gut bürgerliche Komödie gegeben -- Ei aber ein ver- dammter Streich müßt' es doch seyn, wenn sie eine Necke- rei mit der alten Majestät darunter suchten!"
"Das fürcht' ich," erwiderte Nolten, "und rieth ich dir nicht damals schon, wie du mich mit der Sache bekannt machtest, es lieber bei dir zu behalten, weil für keine Mißdeutung zu stehen sey? Es war voraus zu sehen. Denn daß dir der alte Nikolaus und die Maitresse bei der ganzen Komposition vorgeschwebt, gestehst du selber und hat sich heute nur zu sehr gerechtfertigt --"
"Zumal," unterbrach der Andere ihn mit Geläch- ter, "zumal, wenn es wahr seyn sollte, daß dir selbst der Teufel auch einige Mal in den Pinsel gefahren ist, weil du, wie du sagtest, den herrlichen Kopf des Alten auf dem Portrait über meinem Schreibtisch länger als räthlich war, in's Auge gefaßt!"
"Leid genug auf alle Fälle sollte mir's seyn," ge- stand Nolten nach einigem Besinnen, "man weiß nicht, wie so was umkommt und sich in der Leute Mund ver- unstaltet."
"Was da!" rief der Andere, "wer wird so abge- schmackt seyn und etwas Böses da heraus combiniren wollen? weißt du mir was Tolleres? Gar zu klein fänd' ich es schon, wenn diese Kreaturen, die sich Ge- bildete nennen, überhaupt einem fremden Gedanken da- bei Raum geben und über das Poetische der schlichten Fabel hinausgehen konnten. Aber das ist ganz in der
gut bürgerliche Komödie gegeben — Ei aber ein ver- dammter Streich müßt’ es doch ſeyn, wenn ſie eine Necke- rei mit der alten Majeſtät darunter ſuchten!“
„Das fürcht’ ich,“ erwiderte Nolten, „und rieth ich dir nicht damals ſchon, wie du mich mit der Sache bekannt machteſt, es lieber bei dir zu behalten, weil für keine Mißdeutung zu ſtehen ſey? Es war voraus zu ſehen. Denn daß dir der alte Nikolaus und die Maitreſſe bei der ganzen Kompoſition vorgeſchwebt, geſtehſt du ſelber und hat ſich heute nur zu ſehr gerechtfertigt —“
„Zumal,“ unterbrach der Andere ihn mit Geläch- ter, „zumal, wenn es wahr ſeyn ſollte, daß dir ſelbſt der Teufel auch einige Mal in den Pinſel gefahren iſt, weil du, wie du ſagteſt, den herrlichen Kopf des Alten auf dem Portrait über meinem Schreibtiſch länger als räthlich war, in’s Auge gefaßt!“
„Leid genug auf alle Fälle ſollte mir’s ſeyn,“ ge- ſtand Nolten nach einigem Beſinnen, „man weiß nicht, wie ſo was umkommt und ſich in der Leute Mund ver- unſtaltet.“
„Was da!“ rief der Andere, „wer wird ſo abge- ſchmackt ſeyn und etwas Böſes da heraus combiniren wollen? weißt du mir was Tolleres? Gar zu klein fänd’ ich es ſchon, wenn dieſe Kreaturen, die ſich Ge- bildete nennen, überhaupt einem fremden Gedanken da- bei Raum geben und über das Poetiſche der ſchlichten Fabel hinausgehen konnten. Aber das iſt ganz in der
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gut bürgerliche Komödie gegeben — Ei aber ein ver-
dammter Streich müßt’ es doch ſeyn, wenn ſie eine Necke-
rei mit der alten Majeſtät darunter ſuchten!“
„Das fürcht’ ich,“ erwiderte Nolten, „und rieth
ich dir nicht damals ſchon, wie du mich mit der Sache
bekannt machteſt, es lieber bei dir zu behalten, weil
für keine Mißdeutung zu ſtehen ſey? Es war voraus
zu ſehen. Denn daß dir der alte Nikolaus und die
Maitreſſe bei der ganzen Kompoſition vorgeſchwebt,
geſtehſt du ſelber und hat ſich heute nur zu ſehr
gerechtfertigt —“
„Zumal,“ unterbrach der Andere ihn mit Geläch-
ter, „zumal, wenn es wahr ſeyn ſollte, daß dir ſelbſt
der Teufel auch einige Mal in den Pinſel gefahren iſt,
weil du, wie du ſagteſt, den herrlichen Kopf des Alten
auf dem Portrait über meinem Schreibtiſch länger als
räthlich war, in’s Auge gefaßt!“
„Leid genug auf alle Fälle ſollte mir’s ſeyn,“ ge-
ſtand Nolten nach einigem Beſinnen, „man weiß nicht,
wie ſo was umkommt und ſich in der Leute Mund ver-
unſtaltet.“
„Was da!“ rief der Andere, „wer wird ſo abge-
ſchmackt ſeyn und etwas Böſes da heraus combiniren
wollen? weißt du mir was Tolleres? Gar zu klein
fänd’ ich es ſchon, wenn dieſe Kreaturen, die ſich Ge-
bildete nennen, überhaupt einem fremden Gedanken da-
bei Raum geben und über das Poetiſche der ſchlichten
Fabel hinausgehen konnten. Aber das iſt ganz in der
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/221>, abgerufen am 30.07.2024.
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