Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 263–362. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.basta, wieder abgeschüttelt! Es denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zusammen einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern oder Pfingsten, in einem Garten oder Wäldel, auf der Wiese, wir unter uns allein, bei Kinderscherz und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden. Allmittelst geht und rennt und saus't das Leben hin -- Herr Gott! Bedenkt man's recht, es möcht' einem der Angstschweiß ausbrechen! Mit der so eben ausgesprochenen Selbstanklage war unerwartet ein sehr ernsthaftes Gespräch in aller Traulichkeit und Güte zwischen beiden eröffnet. Wir theilen dasselbe nicht ausführlich mit, und werfen lieber einen allgemeinen Blick auf die Verhältnisse, die theils ausdrücklich und unmittelbar den Stoff, theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unterredung ausmachten. Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Betrachtung aus, daß dieser feurige, für jeden Reiz der Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Gemüth erreichbar ist, unglaublich empfängliche Mensch, so viel er auch in seiner kurzen Spanne Zeit erlebt, genossen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und rein befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang entbehrte. Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa tiefer suchen will, als sie vermuthlich liegen, wird sie zunächst einfach in jenen, wie es scheint, unüberwind- basta, wieder abgeschüttelt! Es denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zusammen einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern oder Pfingsten, in einem Garten oder Wäldel, auf der Wiese, wir unter uns allein, bei Kinderscherz und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden. Allmittelst geht und rennt und saus't das Leben hin — Herr Gott! Bedenkt man's recht, es möcht' einem der Angstschweiß ausbrechen! Mit der so eben ausgesprochenen Selbstanklage war unerwartet ein sehr ernsthaftes Gespräch in aller Traulichkeit und Güte zwischen beiden eröffnet. Wir theilen dasselbe nicht ausführlich mit, und werfen lieber einen allgemeinen Blick auf die Verhältnisse, die theils ausdrücklich und unmittelbar den Stoff, theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unterredung ausmachten. Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Betrachtung aus, daß dieser feurige, für jeden Reiz der Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Gemüth erreichbar ist, unglaublich empfängliche Mensch, so viel er auch in seiner kurzen Spanne Zeit erlebt, genossen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und rein befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang entbehrte. Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa tiefer suchen will, als sie vermuthlich liegen, wird sie zunächst einfach in jenen, wie es scheint, unüberwind- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015"/> basta, wieder abgeschüttelt! Es denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zusammen einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern oder Pfingsten, in einem Garten oder Wäldel, auf der Wiese, wir unter uns allein, bei Kinderscherz und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden. Allmittelst geht und rennt und saus't das Leben hin — Herr Gott! Bedenkt man's recht, es möcht' einem der Angstschweiß ausbrechen!</p><lb/> <p>Mit der so eben ausgesprochenen Selbstanklage war unerwartet ein sehr ernsthaftes Gespräch in aller Traulichkeit und Güte zwischen beiden eröffnet. Wir theilen dasselbe nicht ausführlich mit, und werfen lieber einen allgemeinen Blick auf die Verhältnisse, die theils ausdrücklich und unmittelbar den Stoff, theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unterredung ausmachten.</p><lb/> <p>Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Betrachtung aus, daß dieser feurige, für jeden Reiz der Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Gemüth erreichbar ist, unglaublich empfängliche Mensch, so viel er auch in seiner kurzen Spanne Zeit erlebt, genossen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und rein befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang entbehrte.</p><lb/> <p>Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa tiefer suchen will, als sie vermuthlich liegen, wird sie zunächst einfach in jenen, wie es scheint, unüberwind-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
basta, wieder abgeschüttelt! Es denkt mir nicht, daß wir uns auf dem Lande zusammen einen schönen Tag gemacht hätten, an Ostern oder Pfingsten, in einem Garten oder Wäldel, auf der Wiese, wir unter uns allein, bei Kinderscherz und Blumenspiel, um selber einmal wieder Kind zu werden. Allmittelst geht und rennt und saus't das Leben hin — Herr Gott! Bedenkt man's recht, es möcht' einem der Angstschweiß ausbrechen!
Mit der so eben ausgesprochenen Selbstanklage war unerwartet ein sehr ernsthaftes Gespräch in aller Traulichkeit und Güte zwischen beiden eröffnet. Wir theilen dasselbe nicht ausführlich mit, und werfen lieber einen allgemeinen Blick auf die Verhältnisse, die theils ausdrücklich und unmittelbar den Stoff, theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unterredung ausmachten.
Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Betrachtung aus, daß dieser feurige, für jeden Reiz der Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Gemüth erreichbar ist, unglaublich empfängliche Mensch, so viel er auch in seiner kurzen Spanne Zeit erlebt, genossen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und rein befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang entbehrte.
Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa tiefer suchen will, als sie vermuthlich liegen, wird sie zunächst einfach in jenen, wie es scheint, unüberwind-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:56:24Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:56:24Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |