Nicht den Menschen sowohl, die da leben und wandeln auf Erden, -- Ihnen dient nur wenig zu wissen --, sondern den Geistern In der Schattenwelt, den alten Weisen und Helden, Welche traurig sitzen und forschen das hohe Verhängniß, Schweigsam immerdar, des erquicklichen Wortes entbehrend. Aber vergebens harren sie dein, dieweil du ja gänzlich Deines erhabnen Berufs vergissest. Laß mich nur offen Dir gestehen, so wie du es bisher getrieben, erscheinst du Weder ein Halbgott, noch ein Begeisteter, sondern ein Schweinpelz, Gräulichem Rübenfraß ergeben, sinnst du nur Unheil; Steigest des Nachts in den Fluß, bis über die Kniee ge¬ stiefelt, Trennst die Bänder los an den Flößen und schleuderst die Balken Weit hinein in das Land, den ehrlichen Flößern zum Torten. Tagelang trollst du müßig umher im wilden Gebirge, Ahmest das Grunzen des Keulers nach und lockest sein Weibchen, Greifest, wenn sie nun rennt durch den Busch, die Sau bei den Ohren, Zwickst die Wüthende, grausam dich weidend an ihrem Geschreie. Siehe, dies wissen wir wohl, denn Alles sehen die Götter. Aber reize sie länger nicht mehr, es möchte dich reuen! Schmeidige doch ein Weniges deine borstige Seele! Suche zusammen dein Wissen und lichte die rußigen Kammern
Nicht den Menſchen ſowohl, die da leben und wandeln auf Erden, — Ihnen dient nur wenig zu wiſſen —, ſondern den Geiſtern In der Schattenwelt, den alten Weiſen und Helden, Welche traurig ſitzen und forſchen das hohe Verhaͤngniß, Schweigſam immerdar, des erquicklichen Wortes entbehrend. Aber vergebens harren ſie dein, dieweil du ja gaͤnzlich Deines erhabnen Berufs vergiſſeſt. Laß mich nur offen Dir geſtehen, ſo wie du es bisher getrieben, erſcheinſt du Weder ein Halbgott, noch ein Begeiſteter, ſondern ein Schweinpelz, Graͤulichem Ruͤbenfraß ergeben, ſinnſt du nur Unheil; Steigeſt des Nachts in den Fluß, bis uͤber die Kniee ge¬ ſtiefelt, Trennſt die Baͤnder los an den Floͤßen und ſchleuderſt die Balken Weit hinein in das Land, den ehrlichen Floͤßern zum Torten. Tagelang trollſt du muͤßig umher im wilden Gebirge, Ahmeſt das Grunzen des Keulers nach und lockeſt ſein Weibchen, Greifeſt, wenn ſie nun rennt durch den Buſch, die Sau bei den Ohren, Zwickſt die Wuͤthende, grauſam dich weidend an ihrem Geſchreie. Siehe, dies wiſſen wir wohl, denn Alles ſehen die Goͤtter. Aber reize ſie laͤnger nicht mehr, es moͤchte dich reuen! Schmeidige doch ein Weniges deine borſtige Seele! Suche zuſammen dein Wiſſen und lichte die rußigen Kammern
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Nicht den Menſchen ſowohl, die da leben und wandeln
auf Erden, —
Ihnen dient nur wenig zu wiſſen —, ſondern den Geiſtern
In der Schattenwelt, den alten Weiſen und Helden,
Welche traurig ſitzen und forſchen das hohe Verhaͤngniß,
Schweigſam immerdar, des erquicklichen Wortes entbehrend.
Aber vergebens harren ſie dein, dieweil du ja gaͤnzlich
Deines erhabnen Berufs vergiſſeſt. Laß mich nur offen
Dir geſtehen, ſo wie du es bisher getrieben, erſcheinſt du
Weder ein Halbgott, noch ein Begeiſteter, ſondern ein
Schweinpelz,
Graͤulichem Ruͤbenfraß ergeben, ſinnſt du nur Unheil;
Steigeſt des Nachts in den Fluß, bis uͤber die Kniee ge¬
ſtiefelt,
Trennſt die Baͤnder los an den Floͤßen und ſchleuderſt die
Balken
Weit hinein in das Land, den ehrlichen Floͤßern zum
Torten.
Tagelang trollſt du muͤßig umher im wilden Gebirge,
Ahmeſt das Grunzen des Keulers nach und lockeſt ſein
Weibchen,
Greifeſt, wenn ſie nun rennt durch den Buſch, die Sau
bei den Ohren,
Zwickſt die Wuͤthende, grauſam dich weidend an ihrem
Geſchreie.
Siehe, dies wiſſen wir wohl, denn Alles ſehen die Goͤtter.
Aber reize ſie laͤnger nicht mehr, es moͤchte dich reuen!
Schmeidige doch ein Weniges deine borſtige Seele!
Suche zuſammen dein Wiſſen und lichte die rußigen
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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/194>, abgerufen am 16.02.2025.
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