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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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Alamodan. Aber so könten auch die Heyden selig
werden ausser Christo, da doch in keinem andern
Heyl zu finden.
Modestin. Wer wohl entscheidet, pflegt man zu
sagen, der lehret wohl. Daß auch viele tugend-
haffte, GOtt im Geist und in der Wahrheit anbe-
tende Heyden einen grossen Grad der wahren Glück-
seeligkeit erlanget haben, wird ihnen niemand, als
die blinde alles verketzernde Sectirer gäntzlich abspre-
chen; und ein bescheidener wird sich vor GOTT
fürchten, solche die es im Tugendwandel denen
meisten Nahm-Christen weit bevorgethan, zu ver-
dammen. Ob aber die Heyden, da sie keine buch-
stäbliche Erkänntnis von Christo gehabt, ausser
Christo das Heyl erlanget haben; ist eine andere
Frage. Denn es einmahl dabey bleibet: Daß er
das Licht der Welt. Uber das geschehen in dem
Menschen viele Dinge von seiner Seelen selbst, oder
von dem ihn belebenden Geist, davon der tausende
nicht weiß, wie es zugehet: wo er die Erkännt-
nis seiner nach Seel und Leib nicht gründlich erler-
net hat. So können die Heyden auch von GOtt viele
Gnade, Licht, Heyl und Frieden empfangen ha-
ben, ob ihnen gleich die Art und Weise verborgen
geblieben wäre. Denn, ist GOtt nicht auch der
Heyden GOtt? kommen von ihme nicht alle gute
Gaben? Was waren vor Glaubens-Articul auff-
gerichtet ehe ein Buchstaben von der Heil. Schrift
verfasset war? Ja was gabe GOtt der HErr dem
Ertz-Vater Abraham vor ein Haupt-Gesetz als die-
ses: Wandele vor mir, und sey fromm. Welches
eben
B 2


Alamodan. Aber ſo koͤnten auch die Heyden ſelig
werden auſſer Chriſto, da doch in keinem andern
Heyl zu finden.
Modeſtin. Wer wohl entſcheidet, pflegt man zu
ſagen, der lehret wohl. Daß auch viele tugend-
haffte, GOtt im Geiſt und in der Wahrheit anbe-
tende Heyden einen groſſen Grad der wahren Gluͤck-
ſeeligkeit erlanget haben, wird ihnen niemand, als
die blinde alles verketzernde Sectirer gaͤntzlich abſpre-
chen; und ein beſcheidener wird ſich vor GOTT
fuͤrchten, ſolche die es im Tugendwandel denen
meiſten Nahm-Chriſten weit bevorgethan, zu ver-
dammen. Ob aber die Heyden, da ſie keine buch-
ſtaͤbliche Erkaͤnntnis von Chriſto gehabt, auſſer
Chriſto das Heyl erlanget haben; iſt eine andere
Frage. Denn es einmahl dabey bleibet: Daß er
das Licht der Welt. Uber das geſchehen in dem
Menſchen viele Dinge von ſeiner Seelen ſelbſt, oder
von dem ihn belebenden Geiſt, davon der tauſende
nicht weiß, wie es zugehet: wo er die Erkaͤnnt-
nis ſeiner nach Seel und Leib nicht gruͤndlich erler-
net hat. So koͤnnen die Heyden auch von GOtt viele
Gnade, Licht, Heyl und Frieden empfangen ha-
ben, ob ihnen gleich die Art und Weiſe verborgen
geblieben waͤre. Denn, iſt GOtt nicht auch der
Heyden GOtt? kommen von ihme nicht alle gute
Gaben? Was waren vor Glaubens-Articul auff-
gerichtet ehe ein Buchſtaben von der Heil. Schrift
verfaſſet war? Ja was gabe GOtt der HErr dem
Ertz-Vater Abraham vor ein Haupt-Geſetz als die-
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eben
B 2
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[19/0025] Alamodan. Aber ſo koͤnten auch die Heyden ſelig werden auſſer Chriſto, da doch in keinem andern Heyl zu finden. Modeſtin. Wer wohl entſcheidet, pflegt man zu ſagen, der lehret wohl. Daß auch viele tugend- haffte, GOtt im Geiſt und in der Wahrheit anbe- tende Heyden einen groſſen Grad der wahren Gluͤck- ſeeligkeit erlanget haben, wird ihnen niemand, als die blinde alles verketzernde Sectirer gaͤntzlich abſpre- chen; und ein beſcheidener wird ſich vor GOTT fuͤrchten, ſolche die es im Tugendwandel denen meiſten Nahm-Chriſten weit bevorgethan, zu ver- dammen. Ob aber die Heyden, da ſie keine buch- ſtaͤbliche Erkaͤnntnis von Chriſto gehabt, auſſer Chriſto das Heyl erlanget haben; iſt eine andere Frage. Denn es einmahl dabey bleibet: Daß er das Licht der Welt. Uber das geſchehen in dem Menſchen viele Dinge von ſeiner Seelen ſelbſt, oder von dem ihn belebenden Geiſt, davon der tauſende nicht weiß, wie es zugehet: wo er die Erkaͤnnt- nis ſeiner nach Seel und Leib nicht gruͤndlich erler- net hat. So koͤnnen die Heyden auch von GOtt viele Gnade, Licht, Heyl und Frieden empfangen ha- ben, ob ihnen gleich die Art und Weiſe verborgen geblieben waͤre. Denn, iſt GOtt nicht auch der Heyden GOtt? kommen von ihme nicht alle gute Gaben? Was waren vor Glaubens-Articul auff- gerichtet ehe ein Buchſtaben von der Heil. Schrift verfaſſet war? Ja was gabe GOtt der HErr dem Ertz-Vater Abraham vor ein Haupt-Geſetz als die- ſes: Wandele vor mir, und ſey fromm. Welches eben B 2

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/25>, abgerufen am 21.11.2024.