das Herz, ihm den Leviten zu lesen, wie's recht ist? Redet doch auch ihr Andern!"
"Redet nicht ihr Andern!" entgegnete ernsthaft der Büchsenmacher; "das ist, hol' mich der Teufel, kein Text für diesen Abend und für die Schenke, wo man Fried haben will. Ich sag' euch, und das ist mein letzt Wort in der Sache: gar gut weiß ich, woran ich bin mit mir selber, und so viel ist auch gewiß, wenn ich will hat dieß tolle Leben ein End' über Nacht. Der Lörmer wird sich vom Kopf bis zum Fuß das alte Fell abziehen mit Einemmal, wie man einen Handschuh abreißt. Ihr sollt sehen. Laßt mich aber indeß mit eurer Predigt in Ruh', sie richtet in zwei Jahren nicht aus, was der ungefähre Windstoß eines frischen Augenblicks bei mir aufjagt. -- Muß aber heut' ja von Lumperei die Rede seyn, so will ich euch und -- hiemit nahm der Sprecher plötzlich seine wohlbehagliche, muntere Haltung wieder an -- will ich euch ein Räthsel vorlegen in Betreff eines Lumpen, der sich auf unbegreifliche Weise innerhalb vier und zwanzig Stunden zum flotten Mann poussirt hat, und zwar ist es einer aus unserer Gesellschaft." "Wie? Was?" riefen Einige. "Ohne Zweifel;" erwiderte der Büchsenmacher; "er befindet sich zwar gegenwärtig nicht unter uns und schon mehrere Tage nicht, aber er rechnet sich zur Compagnie, er versprach heute zu kommen, und es wäre unbarmherzig, wenn ihr ihn nicht wenigstens als Anhängsel, als ein Schwänzchen
das Herz, ihm den Leviten zu leſen, wie’s recht iſt? Redet doch auch ihr Andern!“
„Redet nicht ihr Andern!“ entgegnete ernſthaft der Büchſenmacher; „das iſt, hol’ mich der Teufel, kein Text für dieſen Abend und für die Schenke, wo man Fried haben will. Ich ſag’ euch, und das iſt mein letzt Wort in der Sache: gar gut weiß ich, woran ich bin mit mir ſelber, und ſo viel iſt auch gewiß, wenn ich will hat dieß tolle Leben ein End’ über Nacht. Der Lörmer wird ſich vom Kopf bis zum Fuß das alte Fell abziehen mit Einemmal, wie man einen Handſchuh abreißt. Ihr ſollt ſehen. Laßt mich aber indeß mit eurer Predigt in Ruh’, ſie richtet in zwei Jahren nicht aus, was der ungefähre Windſtoß eines friſchen Augenblicks bei mir aufjagt. — Muß aber heut’ ja von Lumperei die Rede ſeyn, ſo will ich euch und — hiemit nahm der Sprecher plötzlich ſeine wohlbehagliche, muntere Haltung wieder an — will ich euch ein Räthſel vorlegen in Betreff eines Lumpen, der ſich auf unbegreifliche Weiſe innerhalb vier und zwanzig Stunden zum flotten Mann pouſſirt hat, und zwar iſt es einer aus unſerer Geſellſchaft.“ „Wie? Was?“ riefen Einige. „Ohne Zweifel;“ erwiderte der Büchſenmacher; „er befindet ſich zwar gegenwärtig nicht unter uns und ſchon mehrere Tage nicht, aber er rechnet ſich zur Compagnie, er verſprach heute zu kommen, und es wäre unbarmherzig, wenn ihr ihn nicht wenigſtens als Anhängſel, als ein Schwänzchen
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das Herz, ihm den Leviten zu leſen, wie’s recht iſt?
Redet doch auch ihr Andern!“
„Redet nicht ihr Andern!“ entgegnete ernſthaft
der Büchſenmacher; „das iſt, hol’ mich der Teufel,
kein Text für dieſen Abend und für die Schenke, wo
man Fried haben will. Ich ſag’ euch, und das iſt
mein letzt Wort in der Sache: gar gut weiß ich, woran
ich bin mit mir ſelber, und ſo viel iſt auch gewiß,
wenn ich will hat dieß tolle Leben ein End’ über
Nacht. Der Lörmer wird ſich vom Kopf bis zum
Fuß das alte Fell abziehen mit Einemmal, wie man
einen Handſchuh abreißt. Ihr ſollt ſehen. Laßt mich
aber indeß mit eurer Predigt in Ruh’, ſie richtet in
zwei Jahren nicht aus, was der ungefähre Windſtoß
eines friſchen Augenblicks bei mir aufjagt. — Muß
aber heut’ ja von Lumperei die Rede ſeyn, ſo will ich
euch und — hiemit nahm der Sprecher plötzlich ſeine
wohlbehagliche, muntere Haltung wieder an — will ich
euch ein Räthſel vorlegen in Betreff eines Lumpen,
der ſich auf unbegreifliche Weiſe innerhalb vier und
zwanzig Stunden zum flotten Mann pouſſirt hat, und
zwar iſt es einer aus unſerer Geſellſchaft.“ „Wie?
Was?“ riefen Einige. „Ohne Zweifel;“ erwiderte der
Büchſenmacher; „er befindet ſich zwar gegenwärtig
nicht unter uns und ſchon mehrere Tage nicht, aber
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kommen, und es wäre unbarmherzig, wenn ihr ihn
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/172>, abgerufen am 25.11.2024.
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