Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Tag und Nacht.

(Orientalisch.)

Schlank und schön ein Mohrenknabe
Bringt in himmelblauer Schürze
Manche wundersame Gabe,
Kühlen Duft und süße Würze.
Wenn die Abendlüfte wehen,
Naht er sachte, kaum gesehen,
Hat ein Harfenspiel zur Hand.
Auch der Saiten sanftes Tönen
Kann man nächtlich lauschend hören;
Doch scheint Alles seiner Schönen,
Ungetreuen zu gehören.
Und er wandelt, bis am Haine,
Bis am See und Wiesenraine
Er die Spur der Liebsten fand.
Wohl ein Lächeln mag sich leise
Dann ins ernste Antlitz neigen,
Weiße Zähne, schneeig-weiße,
Sich wie Sternenlichter zeigen.
Doch ihn faßt ein reizend Bangen,
Kommt von Ferne Sie gegangen,
Und er sucht sein dunkel Haus.
Tag und Nacht.

(Orientaliſch.)

Schlank und ſchoͤn ein Mohrenknabe
Bringt in himmelblauer Schuͤrze
Manche wunderſame Gabe,
Kuͤhlen Duft und ſuͤße Wuͤrze.
Wenn die Abendluͤfte wehen,
Naht er ſachte, kaum geſehen,
Hat ein Harfenſpiel zur Hand.
Auch der Saiten ſanftes Toͤnen
Kann man naͤchtlich lauſchend hoͤren;
Doch ſcheint Alles ſeiner Schoͤnen,
Ungetreuen zu gehoͤren.
Und er wandelt, bis am Haine,
Bis am See und Wieſenraine
Er die Spur der Liebſten fand.
Wohl ein Laͤcheln mag ſich leiſe
Dann ins ernſte Antlitz neigen,
Weiße Zaͤhne, ſchneeig-weiße,
Sich wie Sternenlichter zeigen.
Doch ihn faßt ein reizend Bangen,
Kommt von Ferne Sie gegangen,
Und er ſucht ſein dunkel Haus.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0172" n="156"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Tag und Nacht.</hi><lb/>
        </head>
        <p rendition="#c">(Orientali&#x017F;ch.)</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Schlank und &#x017F;cho&#x0364;n ein Mohrenknabe</l><lb/>
            <l>Bringt in himmelblauer Schu&#x0364;rze</l><lb/>
            <l>Manche wunder&#x017F;ame Gabe,</l><lb/>
            <l>Ku&#x0364;hlen Duft und &#x017F;u&#x0364;ße Wu&#x0364;rze.</l><lb/>
            <l>Wenn die Abendlu&#x0364;fte wehen,</l><lb/>
            <l>Naht er &#x017F;achte, kaum ge&#x017F;ehen,</l><lb/>
            <l>Hat ein Harfen&#x017F;piel zur Hand.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="2">
            <l>Auch der Saiten &#x017F;anftes To&#x0364;nen</l><lb/>
            <l>Kann man na&#x0364;chtlich lau&#x017F;chend ho&#x0364;ren;</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;cheint Alles &#x017F;einer Scho&#x0364;nen,</l><lb/>
            <l>Ungetreuen zu geho&#x0364;ren.</l><lb/>
            <l>Und er wandelt, bis am Haine,</l><lb/>
            <l>Bis am See und Wie&#x017F;enraine</l><lb/>
            <l>Er die Spur der Lieb&#x017F;ten fand.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="3">
            <l>Wohl ein La&#x0364;cheln mag &#x017F;ich lei&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Dann ins ern&#x017F;te Antlitz neigen,</l><lb/>
            <l>Weiße Za&#x0364;hne, &#x017F;chneeig-weiße,</l><lb/>
            <l>Sich wie Sternenlichter zeigen.</l><lb/>
            <l>Doch ihn faßt ein reizend Bangen,</l><lb/>
            <l>Kommt von Ferne Sie gegangen,</l><lb/>
            <l>Und er &#x017F;ucht &#x017F;ein dunkel Haus.</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0172] Tag und Nacht. (Orientaliſch.) Schlank und ſchoͤn ein Mohrenknabe Bringt in himmelblauer Schuͤrze Manche wunderſame Gabe, Kuͤhlen Duft und ſuͤße Wuͤrze. Wenn die Abendluͤfte wehen, Naht er ſachte, kaum geſehen, Hat ein Harfenſpiel zur Hand. Auch der Saiten ſanftes Toͤnen Kann man naͤchtlich lauſchend hoͤren; Doch ſcheint Alles ſeiner Schoͤnen, Ungetreuen zu gehoͤren. Und er wandelt, bis am Haine, Bis am See und Wieſenraine Er die Spur der Liebſten fand. Wohl ein Laͤcheln mag ſich leiſe Dann ins ernſte Antlitz neigen, Weiße Zaͤhne, ſchneeig-weiße, Sich wie Sternenlichter zeigen. Doch ihn faßt ein reizend Bangen, Kommt von Ferne Sie gegangen, Und er ſucht ſein dunkel Haus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/172
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/172>, abgerufen am 24.11.2024.