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Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737.

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daß der natürliche Mensch nicht vernimmt, was
des Geistes GOttes ist, sondern wirfft alles unter-
einander: Da soll die Vernunfft, der natürliche
Mensch, welcher des Göttlichen Lichtes und Ver-
standes ermangelt, und in hoc passu gantz blind ist,
alles richten und urtheilen. Und dahero kömmt
auch eben so vieles confuses Zeug in Religions-
Sachen an den Tag: da man Vernunfft und
Verstand, Natur und Gnade vermenget; oder da-
mit mich (so viel möglich denen Unverständigen zu
fassen) deutlicher erkläre. Daß man die Kräffte,
die GOtt der HErr in den Menschen geleget, erst-
lich ihn selbst zu erkennen und zu lieben; von denen
Kräfften, die nur zur Erkänntnis der sichtbahren
Geschöpffe, zu Erhaltung des sinnlichen thierischen
Lebens, gehören, nicht gebührend entscheidet.
Alamodan. Diese Rede ist mir gar zu subtil, daß
ich sie nicht wohl verstehe. Jch weiß von keinen
andern Kräfften, als von Verstand, Willen, Ge-
dächtnis, und Einbildungs-Krafft oder Phantasie.
Verstand und Vernunfft sind weiter nicht unter-
schieden, als daß was der Verstand fasset und be-
greifft, die Vernunfft durch Ueberlegungen raison-
ni
ren, daraus verschiedene Schlüsse formiret, und
öffters etwas neues und zuvor noch unbekanntes
hervorbringet; und erfodert der Unterscheid des
Objects oder Gegenwurffs, meines Erachtens keine
besondere Krafft, oder Wesen des Begriffs und
Erkänntnisses.
Nicander. Jch muß gestehen, daß ich den Herrn
Modestin auch nicht fasse. Denn meine Seele,
wel-


daß der natuͤrliche Menſch nicht vernimmt, was
des Geiſtes GOttes iſt, ſondern wirfft alles unter-
einander: Da ſoll die Vernunfft, der natuͤrliche
Menſch, welcher des Goͤttlichen Lichtes und Ver-
ſtandes ermangelt, und in hoc paſſu gantz blind iſt,
alles richten und urtheilen. Und dahero koͤmmt
auch eben ſo vieles confuſes Zeug in Religions-
Sachen an den Tag: da man Vernunfft und
Verſtand, Natur und Gnade vermenget; oder da-
mit mich (ſo viel moͤglich denen Unverſtaͤndigen zu
faſſen) deutlicher erklaͤre. Daß man die Kraͤffte,
die GOtt der HErr in den Menſchen geleget, erſt-
lich ihn ſelbſt zu erkennen und zu lieben; von denen
Kraͤfften, die nur zur Erkaͤnntnis der ſichtbahren
Geſchoͤpffe, zu Erhaltung des ſinnlichen thieriſchen
Lebens, gehoͤren, nicht gebuͤhrend entſcheidet.
Alamodan. Dieſe Rede iſt mir gar zu ſubtil, daß
ich ſie nicht wohl verſtehe. Jch weiß von keinen
andern Kraͤfften, als von Verſtand, Willen, Ge-
daͤchtnis, und Einbildungs-Krafft oder Phantaſie.
Verſtand und Vernunfft ſind weiter nicht unter-
ſchieden, als daß was der Verſtand faſſet und be-
greifft, die Vernunfft durch Ueberlegungen raiſon-
ni
ren, daraus verſchiedene Schluͤſſe formiret, und
oͤffters etwas neues und zuvor noch unbekanntes
hervorbringet; und erfodert der Unterſcheid des
Objects oder Gegenwurffs, meines Erachtens keine
beſondere Krafft, oder Weſen des Begriffs und
Erkaͤnntniſſes.
Nicander. Jch muß geſtehen, daß ich den Herrn
Modeſtin auch nicht faſſe. Denn meine Seele,
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[38/0044] daß der natuͤrliche Menſch nicht vernimmt, was des Geiſtes GOttes iſt, ſondern wirfft alles unter- einander: Da ſoll die Vernunfft, der natuͤrliche Menſch, welcher des Goͤttlichen Lichtes und Ver- ſtandes ermangelt, und in hoc paſſu gantz blind iſt, alles richten und urtheilen. Und dahero koͤmmt auch eben ſo vieles confuſes Zeug in Religions- Sachen an den Tag: da man Vernunfft und Verſtand, Natur und Gnade vermenget; oder da- mit mich (ſo viel moͤglich denen Unverſtaͤndigen zu faſſen) deutlicher erklaͤre. Daß man die Kraͤffte, die GOtt der HErr in den Menſchen geleget, erſt- lich ihn ſelbſt zu erkennen und zu lieben; von denen Kraͤfften, die nur zur Erkaͤnntnis der ſichtbahren Geſchoͤpffe, zu Erhaltung des ſinnlichen thieriſchen Lebens, gehoͤren, nicht gebuͤhrend entſcheidet. Alamodan. Dieſe Rede iſt mir gar zu ſubtil, daß ich ſie nicht wohl verſtehe. Jch weiß von keinen andern Kraͤfften, als von Verſtand, Willen, Ge- daͤchtnis, und Einbildungs-Krafft oder Phantaſie. Verſtand und Vernunfft ſind weiter nicht unter- ſchieden, als daß was der Verſtand faſſet und be- greifft, die Vernunfft durch Ueberlegungen raiſon- niren, daraus verſchiedene Schluͤſſe formiret, und oͤffters etwas neues und zuvor noch unbekanntes hervorbringet; und erfodert der Unterſcheid des Objects oder Gegenwurffs, meines Erachtens keine beſondere Krafft, oder Weſen des Begriffs und Erkaͤnntniſſes. Nicander. Jch muß geſtehen, daß ich den Herrn Modeſtin auch nicht faſſe. Denn meine Seele, wel-

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Zitationshilfe: Modestinus, Theophilus: Freymüthige Doch Bescheidene Unterredungen Von Kirchen- Religions- Politischen- und Natur-Sachen. Frankfurt (Main) u. a., 1737. , S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/modestinus_unterredungen_1737/44>, abgerufen am 21.11.2024.