Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

doch der bescheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht
irgend etwas Politisches, Satyrisches, Persönliches dem
Stücke zu Grund liege? irgend ein versteckter Sinn?
denn für das, was es nur obenhin an Poesie prätendire,
könne man es doch nicht einzig nehmen.

"Und warum denn nicht, meine Gnädigste?" fragte
Larkens die Hofdame, indem er jenes schneidend scharfe
Gesicht zeigte, das einem durch die Seele ging.

"Weil -- weil -- ich meinte nur --"

"Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und
Vermuthens überhebe, wenn ich Sie versichere, es ist
ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter-
halten wagte? Doch Sie vermissen die Pointe dabei --
ja, so ist der Dichter eben ein ruinirter Mann!"

"Er mag nur sorgen, daß er kein solcher wird,
wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben
sollte;" raunte der Baron von Vesten einem Geheimen-
rath in's Ohr und zog ihn bei Seite, "merken Sie
denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf unsern
verewigten König und seine Geschichte mit der Fürstin
Viktorie ist?"

"Was sagen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein
Licht auf! Mir däucht sogar, die Figur im Schauspiel
hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höchstseligen" --

"Allerdings! allerdings! nun? ist das aber nicht
ein ungeziemender Spaß? ist es nicht impertinent von
diesem Larkens? aber ich hielt ihn von jeher für
einen malitiösen Menschen."

doch der beſcheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht
irgend etwas Politiſches, Satyriſches, Perſönliches dem
Stücke zu Grund liege? irgend ein verſteckter Sinn?
denn für das, was es nur obenhin an Poeſie prätendire,
könne man es doch nicht einzig nehmen.

„Und warum denn nicht, meine Gnädigſte?“ fragte
Larkens die Hofdame, indem er jenes ſchneidend ſcharfe
Geſicht zeigte, das einem durch die Seele ging.

„Weil — weil — ich meinte nur —“

„Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und
Vermuthens überhebe, wenn ich Sie verſichere, es iſt
ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter-
halten wagte? Doch Sie vermiſſen die Pointe dabei —
ja, ſo iſt der Dichter eben ein ruinirter Mann!“

„Er mag nur ſorgen, daß er kein ſolcher wird,
wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben
ſollte;“ raunte der Baron von Veſten einem Geheimen-
rath in’s Ohr und zog ihn bei Seite, „merken Sie
denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf unſern
verewigten König und ſeine Geſchichte mit der Fürſtin
Viktorie iſt?“

„Was ſagen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein
Licht auf! Mir däucht ſogar, die Figur im Schauſpiel
hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höchſtſeligen“ —

„Allerdings! allerdings! nun? iſt das aber nicht
ein ungeziemender Spaß? iſt es nicht impertinent von
dieſem Larkens? aber ich hielt ihn von jeher für
einen malitiöſen Menſchen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0218" n="210"/>
doch der be&#x017F;cheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht<lb/>
irgend etwas Politi&#x017F;ches, Satyri&#x017F;ches, Per&#x017F;önliches dem<lb/>
Stücke zu Grund liege? irgend ein ver&#x017F;teckter Sinn?<lb/>
denn für das, was es nur obenhin an Poe&#x017F;ie prätendire,<lb/>
könne man es doch nicht einzig nehmen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und warum denn nicht, meine Gnädig&#x017F;te?&#x201C; fragte<lb/><hi rendition="#g">Larkens</hi> die Hofdame, indem er jenes &#x017F;chneidend &#x017F;charfe<lb/>
Ge&#x017F;icht zeigte, das einem durch die Seele ging.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Weil &#x2014; weil &#x2014; ich meinte nur &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und<lb/>
Vermuthens überhebe, wenn ich Sie ver&#x017F;ichere, es i&#x017F;t<lb/>
ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter-<lb/>
halten wagte? Doch Sie vermi&#x017F;&#x017F;en die Pointe dabei &#x2014;<lb/>
ja, &#x017F;o i&#x017F;t der Dichter eben ein ruinirter Mann!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er mag nur &#x017F;orgen, daß er kein &#x017F;olcher wird,<lb/>
wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben<lb/>
&#x017F;ollte;&#x201C; raunte der Baron von <hi rendition="#g">Ve&#x017F;ten</hi> einem Geheimen-<lb/>
rath in&#x2019;s Ohr und zog ihn bei Seite, &#x201E;merken Sie<lb/>
denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf un&#x017F;ern<lb/>
verewigten König und &#x017F;eine Ge&#x017F;chichte mit der Für&#x017F;tin<lb/><hi rendition="#g">Viktorie</hi> i&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was &#x017F;agen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein<lb/>
Licht auf! Mir däucht &#x017F;ogar, die Figur im Schau&#x017F;piel<lb/>
hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höch&#x017F;t&#x017F;eligen&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Allerdings! allerdings! nun? i&#x017F;t das aber nicht<lb/>
ein ungeziemender Spaß? i&#x017F;t es nicht impertinent von<lb/>
die&#x017F;em <hi rendition="#g">Larkens</hi>? aber ich hielt ihn von jeher für<lb/>
einen malitiö&#x017F;en Men&#x017F;chen.&#x201C;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0218] doch der beſcheidenen Frage nicht enthalten, ob nicht irgend etwas Politiſches, Satyriſches, Perſönliches dem Stücke zu Grund liege? irgend ein verſteckter Sinn? denn für das, was es nur obenhin an Poeſie prätendire, könne man es doch nicht einzig nehmen. „Und warum denn nicht, meine Gnädigſte?“ fragte Larkens die Hofdame, indem er jenes ſchneidend ſcharfe Geſicht zeigte, das einem durch die Seele ging. „Weil — weil — ich meinte nur —“ „Aber wie? wenn ich Sie alles Meinens und Vermuthens überhebe, wenn ich Sie verſichere, es iſt ein reines Kindermährchen, womit ich Sie zu unter- halten wagte? Doch Sie vermiſſen die Pointe dabei — ja, ſo iſt der Dichter eben ein ruinirter Mann!“ „Er mag nur ſorgen, daß er kein ſolcher wird, wenn man die Pointe wirklich herausgefunden haben ſollte;“ raunte der Baron von Veſten einem Geheimen- rath in’s Ohr und zog ihn bei Seite, „merken Sie denn nicht, daß das Ganze ein Pasquill auf unſern verewigten König und ſeine Geſchichte mit der Fürſtin Viktorie iſt?“ „Was ſagen Sie? Ja, wahrlich, jezt geht mir ein Licht auf! Mir däucht ſogar, die Figur im Schauſpiel hatte Aehnlichkeit mit den Zügen des Höchſtſeligen“ — „Allerdings! allerdings! nun? iſt das aber nicht ein ungeziemender Spaß? iſt es nicht impertinent von dieſem Larkens? aber ich hielt ihn von jeher für einen malitiöſen Menſchen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/218
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/218>, abgerufen am 19.05.2024.