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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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"Erkläre uns doch, Max," sagte die Gräfin,
"was unter dem Bilde hier steht."

"Es sind Verse aus einer berühmten Horazischen
Ode. Der Dichter Ramler in Berlin hat uns das
Stück vor kurzem unübertrefflich deutsch gegeben. Es
ist vom höchsten Schwung. Wie prächtig eben diese
Eine Stelle:

-- -- -- "hier, der auf der Schulter
Keinen unthätigen Bogen führet!
Der seines Delos' grünenden Mutterhain
Und Patara's beschatteten Strand bewohnt,
Der seines Hauptes goldne Locken
In die kastalischen Fluthen tauchet."

"Schön! wirklich schön!" sagte der Graf, "nur
hie und da bedarf es der Erläuterung. So z. B.,
"der keinen unthätigen Bogen führet," hieße natür¬
lich schlechtweg: der allezeit einer der steißigsten Gei¬
ger gewesen. Doch, was ich sagen wollte: bester
Mozart, Sie säen Unkraut zwischen zwei zärtliche
Herzen."

"Ich will nicht hoffen -- wie so?"

"Eugenie beneidet ihre Freundin, und hat auch
allen Grund."

„Erkläre uns doch, Max,“ ſagte die Gräfin,
„was unter dem Bilde hier ſteht.“

„Es ſind Verſe aus einer berühmten Horaziſchen
Ode. Der Dichter Ramler in Berlin hat uns das
Stück vor kurzem unübertrefflich deutſch gegeben. Es
iſt vom höchſten Schwung. Wie prächtig eben dieſe
Eine Stelle:

— — — „hier, der auf der Schulter
Keinen unthätigen Bogen führet!
Der seines Delos' grünenden Mutterhain
Und Patara's beschatteten Strand bewohnt,
Der seines Hauptes goldne Locken
In die kastalischen Fluthen tauchet.“

„Schön! wirklich ſchön!“ ſagte der Graf, „nur
hie und da bedarf es der Erläuterung. So z. B.,
„der keinen unthätigen Bogen führet,“ hieße natür¬
lich ſchlechtweg: der allezeit einer der ſteißigſten Gei¬
ger geweſen. Doch, was ich ſagen wollte: beſter
Mozart, Sie ſäen Unkraut zwiſchen zwei zärtliche
Herzen.“

„Ich will nicht hoffen — wie ſo?“

„Eugenie beneidet ihre Freundin, und hat auch
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[68/0080] „Erkläre uns doch, Max,“ ſagte die Gräfin, „was unter dem Bilde hier ſteht.“ „Es ſind Verſe aus einer berühmten Horaziſchen Ode. Der Dichter Ramler in Berlin hat uns das Stück vor kurzem unübertrefflich deutſch gegeben. Es iſt vom höchſten Schwung. Wie prächtig eben dieſe Eine Stelle: — — — „hier, der auf der Schulter Keinen unthätigen Bogen führet! Der seines Delos' grünenden Mutterhain Und Patara's beschatteten Strand bewohnt, Der seines Hauptes goldne Locken In die kastalischen Fluthen tauchet.“ „Schön! wirklich ſchön!“ ſagte der Graf, „nur hie und da bedarf es der Erläuterung. So z. B., „der keinen unthätigen Bogen führet,“ hieße natür¬ lich ſchlechtweg: der allezeit einer der ſteißigſten Gei¬ ger geweſen. Doch, was ich ſagen wollte: beſter Mozart, Sie ſäen Unkraut zwiſchen zwei zärtliche Herzen.“ „Ich will nicht hoffen — wie ſo?“ „Eugenie beneidet ihre Freundin, und hat auch allen Grund.“

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/80>, abgerufen am 23.11.2024.