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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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mit sich selber zu spielen, wenn jene träumerische Lei-
denschaft uns beherrscht.

Endlich kam der Abend, der den auserlesenen
Zirkel wieder in das Haus des Grafen lud. Mit
bangen Empfindungen schritt Nolten, gegen die kalte
Winterluft dicht in den Mantel gehüllt, an der Seite
seines Freundes Larkens nach der geliebten Straße
zu. Aber sie sahen die Jalousiefenster, deren sanft
durchscheinendes Licht den kommenden Gästen sonst
schon von Weitem ein wohl erwärmtes, fröhlich be-
lebtes Zimmer versprach, dießmal nicht erhellt, und
schon besorgten sie eine widrige Täuschung, als der
Bediente, der im untern Hausflur die Mäntel, Degen
und Stöcke der Herren abzunehmen hatte, sie hinten
durch den Garten nach dem Pavillon wies, dessen er-
leuchtete Glasthüren auch wirklich schon von ferne
die glänzende Gesellschaft zeigten.

Sie traten in einen angenehmen, geräumigen,
halbrunden Saal, dessen Wände rings mit Spiegel-
lampen versehen waren. Maler Tillsen und der
wunderliche Herr Hofrath sind die ersten, von welchen
unser Freund sogleich in's Gespräch gezogen wird.
Die schöne Hauswirthin, von einer Menge Damen
umringt, schien sein Eintreten Anfangs nicht zu be-
merken, aber während Theobald zuweilen mit rech-
ter Ungeduld hinüber schielte nach den freundlich be-
redten Lippen, nach dem stets gefällig mitnickenden
Köpfchen, glitt zufällig ihr Blick über die versammel-

mit ſich ſelber zu ſpielen, wenn jene träumeriſche Lei-
denſchaft uns beherrſcht.

Endlich kam der Abend, der den auserleſenen
Zirkel wieder in das Haus des Grafen lud. Mit
bangen Empfindungen ſchritt Nolten, gegen die kalte
Winterluft dicht in den Mantel gehüllt, an der Seite
ſeines Freundes Larkens nach der geliebten Straße
zu. Aber ſie ſahen die Jalouſiefenſter, deren ſanft
durchſcheinendes Licht den kommenden Gäſten ſonſt
ſchon von Weitem ein wohl erwärmtes, fröhlich be-
lebtes Zimmer verſprach, dießmal nicht erhellt, und
ſchon beſorgten ſie eine widrige Täuſchung, als der
Bediente, der im untern Hausflur die Mäntel, Degen
und Stöcke der Herren abzunehmen hatte, ſie hinten
durch den Garten nach dem Pavillon wies, deſſen er-
leuchtete Glasthüren auch wirklich ſchon von ferne
die glänzende Geſellſchaft zeigten.

Sie traten in einen angenehmen, geräumigen,
halbrunden Saal, deſſen Wände rings mit Spiegel-
lampen verſehen waren. Maler Tillſen und der
wunderliche Herr Hofrath ſind die erſten, von welchen
unſer Freund ſogleich in’s Geſpräch gezogen wird.
Die ſchöne Hauswirthin, von einer Menge Damen
umringt, ſchien ſein Eintreten Anfangs nicht zu be-
merken, aber während Theobald zuweilen mit rech-
ter Ungeduld hinüber ſchielte nach den freundlich be-
redten Lippen, nach dem ſtets gefällig mitnickenden
Köpfchen, glitt zufällig ihr Blick über die verſammel-

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[99/0107] mit ſich ſelber zu ſpielen, wenn jene träumeriſche Lei- denſchaft uns beherrſcht. Endlich kam der Abend, der den auserleſenen Zirkel wieder in das Haus des Grafen lud. Mit bangen Empfindungen ſchritt Nolten, gegen die kalte Winterluft dicht in den Mantel gehüllt, an der Seite ſeines Freundes Larkens nach der geliebten Straße zu. Aber ſie ſahen die Jalouſiefenſter, deren ſanft durchſcheinendes Licht den kommenden Gäſten ſonſt ſchon von Weitem ein wohl erwärmtes, fröhlich be- lebtes Zimmer verſprach, dießmal nicht erhellt, und ſchon beſorgten ſie eine widrige Täuſchung, als der Bediente, der im untern Hausflur die Mäntel, Degen und Stöcke der Herren abzunehmen hatte, ſie hinten durch den Garten nach dem Pavillon wies, deſſen er- leuchtete Glasthüren auch wirklich ſchon von ferne die glänzende Geſellſchaft zeigten. Sie traten in einen angenehmen, geräumigen, halbrunden Saal, deſſen Wände rings mit Spiegel- lampen verſehen waren. Maler Tillſen und der wunderliche Herr Hofrath ſind die erſten, von welchen unſer Freund ſogleich in’s Geſpräch gezogen wird. Die ſchöne Hauswirthin, von einer Menge Damen umringt, ſchien ſein Eintreten Anfangs nicht zu be- merken, aber während Theobald zuweilen mit rech- ter Ungeduld hinüber ſchielte nach den freundlich be- redten Lippen, nach dem ſtets gefällig mitnickenden Köpfchen, glitt zufällig ihr Blick über die verſammel-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/107>, abgerufen am 20.05.2024.