Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838.Wir woll'n dich Lands verweisen, So du nicht schwörest ab den Wein; Bierkönig sollt du heißen! -- Er aber saget: Nein; Da habt ihr meine Krone! An mir ist Hopfen und Malz verlor'n. -- So stieg er von dem Throne In seinem edlen Zorn. Für Kummer und für Grämen Der Herre wurde krank und alt, Zerfiele wie ein Schemen Und holt der Tod ihn bald. Mit Purpur ward gezieret Sein Leichnam als ein König groß; Ein tief Gewölb man führet Zu Tüwingen im Schloß. Vier schwarze Edelknaben Sein' Becher trugen vor der Bahr'; Der ist mit ihm begraben, War doch von Golde gar. Damal ward prophezeihet:
Wenn nur erst hundert Jahr herum, Da würd' der Thron erneuet Vom alten Königthum. 6 *
Wir woll'n dich Lands verweiſen, So du nicht ſchwoͤreſt ab den Wein; Bierkoͤnig ſollt du heißen! — Er aber ſaget: Nein; Da habt ihr meine Krone! An mir iſt Hopfen und Malz verlor'n. — So ſtieg er von dem Throne In ſeinem edlen Zorn. Fuͤr Kummer und fuͤr Graͤmen Der Herre wurde krank und alt, Zerfiele wie ein Schemen Und holt der Tod ihn bald. Mit Purpur ward gezieret Sein Leichnam als ein Koͤnig groß; Ein tief Gewoͤlb man fuͤhret Zu Tuͤwingen im Schloß. Vier ſchwarze Edelknaben Sein' Becher trugen vor der Bahr'; Der iſt mit ihm begraben, War doch von Golde gar. Damal ward prophezeihet:
Wenn nur erſt hundert Jahr herum, Da wuͤrd' der Thron erneuet Vom alten Koͤnigthum. 6 *
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Wir woll'n dich Lands verweiſen,
So du nicht ſchwoͤreſt ab den Wein;
Bierkoͤnig ſollt du heißen!
— Er aber ſaget: Nein;
Da habt ihr meine Krone!
An mir iſt Hopfen und Malz verlor'n. —
So ſtieg er von dem Throne
In ſeinem edlen Zorn.
Fuͤr Kummer und fuͤr Graͤmen
Der Herre wurde krank und alt,
Zerfiele wie ein Schemen
Und holt der Tod ihn bald.
Mit Purpur ward gezieret
Sein Leichnam als ein Koͤnig groß;
Ein tief Gewoͤlb man fuͤhret
Zu Tuͤwingen im Schloß.
Vier ſchwarze Edelknaben
Sein' Becher trugen vor der Bahr';
Der iſt mit ihm begraben,
War doch von Golde gar.
Damal ward prophezeihet:
Wenn nur erſt hundert Jahr herum,
Da wuͤrd' der Thron erneuet
Vom alten Koͤnigthum.
6 *
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Gedichte. Stuttgart, 1838, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_gedichte_1838/99>, abgerufen am 16.02.2025. |