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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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wußte von ihm. Nach acht Tagen dacht' ich nicht mehr
an den Vorfall und hielt den Unbekannten für einen
Auswärtigen. -- Ich befinde mich eines Morgens mit
mehreren Bekannten auf dem Kaffeehause. Im Auf-
und Abgehen klopf' ich meine Cigarre am offenen
Fenster aus und werfe zufällig einen Blick auf die
Straße; ein Handwerker mit Brettern unter'm Arm
geht hart am Hause vorüber, meine Asche kann ihn
getroffen haben, kurz, er schaut rasch auf und bietet
mir das ganze Gesicht entgegen, mit einem Ausdruck,
mit einer Beugung des Körpers, wie ich das in mei-
nem Leben nur von Einem Menschen gesehen hatte,
und -- genug, in diesem Momente wußt' ich auch,
wer er sey: der Komiker, den ich vor fünf Jahren im
Geizigen des Moliere bewunderte, Larkens. Unver-
züglich schickt' ich ihm nach, ohne mir gegen irgend
Jemand das Geringste merken zu lassen. Er kam,
in der Meinung, man verlange seine Dienste als
Handwerker, ich ging ihm entgegen und ließ ihn in ein
leeres Zimmer treten. Es gab nun, wie man denken
kann, eine sehr sonderbare Unterredung, von welcher
ich nur sage, daß ich mich ungewisser stellte als ich
war, nur entfernt von großer Aehnlichkeit mit einem
früheren Bekannten sprach, um ihm auf den Fall er
sein Geheimniß lieber bewahren wollte, den Vortheil
der Verläugnung ohne Weiteres zu lassen. Hier aber
erkannte man nun erst den wahren Meister! Eine
solche köstliche Zunft-Miene, so eine rechtfertige Zäh-

wußte von ihm. Nach acht Tagen dacht’ ich nicht mehr
an den Vorfall und hielt den Unbekannten für einen
Auswärtigen. — Ich befinde mich eines Morgens mit
mehreren Bekannten auf dem Kaffeehauſe. Im Auf-
und Abgehen klopf’ ich meine Cigarre am offenen
Fenſter aus und werfe zufällig einen Blick auf die
Straße; ein Handwerker mit Brettern unter’m Arm
geht hart am Hauſe vorüber, meine Aſche kann ihn
getroffen haben, kurz, er ſchaut raſch auf und bietet
mir das ganze Geſicht entgegen, mit einem Ausdruck,
mit einer Beugung des Körpers, wie ich das in mei-
nem Leben nur von Einem Menſchen geſehen hatte,
und — genug, in dieſem Momente wußt’ ich auch,
wer er ſey: der Komiker, den ich vor fünf Jahren im
Geizigen des Moliere bewunderte, Larkens. Unver-
züglich ſchickt’ ich ihm nach, ohne mir gegen irgend
Jemand das Geringſte merken zu laſſen. Er kam,
in der Meinung, man verlange ſeine Dienſte als
Handwerker, ich ging ihm entgegen und ließ ihn in ein
leeres Zimmer treten. Es gab nun, wie man denken
kann, eine ſehr ſonderbare Unterredung, von welcher
ich nur ſage, daß ich mich ungewiſſer ſtellte als ich
war, nur entfernt von großer Aehnlichkeit mit einem
früheren Bekannten ſprach, um ihm auf den Fall er
ſein Geheimniß lieber bewahren wollte, den Vortheil
der Verläugnung ohne Weiteres zu laſſen. Hier aber
erkannte man nun erſt den wahren Meiſter! Eine
ſolche köſtliche Zunft-Miene, ſo eine rechtfertige Zäh-

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[524/0210] wußte von ihm. Nach acht Tagen dacht’ ich nicht mehr an den Vorfall und hielt den Unbekannten für einen Auswärtigen. — Ich befinde mich eines Morgens mit mehreren Bekannten auf dem Kaffeehauſe. Im Auf- und Abgehen klopf’ ich meine Cigarre am offenen Fenſter aus und werfe zufällig einen Blick auf die Straße; ein Handwerker mit Brettern unter’m Arm geht hart am Hauſe vorüber, meine Aſche kann ihn getroffen haben, kurz, er ſchaut raſch auf und bietet mir das ganze Geſicht entgegen, mit einem Ausdruck, mit einer Beugung des Körpers, wie ich das in mei- nem Leben nur von Einem Menſchen geſehen hatte, und — genug, in dieſem Momente wußt’ ich auch, wer er ſey: der Komiker, den ich vor fünf Jahren im Geizigen des Moliere bewunderte, Larkens. Unver- züglich ſchickt’ ich ihm nach, ohne mir gegen irgend Jemand das Geringſte merken zu laſſen. Er kam, in der Meinung, man verlange ſeine Dienſte als Handwerker, ich ging ihm entgegen und ließ ihn in ein leeres Zimmer treten. Es gab nun, wie man denken kann, eine ſehr ſonderbare Unterredung, von welcher ich nur ſage, daß ich mich ungewiſſer ſtellte als ich war, nur entfernt von großer Aehnlichkeit mit einem früheren Bekannten ſprach, um ihm auf den Fall er ſein Geheimniß lieber bewahren wollte, den Vortheil der Verläugnung ohne Weiteres zu laſſen. Hier aber erkannte man nun erſt den wahren Meiſter! Eine ſolche köſtliche Zunft-Miene, ſo eine rechtfertige Zäh-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/210>, abgerufen am 21.11.2024.