Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.und die Propheten begriffen; und daß die Liebe des Gesetzes Erfüllung sey: so sind doch nach unserer Christlichen Lehre noch gar viele Articul nöthig zu wissen, ohne welche ein Mensch ohnmöglich selig werden kan. Denn ausser der Christlichen Reli- gion gar keine Seligkeit zu hoffen noch zu erlan- gen ist. Nicander. Unser Herr Alamodan ist ein starcker Eifferer vor seine Religion, wie die meiste Men- schen, jeder in der seinigen zu seyn pfleget, worin- nen jeder gebohren und gezogen worden. Allein, ich solte fast glauben, und darauf ein grosses wet- ten können, daß wo das Verhängniß ihn von Jüdischen, oder Mahometanischen, oder Heydni- schen Eltern hätte lassen gebohren werden, er die- selbe Religion ohne allen Zweifel vor die allerbeste würde gehalten haben. Denn dieses kommt mir als die wahrscheinlichste Ursache derer gefassten Vorurtheile bey allen Religionen vor: daß man das, was einem von Jugend auf eingebläuet wor- den, als unstreitige Wahrheiten ansiehet, daran man nicht einmahl zweiffeln dörffe. Nichts zu sagen von dem Haß und Verfolgung derer Geistli- chen, wider diejenige, so ihnen nicht blindlings bey- fallen wollen; und der dahero entstehenden Furcht, um Ehre, Reputation. Haab und Gut, ja gar um Leib und Leben zu kommen, und der heiligen Inqui- sition in die Hände zu fallen. Alamodan. Wir Protestanten haben ja, GOtt Lob, keine solche Inquisition; und gestehe meines Ortes gern: daß solche eine gantz unvernünfftige, un- B
und die Propheten begriffen; und daß die Liebe des Geſetzes Erfuͤllung ſey: ſo ſind doch nach unſerer Chriſtlichen Lehre noch gar viele Articul noͤthig zu wiſſen, ohne welche ein Menſch ohnmoͤglich ſelig werden kan. Denn auſſer der Chriſtlichen Reli- gion gar keine Seligkeit zu hoffen noch zu erlan- gen iſt. Nicander. Unſer Herr Alamodan iſt ein ſtarcker Eifferer vor ſeine Religion, wie die meiſte Men- ſchen, jeder in der ſeinigen zu ſeyn pfleget, worin- nen jeder gebohren und gezogen worden. Allein, ich ſolte faſt glauben, und darauf ein groſſes wet- ten koͤnnen, daß wo das Verhaͤngniß ihn von Juͤdiſchen, oder Mahometaniſchen, oder Heydni- ſchen Eltern haͤtte laſſen gebohren werden, er die- ſelbe Religion ohne allen Zweifel vor die allerbeſte wuͤrde gehalten haben. Denn dieſes kommt mir als die wahrſcheinlichſte Urſache derer gefaſſten Vorurtheile bey allen Religionen vor: daß man das, was einem von Jugend auf eingeblaͤuet wor- den, als unſtreitige Wahrheiten anſiehet, daran man nicht einmahl zweiffeln doͤrffe. Nichts zu ſagen von dem Haß und Verfolgung derer Geiſtli- chen, wider diejenige, ſo ihnen nicht blindlings bey- fallen wollen; und der dahero entſtehenden Furcht, um Ehre, Reputation. Haab und Gut, ja gar um Leib und Leben zu kommen, und der heiligen Inqui- ſition in die Haͤnde zu fallen. Alamodan. Wir Proteſtanten haben ja, GOtt Lob, keine ſolche Inquiſition; und geſtehe meines Ortes gern: daß ſolche eine gantz unvernuͤnfftige, un- B
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Chriſtlichen Lehre noch gar viele Articul noͤthig zu
wiſſen, ohne welche ein Menſch ohnmoͤglich ſelig
werden kan. Denn auſſer der Chriſtlichen Reli-
gion gar keine Seligkeit zu hoffen noch zu erlan-
gen iſt.
Nicander. Unſer Herr Alamodan iſt ein ſtarcker
Eifferer vor ſeine Religion, wie die meiſte Men-
ſchen, jeder in der ſeinigen zu ſeyn pfleget, worin-
nen jeder gebohren und gezogen worden. Allein,
ich ſolte faſt glauben, und darauf ein groſſes wet-
ten koͤnnen, daß wo das Verhaͤngniß ihn von
Juͤdiſchen, oder Mahometaniſchen, oder Heydni-
ſchen Eltern haͤtte laſſen gebohren werden, er die-
ſelbe Religion ohne allen Zweifel vor die allerbeſte
wuͤrde gehalten haben. Denn dieſes kommt mir
als die wahrſcheinlichſte Urſache derer gefaſſten
Vorurtheile bey allen Religionen vor: daß man
das, was einem von Jugend auf eingeblaͤuet wor-
den, als unſtreitige Wahrheiten anſiehet, daran
man nicht einmahl zweiffeln doͤrffe. Nichts zu
ſagen von dem Haß und Verfolgung derer Geiſtli-
chen, wider diejenige, ſo ihnen nicht blindlings bey-
fallen wollen; und der dahero entſtehenden Furcht,
um Ehre, Reputation. Haab und Gut, ja gar um
Leib und Leben zu kommen, und der heiligen Inqui-
ſition in die Haͤnde zu fallen.
Alamodan. Wir Proteſtanten haben ja, GOtt
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Zitationshilfe: | Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/23>, abgerufen am 16.07.2024. |