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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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schloß. So lebhaft ein solches Wiedersehen seyn
mußte, so freundlich die lieben Gäste mit Neuigkeiten
aller Art und mit dem besten Weine zu Belebung der
Gemüther das Ihrige thaten, so war es doch nur er-
zwungene Freude, und Theobald wußte sich um so
weniger zu lassen, da er gleich Anfangs hören mußte,
daß sein Billet an Zarlin zwar angenommen wor-
den, daß jedoch bei einem Besuche, welchen Leopold
im Hause gemacht, der Graf bloß ein allgemeines,
ziemlich kühles Bedauern geäußert habe. In so fern
Leopold nichts von der wahren Beziehung wissen
sollte, welche Noltens Interesse für jene Familie
hatte, so konnte dieser nur durch entfernte Fragen
herauslauschen, daß Constanze gar nicht sichtbar,
auch keine Rede von ihr gewesen sey.

Diese Lage der Dinge drückte nun freilich schwer
auf das Herz des geängstigten Liebhabers, aber wie
ward ihm vollends zu Muthe, als der Bildhauer sein
vor einigen Wochen schon gemachtes Anerbieten wie-
derholte, einen Brief an Agnes zu besorgen, ja als
er gutmüthig äußerte, wie er die ganze Zeit her im
Zweifel gewesen, ob er nicht selbst diese Pflicht über-
nehmen und dem Vater des Mädchens die leidigen
Begebenheiten schonungsvoll beibringen solle, wie ihn
aber ein Wort, das Larkens gleich Anfangs hierüber
fallen lassen, dennoch beruhigt habe. "Ja wohl," sagte
Nolten, "dafür ist schon Rath geschafft!" und ver-
drängte diese Materie, während er im Stillen aus

ſchloß. So lebhaft ein ſolches Wiederſehen ſeyn
mußte, ſo freundlich die lieben Gäſte mit Neuigkeiten
aller Art und mit dem beſten Weine zu Belebung der
Gemüther das Ihrige thaten, ſo war es doch nur er-
zwungene Freude, und Theobald wußte ſich um ſo
weniger zu laſſen, da er gleich Anfangs hören mußte,
daß ſein Billet an Zarlin zwar angenommen wor-
den, daß jedoch bei einem Beſuche, welchen Leopold
im Hauſe gemacht, der Graf bloß ein allgemeines,
ziemlich kühles Bedauern geäußert habe. In ſo fern
Leopold nichts von der wahren Beziehung wiſſen
ſollte, welche Noltens Intereſſe für jene Familie
hatte, ſo konnte dieſer nur durch entfernte Fragen
herauslauſchen, daß Conſtanze gar nicht ſichtbar,
auch keine Rede von ihr geweſen ſey.

Dieſe Lage der Dinge drückte nun freilich ſchwer
auf das Herz des geängſtigten Liebhabers, aber wie
ward ihm vollends zu Muthe, als der Bildhauer ſein
vor einigen Wochen ſchon gemachtes Anerbieten wie-
derholte, einen Brief an Agnes zu beſorgen, ja als
er gutmüthig äußerte, wie er die ganze Zeit her im
Zweifel geweſen, ob er nicht ſelbſt dieſe Pflicht über-
nehmen und dem Vater des Mädchens die leidigen
Begebenheiten ſchonungsvoll beibringen ſolle, wie ihn
aber ein Wort, das Larkens gleich Anfangs hierüber
fallen laſſen, dennoch beruhigt habe. „Ja wohl,“ ſagte
Nolten, „dafür iſt ſchon Rath geſchafft!“ und ver-
drängte dieſe Materie, während er im Stillen aus

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[263/0271] ſchloß. So lebhaft ein ſolches Wiederſehen ſeyn mußte, ſo freundlich die lieben Gäſte mit Neuigkeiten aller Art und mit dem beſten Weine zu Belebung der Gemüther das Ihrige thaten, ſo war es doch nur er- zwungene Freude, und Theobald wußte ſich um ſo weniger zu laſſen, da er gleich Anfangs hören mußte, daß ſein Billet an Zarlin zwar angenommen wor- den, daß jedoch bei einem Beſuche, welchen Leopold im Hauſe gemacht, der Graf bloß ein allgemeines, ziemlich kühles Bedauern geäußert habe. In ſo fern Leopold nichts von der wahren Beziehung wiſſen ſollte, welche Noltens Intereſſe für jene Familie hatte, ſo konnte dieſer nur durch entfernte Fragen herauslauſchen, daß Conſtanze gar nicht ſichtbar, auch keine Rede von ihr geweſen ſey. Dieſe Lage der Dinge drückte nun freilich ſchwer auf das Herz des geängſtigten Liebhabers, aber wie ward ihm vollends zu Muthe, als der Bildhauer ſein vor einigen Wochen ſchon gemachtes Anerbieten wie- derholte, einen Brief an Agnes zu beſorgen, ja als er gutmüthig äußerte, wie er die ganze Zeit her im Zweifel geweſen, ob er nicht ſelbſt dieſe Pflicht über- nehmen und dem Vater des Mädchens die leidigen Begebenheiten ſchonungsvoll beibringen ſolle, wie ihn aber ein Wort, das Larkens gleich Anfangs hierüber fallen laſſen, dennoch beruhigt habe. „Ja wohl,“ ſagte Nolten, „dafür iſt ſchon Rath geſchafft!“ und ver- drängte dieſe Materie, während er im Stillen aus

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/271>, abgerufen am 02.06.2024.