Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.
Womit du Stund' um Stunde missest, Dich lieblich in dir selbst vergissest -- Du schwärmst, es schwärmt der Schöpfung Seele mit! (Thereile legt sich auf einen Rasen, das Auge sehn- süchtig nach dem Könige gerichtet. Er fährt fort, mit sich selbst zu reden.) Im Schoos der Erd', im Hain und auf der Flur Wie wühlt es jetzo rings in der Natur Von nimmersatter Kräfte Gährung! Und welche Ruhe doch, und welch' ein Wohlbedacht! Dadurch in unsrer eignen Brust erwacht Ein gleiches Widerspiel von Fülle und Entbehrung. In meiner Brust, die kämpft und ruht, Welch' eine Ebbe, welche Fluth! (Pause.) Almissa -- --! Wie? Wer flüstert mir den Namen, Den langvergess'nen, zu? Hieß nicht mein Weib Almissa? Warum kommt mir's jezt in Sinn? Die heil'ge Nacht, gebückt auf ihre Harfe, Stieß träumend mit dem Finger an die Saiten, Da gab es diesen Ton. Vielleicht genoß ich In solcher Stunde einst der Liebe Glück -- -- (Langes Schweigen. Aufschauend endlich gewahrt er The- reilen, die sich ihm liebevoll genähert hat.) Ha! bin ich noch hier? Stehst du immer da? So tief versank ich in die stummen Thäler, Die mir Erinn'rung grub in mein Gehirn, Daß mir jezt ist, ich säh' zum ersten Mal Dich, die verhaßte Zeugin meiner Qual. O warf ein Gott mich aus der Menschheit Schranken,
Womit du Stund’ um Stunde miſſeſt, Dich lieblich in dir ſelbſt vergiſſeſt — Du ſchwärmſt, es ſchwärmt der Schöpfung Seele mit! (Thereile legt ſich auf einen Raſen, das Auge ſehn- ſüchtig nach dem Könige gerichtet. Er fährt fort, mit ſich ſelbſt zu reden.) Im Schoos der Erd’, im Hain und auf der Flur Wie wühlt es jetzo rings in der Natur Von nimmerſatter Kräfte Gährung! Und welche Ruhe doch, und welch’ ein Wohlbedacht! Dadurch in unſrer eignen Bruſt erwacht Ein gleiches Widerſpiel von Fülle und Entbehrung. In meiner Bruſt, die kämpft und ruht, Welch’ eine Ebbe, welche Fluth! (Pauſe.) Almiſſa — —! Wie? Wer flüſtert mir den Namen, Den langvergeſſ’nen, zu? Hieß nicht mein Weib Almiſſa? Warum kommt mir’s jezt in Sinn? Die heil’ge Nacht, gebückt auf ihre Harfe, Stieß träumend mit dem Finger an die Saiten, Da gab es dieſen Ton. Vielleicht genoß ich In ſolcher Stunde einſt der Liebe Glück — — (Langes Schweigen. Aufſchauend endlich gewahrt er The- reilen, die ſich ihm liebevoll genähert hat.) Ha! bin ich noch hier? Stehſt du immer da? So tief verſank ich in die ſtummen Thäler, Die mir Erinn’rung grub in mein Gehirn, Daß mir jezt iſt, ich ſäh’ zum erſten Mal Dich, die verhaßte Zeugin meiner Qual. O warf ein Gott mich aus der Menſchheit Schranken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#koe"> <p><pb facs="#f0175" n="167"/> Womit du Stund’ um Stunde miſſeſt,<lb/> Dich lieblich in dir ſelbſt vergiſſeſt —<lb/> Du ſchwärmſt, es ſchwärmt der Schöpfung Seele mit!</p><lb/> <stage>(<hi rendition="#g">Thereile</hi> legt ſich auf einen Raſen, das Auge ſehn-<lb/> ſüchtig nach dem Könige gerichtet. Er fährt fort, mit<lb/> ſich ſelbſt zu reden.)</stage><lb/> <p>Im Schoos der Erd’, im Hain und auf der Flur<lb/> Wie wühlt es jetzo rings in der Natur<lb/> Von nimmerſatter Kräfte Gährung!<lb/> Und welche Ruhe doch, und welch’ ein Wohlbedacht!<lb/> Dadurch in unſrer eignen Bruſt erwacht<lb/> Ein gleiches Widerſpiel von Fülle und Entbehrung.<lb/> In meiner Bruſt, die kämpft und ruht,<lb/> Welch’ eine Ebbe, welche Fluth!</p><lb/> <stage>(Pauſe.)</stage><lb/> <p><hi rendition="#g">Almiſſa</hi> — —! Wie? Wer flüſtert mir den Namen,<lb/> Den langvergeſſ’nen, zu? Hieß nicht mein Weib<lb/><hi rendition="#g">Almiſſa</hi>? Warum kommt mir’s jezt in Sinn?<lb/> Die heil’ge Nacht, gebückt auf ihre Harfe,<lb/> Stieß träumend mit dem Finger an die Saiten,<lb/> Da gab es dieſen Ton. Vielleicht genoß ich<lb/> In ſolcher Stunde einſt der Liebe Glück — —</p><lb/> <stage>(Langes Schweigen. Aufſchauend endlich gewahrt er <hi rendition="#g">The-<lb/> reilen</hi>, die ſich ihm liebevoll genähert hat.)</stage><lb/> <p>Ha! bin ich <hi rendition="#g">noch</hi> hier? Stehſt <hi rendition="#g">du</hi> immer da?<lb/> So tief verſank ich in die ſtummen Thäler,<lb/> Die mir Erinn’rung grub in mein Gehirn,<lb/> Daß mir jezt iſt, ich ſäh’ zum erſten Mal<lb/> Dich, die verhaßte Zeugin meiner Qual.<lb/> O warf ein Gott mich aus der Menſchheit Schranken,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0175]
Womit du Stund’ um Stunde miſſeſt,
Dich lieblich in dir ſelbſt vergiſſeſt —
Du ſchwärmſt, es ſchwärmt der Schöpfung Seele mit!
(Thereile legt ſich auf einen Raſen, das Auge ſehn-
ſüchtig nach dem Könige gerichtet. Er fährt fort, mit
ſich ſelbſt zu reden.)
Im Schoos der Erd’, im Hain und auf der Flur
Wie wühlt es jetzo rings in der Natur
Von nimmerſatter Kräfte Gährung!
Und welche Ruhe doch, und welch’ ein Wohlbedacht!
Dadurch in unſrer eignen Bruſt erwacht
Ein gleiches Widerſpiel von Fülle und Entbehrung.
In meiner Bruſt, die kämpft und ruht,
Welch’ eine Ebbe, welche Fluth!
(Pauſe.)
Almiſſa — —! Wie? Wer flüſtert mir den Namen,
Den langvergeſſ’nen, zu? Hieß nicht mein Weib
Almiſſa? Warum kommt mir’s jezt in Sinn?
Die heil’ge Nacht, gebückt auf ihre Harfe,
Stieß träumend mit dem Finger an die Saiten,
Da gab es dieſen Ton. Vielleicht genoß ich
In ſolcher Stunde einſt der Liebe Glück — —
(Langes Schweigen. Aufſchauend endlich gewahrt er The-
reilen, die ſich ihm liebevoll genähert hat.)
Ha! bin ich noch hier? Stehſt du immer da?
So tief verſank ich in die ſtummen Thäler,
Die mir Erinn’rung grub in mein Gehirn,
Daß mir jezt iſt, ich ſäh’ zum erſten Mal
Dich, die verhaßte Zeugin meiner Qual.
O warf ein Gott mich aus der Menſchheit Schranken,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |