Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.ich gedenke hier nur noch einiger alten Verse, welche Und die mich trug in Mutterleib, Die durft' ich niemals schauen, Sie war ein schön, frech, braunes Weib, Wollt' keinem Manne trauen. Und lachte hell und scherzte laut: Ei, laßt mich gehn und stehen! Möcht' lieber seyn des Windes Braut, Denn in die Ehe gehen. Da kam der Wind, da nahm der Wind Als Buhle sie gefangen, Von dem hat sie ein lustig Kind In ihren Schoos empfangen." "Wird mir doch in diesem Augenblick," sagte die "Noch ein anderes Lied," sagte der Obrist, "ist ich gedenke hier nur noch einiger alten Verſe, welche Und die mich trug in Mutterleib, Die durft’ ich niemals ſchauen, Sie war ein ſchön, frech, braunes Weib, Wollt’ keinem Manne trauen. Und lachte hell und ſcherzte laut: Ei, laßt mich gehn und ſtehen! Möcht’ lieber ſeyn des Windes Braut, Denn in die Ehe gehen. Da kam der Wind, da nahm der Wind Als Buhle ſie gefangen, Von dem hat ſie ein luſtig Kind In ihren Schoos empfangen.“ „Wird mir doch in dieſem Augenblick,“ ſagte die „Noch ein anderes Lied,“ ſagte der Obriſt, „iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="453"/> ich gedenke hier nur noch einiger alten Verſe, welche<lb/> wahrſcheinlich den Schluß eines größern Lieds aus-<lb/> machten. Sie weiſen auf die fabelhafte Geburt <hi rendition="#g">Vol-<lb/> kers</hi> hin und machen ihn, wie mich däucht, gar cha-<lb/> rakteriſtiſch für den freien kräftigen Mann, zu einem<lb/> Sohne des Windes. Er ſelber ſoll das Lied zuweilen<lb/> geſungen haben.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Und die mich trug in Mutterleib,</l><lb/> <l>Die durft’ ich niemals ſchauen,</l><lb/> <l>Sie war ein ſchön, frech, braunes Weib,</l><lb/> <l>Wollt’ keinem Manne trauen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und lachte hell und ſcherzte laut:</l><lb/> <l>Ei, laßt mich gehn und ſtehen!</l><lb/> <l>Möcht’ lieber ſeyn des Windes Braut,</l><lb/> <l>Denn in die Ehe gehen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Da kam der Wind, da nahm der Wind</l><lb/> <l>Als Buhle ſie gefangen,</l><lb/> <l>Von dem hat ſie ein luſtig Kind</l><lb/> <l>In ihren Schoos empfangen.“</l> </lg> </lg><lb/> <p>„Wird mir doch in dieſem Augenblick,“ ſagte die<lb/> Pfarrerin, indem ſie ein heimliches Auge an der<lb/> Linde hinauflaufen ließ, „mir wird von all dem<lb/> Zauberweſen ſo kurios zu Muthe, daß ich mich eben<lb/> nicht ſehr entſetzen würde, wenn jezt noch die Fabel<lb/> vom ſingenden Baum wahr würde, ja wenn Herr<lb/><hi rendition="#g">Volker</hi> leibhaftig als luſtiges Geſpenſt in unſre<lb/> Mitte träte.“</p><lb/> <p>„Noch ein anderes Lied,“ ſagte der Obriſt, „iſt<lb/> mir im Gedächtniß geblieben, das man ſich im Munde<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [453/0139]
ich gedenke hier nur noch einiger alten Verſe, welche
wahrſcheinlich den Schluß eines größern Lieds aus-
machten. Sie weiſen auf die fabelhafte Geburt Vol-
kers hin und machen ihn, wie mich däucht, gar cha-
rakteriſtiſch für den freien kräftigen Mann, zu einem
Sohne des Windes. Er ſelber ſoll das Lied zuweilen
geſungen haben.
Und die mich trug in Mutterleib,
Die durft’ ich niemals ſchauen,
Sie war ein ſchön, frech, braunes Weib,
Wollt’ keinem Manne trauen.
Und lachte hell und ſcherzte laut:
Ei, laßt mich gehn und ſtehen!
Möcht’ lieber ſeyn des Windes Braut,
Denn in die Ehe gehen.
Da kam der Wind, da nahm der Wind
Als Buhle ſie gefangen,
Von dem hat ſie ein luſtig Kind
In ihren Schoos empfangen.“
„Wird mir doch in dieſem Augenblick,“ ſagte die
Pfarrerin, indem ſie ein heimliches Auge an der
Linde hinauflaufen ließ, „mir wird von all dem
Zauberweſen ſo kurios zu Muthe, daß ich mich eben
nicht ſehr entſetzen würde, wenn jezt noch die Fabel
vom ſingenden Baum wahr würde, ja wenn Herr
Volker leibhaftig als luſtiges Geſpenſt in unſre
Mitte träte.“
„Noch ein anderes Lied,“ ſagte der Obriſt, „iſt
mir im Gedächtniß geblieben, das man ſich im Munde
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