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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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-- O du an deines Sohnes Seite
Vertritt uns Mutter, benedeyte!"

So sprach Herr Aaron jenen Tag;
Hört an, was weiter werden mag.
Zu Pfingsten, früh vor Tage schon,
Zieht, groß und lang, eine Prozession
Mit hellen Kerzen ohne Zahl
Langsam dahin durch's grüne Thal,
Söhne und Töchter Israel,
Zum Berg des Engels Michael.
Zuvorderst thät Herr Aaron gehn
Mit seiner Frauen und Rahel schön;
Kam hierauf seine Dienerschaft,
Lobpreisend Gottes Wunderkraft,
Aber zulezt, in langen Reihn,
An die zweihundert von seiner Gemein:
Die kamen nicht, zu sehn und zu gaffen,
Sondern geschlagen von Gottes Waffen,
Wollten sich alle taufen lassen.
Das Kirchlein nicht ein Drittel faßt
Der Meng', so an den Pforten paßt.
Jetzo die Orgel hell erklingt,
Man freudig Hallelujah singt.
Dann, voller Demuth, holder Sitte,
Schön Rahel vor den Taufstein schritte.
Ihr Haupt gebeuget und ihr Knie,
Empfänget Bad und Segen sie.

— O du an deines Sohnes Seite
Vertritt uns Mutter, benedeyte!“

So ſprach Herr Aaron jenen Tag;
Hoͤrt an, was weiter werden mag.
Zu Pfingſten, fruͤh vor Tage ſchon,
Zieht, groß und lang, eine Prozeſſion
Mit hellen Kerzen ohne Zahl
Langſam dahin durch's gruͤne Thal,
Soͤhne und Toͤchter Iſrael,
Zum Berg des Engels Michael.
Zuvorderſt thaͤt Herr Aaron gehn
Mit ſeiner Frauen und Rahel ſchoͤn;
Kam hierauf ſeine Dienerſchaft,
Lobpreiſend Gottes Wunderkraft,
Aber zulezt, in langen Reihn,
An die zweihundert von ſeiner Gemein:
Die kamen nicht, zu ſehn und zu gaffen,
Sondern geſchlagen von Gottes Waffen,
Wollten ſich alle taufen laſſen.
Das Kirchlein nicht ein Drittel faßt
Der Meng', ſo an den Pforten paßt.
Jetzo die Orgel hell erklingt,
Man freudig Hallelujah ſingt.
Dann, voller Demuth, holder Sitte,
Schoͤn Rahel vor den Taufſtein ſchritte.
Ihr Haupt gebeuget und ihr Knie,
Empfaͤnget Bad und Segen ſie.
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[95/0111] — O du an deines Sohnes Seite Vertritt uns Mutter, benedeyte!“ So ſprach Herr Aaron jenen Tag; Hoͤrt an, was weiter werden mag. Zu Pfingſten, fruͤh vor Tage ſchon, Zieht, groß und lang, eine Prozeſſion Mit hellen Kerzen ohne Zahl Langſam dahin durch's gruͤne Thal, Soͤhne und Toͤchter Iſrael, Zum Berg des Engels Michael. Zuvorderſt thaͤt Herr Aaron gehn Mit ſeiner Frauen und Rahel ſchoͤn; Kam hierauf ſeine Dienerſchaft, Lobpreiſend Gottes Wunderkraft, Aber zulezt, in langen Reihn, An die zweihundert von ſeiner Gemein: Die kamen nicht, zu ſehn und zu gaffen, Sondern geſchlagen von Gottes Waffen, Wollten ſich alle taufen laſſen. Das Kirchlein nicht ein Drittel faßt Der Meng', ſo an den Pforten paßt. Jetzo die Orgel hell erklingt, Man freudig Hallelujah ſingt. Dann, voller Demuth, holder Sitte, Schoͤn Rahel vor den Taufſtein ſchritte. Ihr Haupt gebeuget und ihr Knie, Empfaͤnget Bad und Segen ſie.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/111>, abgerufen am 27.11.2024.