Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Und mit weinendem Blick, doch grausam,
Hieß ich das schlanke,
Zauberhafte Mädchen
Ferne gehen von mir.
Ach, ihre hohe Stirn,
Drin ein schöner, sündhafter Wahnsinn
Aus dem dunkelen Auge blickte,
War gesenkt, denn sie liebte mich;
Aber sie zog mit Schweigen
Fort in die graue,
Stille Welt hinaus.

Von der Zeit an
Kamen mir Träume voll schöner Trübe,
Wie gesponnen auf Nebelgrund;
Wußte nimmer, wie mir geschah,
War nur schmachtend seliger Krankheit voll.
Oft in den Träumen zog sich ein Vorhang
Finster und groß in's Unendliche
Zwischen mich und die dunkle Welt;
Hinter ihm ahnt' ich ein Haideland,
Hinter ihm hört' ich's wie Nachtwind sausen;
Auch die Falten des Vorhangs
Fingen bald an, sich im Sturme zu regen:
Gleich einer Ahnung strich er dahinten,
Ruhig blieb ich und bange doch:
Immer leiser wurde der Haidesturm --
Siehe! da kam's.

Und mit weinendem Blick, doch grauſam,
Hieß ich das ſchlanke,
Zauberhafte Maͤdchen
Ferne gehen von mir.
Ach, ihre hohe Stirn,
Drin ein ſchoͤner, ſuͤndhafter Wahnſinn
Aus dem dunkelen Auge blickte,
War geſenkt, denn ſie liebte mich;
Aber ſie zog mit Schweigen
Fort in die graue,
Stille Welt hinaus.

Von der Zeit an
Kamen mir Traͤume voll ſchoͤner Truͤbe,
Wie geſponnen auf Nebelgrund;
Wußte nimmer, wie mir geſchah,
War nur ſchmachtend ſeliger Krankheit voll.
Oft in den Traͤumen zog ſich ein Vorhang
Finſter und groß in's Unendliche
Zwiſchen mich und die dunkle Welt;
Hinter ihm ahnt' ich ein Haideland,
Hinter ihm hoͤrt' ich's wie Nachtwind ſauſen;
Auch die Falten des Vorhangs
Fingen bald an, ſich im Sturme zu regen:
Gleich einer Ahnung ſtrich er dahinten,
Ruhig blieb ich und bange doch:
Immer leiſer wurde der Haideſturm —
Siehe! da kam's.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0249" n="233"/>
              <l>Und mit weinendem Blick, doch grau&#x017F;am,</l><lb/>
              <l>Hieß ich das &#x017F;chlanke,</l><lb/>
              <l>Zauberhafte Ma&#x0364;dchen</l><lb/>
              <l>Ferne gehen von mir.</l><lb/>
              <l>Ach, ihre hohe Stirn,</l><lb/>
              <l>Drin ein &#x017F;cho&#x0364;ner, &#x017F;u&#x0364;ndhafter Wahn&#x017F;inn</l><lb/>
              <l>Aus dem dunkelen Auge blickte,</l><lb/>
              <l>War ge&#x017F;enkt, denn &#x017F;ie liebte mich;</l><lb/>
              <l>Aber &#x017F;ie zog mit Schweigen</l><lb/>
              <l>Fort in die graue,</l><lb/>
              <l>Stille Welt hinaus.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Von der Zeit an</l><lb/>
              <l>Kamen mir Tra&#x0364;ume voll &#x017F;cho&#x0364;ner Tru&#x0364;be,</l><lb/>
              <l>Wie ge&#x017F;ponnen auf Nebelgrund;</l><lb/>
              <l>Wußte nimmer, wie mir ge&#x017F;chah,</l><lb/>
              <l>War nur &#x017F;chmachtend &#x017F;eliger Krankheit voll.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Oft in den Tra&#x0364;umen zog &#x017F;ich ein Vorhang</l><lb/>
              <l>Fin&#x017F;ter und groß in's Unendliche</l><lb/>
              <l>Zwi&#x017F;chen mich und die dunkle Welt;</l><lb/>
              <l>Hinter ihm ahnt' ich ein Haideland,</l><lb/>
              <l>Hinter ihm ho&#x0364;rt' ich's wie Nachtwind &#x017F;au&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Auch die Falten des Vorhangs</l><lb/>
              <l>Fingen bald an, &#x017F;ich im Sturme zu regen:</l><lb/>
              <l>Gleich einer Ahnung &#x017F;trich er dahinten,</l><lb/>
              <l>Ruhig blieb ich und bange doch:</l><lb/>
              <l>Immer lei&#x017F;er wurde der Haide&#x017F;turm &#x2014;</l><lb/>
              <l>Siehe! da kam's.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0249] Und mit weinendem Blick, doch grauſam, Hieß ich das ſchlanke, Zauberhafte Maͤdchen Ferne gehen von mir. Ach, ihre hohe Stirn, Drin ein ſchoͤner, ſuͤndhafter Wahnſinn Aus dem dunkelen Auge blickte, War geſenkt, denn ſie liebte mich; Aber ſie zog mit Schweigen Fort in die graue, Stille Welt hinaus. Von der Zeit an Kamen mir Traͤume voll ſchoͤner Truͤbe, Wie geſponnen auf Nebelgrund; Wußte nimmer, wie mir geſchah, War nur ſchmachtend ſeliger Krankheit voll. Oft in den Traͤumen zog ſich ein Vorhang Finſter und groß in's Unendliche Zwiſchen mich und die dunkle Welt; Hinter ihm ahnt' ich ein Haideland, Hinter ihm hoͤrt' ich's wie Nachtwind ſauſen; Auch die Falten des Vorhangs Fingen bald an, ſich im Sturme zu regen: Gleich einer Ahnung ſtrich er dahinten, Ruhig blieb ich und bange doch: Immer leiſer wurde der Haideſturm — Siehe! da kam's.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/249
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/249>, abgerufen am 29.11.2024.