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Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

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Aber es standen die Schaaren umher von Grausen ge¬
fesselt,

Ehrfurchtsvoll die Augen zum sicheren Manne erhoben.
Dieser hielt noch und wog den wuchtigen Schweif in den
Händen,

Den bisweilen zuckender Schmerz noch leise bewegte;
Sinnend schaut' er ihn an und sprach die prophetischen
Worte:

"Wie viel Mal thut der sichere Mann dem Teufel ein
Leides?

Erstlich heute, wie eben geschehn, ihr saht es mit Augen.
Dann ein zweites, ein drittes Mal in der Zeiten Voll¬
endung:

Dreimal rauft der sichere Mann dem Teufel den Schweif
aus.

Solcher sprosset ihm zwar von Neuem, aber nicht ganz mehr,
Sondern kürzer, je um ein Drittel, bis daß er welket.
Gleichermaßen vergeht dem Bösen der Muth und die
Stärke,

Kindisch wird er und alt und ein Bettler, Allen verachtet.
Dann wird ein Jubel seyn in der Unterwelt und auf
der Erde,

Aber der sichere Mann wird ein lieber Genosse den Göttern."
Dies gesprochen, legt er den Schweif in das Buch als
ein Zeichen,

Sorgsam, daß oben noch just der haarige Büschel heraussah:
"So! da machen wir denn ein ander Mal weiter!" und
-- Basta

Aber es ſtanden die Schaaren umher von Grauſen ge¬
feſſelt,

Ehrfurchtsvoll die Augen zum ſicheren Manne erhoben.
Dieſer hielt noch und wog den wuchtigen Schweif in den
Haͤnden,

Den bisweilen zuckender Schmerz noch leiſe bewegte;
Sinnend ſchaut' er ihn an und ſprach die prophetiſchen
Worte:

„Wie viel Mal thut der ſichere Mann dem Teufel ein
Leides?

Erſtlich heute, wie eben geſchehn, ihr ſaht es mit Augen.
Dann ein zweites, ein drittes Mal in der Zeiten Voll¬
endung:

Dreimal rauft der ſichere Mann dem Teufel den Schweif
aus.

Solcher ſproſſet ihm zwar von Neuem, aber nicht ganz mehr,
Sondern kuͤrzer, je um ein Drittel, bis daß er welket.
Gleichermaßen vergeht dem Boͤſen der Muth und die
Staͤrke,

Kindiſch wird er und alt und ein Bettler, Allen verachtet.
Dann wird ein Jubel ſeyn in der Unterwelt und auf
der Erde,

Aber der ſichere Mann wird ein lieber Genoſſe den Goͤttern.“
Dies geſprochen, legt er den Schweif in das Buch als
ein Zeichen,

Sorgſam, daß oben noch juſt der haarige Buͤſchel herausſah:
„So! da machen wir denn ein ander Mal weiter!“ und
— Baſta

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[188/0204] Aber es ſtanden die Schaaren umher von Grauſen ge¬ feſſelt, Ehrfurchtsvoll die Augen zum ſicheren Manne erhoben. Dieſer hielt noch und wog den wuchtigen Schweif in den Haͤnden, Den bisweilen zuckender Schmerz noch leiſe bewegte; Sinnend ſchaut' er ihn an und ſprach die prophetiſchen Worte: „Wie viel Mal thut der ſichere Mann dem Teufel ein Leides? Erſtlich heute, wie eben geſchehn, ihr ſaht es mit Augen. Dann ein zweites, ein drittes Mal in der Zeiten Voll¬ endung: Dreimal rauft der ſichere Mann dem Teufel den Schweif aus. Solcher ſproſſet ihm zwar von Neuem, aber nicht ganz mehr, Sondern kuͤrzer, je um ein Drittel, bis daß er welket. Gleichermaßen vergeht dem Boͤſen der Muth und die Staͤrke, Kindiſch wird er und alt und ein Bettler, Allen verachtet. Dann wird ein Jubel ſeyn in der Unterwelt und auf der Erde, Aber der ſichere Mann wird ein lieber Genoſſe den Goͤttern.“ Dies geſprochen, legt er den Schweif in das Buch als ein Zeichen, Sorgſam, daß oben noch juſt der haarige Buͤſchel herausſah: „So! da machen wir denn ein ander Mal weiter!“ und — Baſta

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/204>, abgerufen am 25.11.2024.