaueste und in- nigste wird verbinden können, welche auch bey vor- fallender Gelegenheit das in der That werckstellig machen werden, wozu sie sich verbunden. Modestin. Die Menschen sind nach ihrer Eigen- liebe meistens so geartet: daß sie die Schuld ihres Mißvergnügens, ihrer Unruhe, und den Mangel guter Freunde immer ausser sich suchen: da sie es vornemlich in sich selbsten ersten suchen sollten. Hat jemand Friede mit GOtt und mit sich selbst: wird er gar leicht zum Frieden mit seinem Nächsten ge- langen können. Jst ein Mensch tugendhafft, oder ein rechtschaffener Christ, und kein Heuchler, so kan es nicht fehlen; andere seines gleichen, welche in seiner Bekanntschafft gelangen, müssen ihn noth- wendig lieben. Denn es ist in der Natur gegrün- det; daß gleich seines gleichen sich erfreue, und sich gerne damit vereinige. Nicander. Herr Modestin erinnerte vorhin: daß je aufrichtiger und offenhertziger einer gegen an- dere verführe, je eher würde ein solcher zum Zweck der K
findet man dieſe redliche Leute, welche ohne Jn- tereſſe ſind. Theogenes. Der Herr fange nur erſt an ſich ſelb- ſten an; verlaͤugne ſich ſelbſten aufrichtig; liebe ſeinen Naͤchſten als ſich ſelbſt: ſo will ich ihme Buͤr- ge davor ſeyn, daß er gewiß ſeines gleichen finden werde, mit welchen er ſich aufs genaueſte und in- nigſte wird verbinden koͤnnen, welche auch bey vor- fallender Gelegenheit das in der That werckſtellig machen werden, wozu ſie ſich verbunden. Modeſtin. Die Menſchen ſind nach ihrer Eigen- liebe meiſtens ſo geartet: daß ſie die Schuld ihres Mißvergnuͤgens, ihrer Unruhe, und den Mangel guter Freunde immer auſſer ſich ſuchen: da ſie es vornemlich in ſich ſelbſten erſten ſuchen ſollten. Hat jemand Friede mit GOtt und mit ſich ſelbſt: wird er gar leicht zum Frieden mit ſeinem Naͤchſten ge- langen koͤnnen. Jſt ein Menſch tugendhafft, oder ein rechtſchaffener Chriſt, und kein Heuchler, ſo kan es nicht fehlen; andere ſeines gleichen, welche in ſeiner Bekanntſchafft gelangen, muͤſſen ihn noth- wendig lieben. Denn es iſt in der Natur gegruͤn- det; daß gleich ſeines gleichen ſich erfreue, und ſich gerne damit vereinige. Nicander. Herr Modeſtin erinnerte vorhin: daß je aufrichtiger und offenhertziger einer gegen an- dere verfuͤhre, je eher wuͤrde ein ſolcher zum Zweck der K
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0151" n="145"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> findet man dieſe redliche Leute, welche ohne Jn-<lb/> tereſſe ſind.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Theogenes.</hi> </hi> </speaker> <p>Der Herr fange nur erſt an ſich ſelb-<lb/> ſten an; verlaͤugne ſich ſelbſten aufrichtig; liebe<lb/> ſeinen Naͤchſten als ſich ſelbſt: ſo will ich ihme Buͤr-<lb/> ge davor ſeyn, daß er gewiß ſeines gleichen finden<lb/> werde, mit welchen er ſich aufs genaueſte und in-<lb/> nigſte wird verbinden koͤnnen, welche auch bey vor-<lb/> fallender Gelegenheit das in der That werckſtellig<lb/> machen werden, wozu ſie ſich verbunden.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Modeſtin.</hi> </hi> </speaker> <p>Die Menſchen ſind nach ihrer Eigen-<lb/> liebe meiſtens ſo geartet: daß ſie die Schuld ihres<lb/> Mißvergnuͤgens, ihrer Unruhe, und den Mangel<lb/> guter Freunde immer auſſer ſich ſuchen: da ſie es<lb/> vornemlich in ſich ſelbſten erſten ſuchen ſollten. Hat<lb/> jemand Friede mit GOtt und mit ſich ſelbſt: wird<lb/> er gar leicht zum Frieden mit ſeinem Naͤchſten ge-<lb/> langen koͤnnen. Jſt ein Menſch tugendhafft, oder<lb/> ein rechtſchaffener Chriſt, und kein Heuchler, ſo<lb/> kan es nicht fehlen; andere ſeines gleichen, welche<lb/> in ſeiner Bekanntſchafft gelangen, muͤſſen ihn noth-<lb/> wendig lieben. Denn es iſt in der Natur gegruͤn-<lb/> det; daß gleich ſeines gleichen ſich erfreue, und ſich<lb/> gerne damit vereinige.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Nicander.</hi> </hi> </speaker> <p>Herr <hi rendition="#aq">Modeſtin</hi> erinnerte vorhin: daß<lb/> je aufrichtiger und offenhertziger einer gegen an-<lb/> dere verfuͤhre, je eher wuͤrde ein ſolcher zum Zweck<lb/> <fw place="bottom" type="sig">K</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [145/0151]
findet man dieſe redliche Leute, welche ohne Jn-
tereſſe ſind.
Theogenes. Der Herr fange nur erſt an ſich ſelb-
ſten an; verlaͤugne ſich ſelbſten aufrichtig; liebe
ſeinen Naͤchſten als ſich ſelbſt: ſo will ich ihme Buͤr-
ge davor ſeyn, daß er gewiß ſeines gleichen finden
werde, mit welchen er ſich aufs genaueſte und in-
nigſte wird verbinden koͤnnen, welche auch bey vor-
fallender Gelegenheit das in der That werckſtellig
machen werden, wozu ſie ſich verbunden.
Modeſtin. Die Menſchen ſind nach ihrer Eigen-
liebe meiſtens ſo geartet: daß ſie die Schuld ihres
Mißvergnuͤgens, ihrer Unruhe, und den Mangel
guter Freunde immer auſſer ſich ſuchen: da ſie es
vornemlich in ſich ſelbſten erſten ſuchen ſollten. Hat
jemand Friede mit GOtt und mit ſich ſelbſt: wird
er gar leicht zum Frieden mit ſeinem Naͤchſten ge-
langen koͤnnen. Jſt ein Menſch tugendhafft, oder
ein rechtſchaffener Chriſt, und kein Heuchler, ſo
kan es nicht fehlen; andere ſeines gleichen, welche
in ſeiner Bekanntſchafft gelangen, muͤſſen ihn noth-
wendig lieben. Denn es iſt in der Natur gegruͤn-
det; daß gleich ſeines gleichen ſich erfreue, und ſich
gerne damit vereinige.
Nicander. Herr Modeſtin erinnerte vorhin: daß
je aufrichtiger und offenhertziger einer gegen an-
dere verfuͤhre, je eher wuͤrde ein ſolcher zum Zweck
der
K
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/151 |
Zitationshilfe: | Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/151>, abgerufen am 16.02.2025. |