Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.Geistabwesenheit, daß er, die duftige Frucht beständig Da hört er Tritte in der Nähe, er erschrickt, und Geiſtabweſenheit, daß er, die duftige Frucht beſtändig Da hört er Tritte in der Nähe, er erſchrickt, und <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0041" n="29"/> Geiſtabweſenheit, daß er, die duftige Frucht beſtändig<lb/> unter der Naſe hin und her wirbelnd und bald den<lb/> Anfang, bald die Mitte einer Weiſe unhörbar zwiſchen<lb/> den Lippen bewegend, zuletzt inſtinktmäßig ein email¬<lb/> lirtes Etui aus der Seitentaſche des Rocks hervorbringt,<lb/> ein kleines Meſſer mit ſilbernem Heft daraus nimmt<lb/> und die gelbe kugelige Maſſe von oben nach unten<lb/> langſam durchſchneidet. Es mochte ihn dabei entfernt<lb/> ein dunkles Durſtgefühl geleitet haben, jedoch be¬<lb/> gnügten ſich die angeregten Sinne mit Einathmung<lb/> des köſtlichen Geruchs. Er ſtarrt minutenlang die<lb/> beiden innern Flächen an, fügt ſie ſachte wieder zu¬<lb/> ſammen, ganz ſachte, trennt und vereinigt ſie wieder.</p><lb/> <p>Da hört er Tritte in der Nähe, er erſchrickt, und<lb/> das Bewußtſeyn, wo er iſt, was er gethan, ſtellt<lb/> ſich urplötzlich bei ihm ein. Schon im Begriff, die<lb/> Pomeranze zu verbergen, hält er doch gleich damit<lb/> inne, ſey es aus Stolz, ſey's weil es zu ſpät dazu<lb/> war. Ein großer breitſchulteriger Mann in Livree,<lb/> der Gärtner des Hauſes, ſtand vor ihm. Derſelbe<lb/> hatte wohl die letzte verdächtige Bewegung noch ge¬<lb/> ſehen und ſchwieg betroffen einige Sekunden. Mozart,<lb/> gleichfalls ſprachlos, auf ſeinem Sitz wie angenagelt,<lb/> ſchaute ihm halb lachend, unter ſichtbarem Erröthen,<lb/></p> </body> </text> </TEI> [29/0041]
Geiſtabweſenheit, daß er, die duftige Frucht beſtändig
unter der Naſe hin und her wirbelnd und bald den
Anfang, bald die Mitte einer Weiſe unhörbar zwiſchen
den Lippen bewegend, zuletzt inſtinktmäßig ein email¬
lirtes Etui aus der Seitentaſche des Rocks hervorbringt,
ein kleines Meſſer mit ſilbernem Heft daraus nimmt
und die gelbe kugelige Maſſe von oben nach unten
langſam durchſchneidet. Es mochte ihn dabei entfernt
ein dunkles Durſtgefühl geleitet haben, jedoch be¬
gnügten ſich die angeregten Sinne mit Einathmung
des köſtlichen Geruchs. Er ſtarrt minutenlang die
beiden innern Flächen an, fügt ſie ſachte wieder zu¬
ſammen, ganz ſachte, trennt und vereinigt ſie wieder.
Da hört er Tritte in der Nähe, er erſchrickt, und
das Bewußtſeyn, wo er iſt, was er gethan, ſtellt
ſich urplötzlich bei ihm ein. Schon im Begriff, die
Pomeranze zu verbergen, hält er doch gleich damit
inne, ſey es aus Stolz, ſey's weil es zu ſpät dazu
war. Ein großer breitſchulteriger Mann in Livree,
der Gärtner des Hauſes, ſtand vor ihm. Derſelbe
hatte wohl die letzte verdächtige Bewegung noch ge¬
ſehen und ſchwieg betroffen einige Sekunden. Mozart,
gleichfalls ſprachlos, auf ſeinem Sitz wie angenagelt,
ſchaute ihm halb lachend, unter ſichtbarem Erröthen,
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