Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
An eine Lieblingsbuche meines Gartens,
in deren Stamm ich Hölty's Namen schnitt.
Holde Dryas, halte mir still! es schmerzet nur wenig;
Mit wollüstigem Reiz schließt sich die Wunde geschwind.
Eines Dichters Namen zu tragen bist du gewürdigt,
Keinen Lieberen hat Wiese noch Wald mir genannt.
Künftig sey du die Erste von allen deinen Geschwistern,
Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt.
Und ein liebendes Mädchen, von deinem Dunkel umduftet,
Sieht den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt;
Leise drückt sie, gedankenvoll, die Lippen auf diese
Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das innerste Mark.
Wehe der Hand, die dich zu schädigen waget! Ihr glücke
Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches
Werk!


8 *
An eine Lieblingsbuche meines Gartens,
in deren Stamm ich Hoͤlty's Namen ſchnitt.
Holde Dryas, halte mir ſtill! es ſchmerzet nur wenig;
Mit wolluͤſtigem Reiz ſchließt ſich die Wunde geſchwind.
Eines Dichters Namen zu tragen biſt du gewuͤrdigt,
Keinen Lieberen hat Wieſe noch Wald mir genannt.
Kuͤnftig ſey du die Erſte von allen deinen Geſchwiſtern,
Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt.
Und ein liebendes Maͤdchen, von deinem Dunkel umduftet,
Sieht den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt;
Leiſe druͤckt ſie, gedankenvoll, die Lippen auf dieſe
Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das innerſte Mark.
Wehe der Hand, die dich zu ſchaͤdigen waget! Ihr gluͤcke
Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches
Werk!


8 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0131" n="115"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#b">An eine Lieblingsbuche meines Gartens,</hi><lb/>
in deren Stamm ich <hi rendition="#g">Ho&#x0364;lty's</hi> Namen &#x017F;chnitt.<lb/></head>
        <lg type="poem">
          <l>Holde Dryas, halte mir &#x017F;till! es &#x017F;chmerzet nur wenig;</l><lb/>
          <l>Mit wollu&#x0364;&#x017F;tigem Reiz &#x017F;chließt &#x017F;ich die Wunde ge&#x017F;chwind.</l><lb/>
          <l>Eines Dichters Namen zu tragen bi&#x017F;t du gewu&#x0364;rdigt,</l><lb/>
          <l>Keinen Lieberen hat Wie&#x017F;e noch Wald mir genannt.</l><lb/>
          <l>Ku&#x0364;nftig &#x017F;ey du die Er&#x017F;te von allen deinen Ge&#x017F;chwi&#x017F;tern,</l><lb/>
          <l>Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt.</l><lb/>
          <l>Und ein liebendes Ma&#x0364;dchen, von deinem Dunkel umduftet,</l><lb/>
          <l>Sieht den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt;</l><lb/>
          <l>Lei&#x017F;e dru&#x0364;ckt &#x017F;ie, gedankenvoll, die Lippen auf die&#x017F;e</l><lb/>
          <l>Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das inner&#x017F;te Mark.</l><lb/>
          <l>Wehe der Hand, die dich zu &#x017F;cha&#x0364;digen waget! Ihr glu&#x0364;cke</l><lb/>
          <l>Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches<lb/><hi rendition="#et">Werk!</hi></l><lb/>
        </lg>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">8 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0131] An eine Lieblingsbuche meines Gartens, in deren Stamm ich Hoͤlty's Namen ſchnitt. Holde Dryas, halte mir ſtill! es ſchmerzet nur wenig; Mit wolluͤſtigem Reiz ſchließt ſich die Wunde geſchwind. Eines Dichters Namen zu tragen biſt du gewuͤrdigt, Keinen Lieberen hat Wieſe noch Wald mir genannt. Kuͤnftig ſey du die Erſte von allen deinen Geſchwiſtern, Welche der kommende Lenz wecket und reichlich belaubt. Und ein liebendes Maͤdchen, von deinem Dunkel umduftet, Sieht den Namen, der, halb nur verborgen, ihr winkt; Leiſe druͤckt ſie, gedankenvoll, die Lippen auf dieſe Lettern, es dringet ihr Kuß dir an das innerſte Mark. Wehe der Hand, die dich zu ſchaͤdigen waget! Ihr gluͤcke Nimmer, in Feld und Haus, nimmer ein friedliches Werk! 8 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/131
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/131>, abgerufen am 26.11.2024.