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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Der Präsident trat stille auf Theobald zu,
legte die Hand auf seine Schulter und sprach: "Mein
Lieber! es ist nun Zeit, daß ich eine Bitte, eine rechte
Herzensbitte an Sie bringe, mit der ich seit gestern
Abend umgehe und welche Sie mir ja nicht abschla-
gen müssen. Bleiben Sie einige Tage bei uns. Es
ist uns Beiden unerläßliches Bedürfniß, des theuren
Freundes Gedächtniß eine Zeit lang mit einander zu
tragen und zu feiern. Wir werden, indem wir uns
beruhigen, auch seinen Geist mit sich selber zu ver-
söhnen glauben. Wir müssen, wenn ich so sprechen
darf, dem Boden, welchem er seine unglückliche Asche
aufdrang, die fromme Weihe erst ertheilen, damit
diese Erde den Fremdling mütterlich einschließen könne.
Wenn Sie uns verlassen haben, so ist hier keine Seele
außer mir, die Ihren Larkens kennte und schäzte
wie er es verdient, und doch sollen zum wenigsten
stets ihrer Zwei beisammen seyn, um das Andenken
eines Abgeschiedenen zu heiligen. Ja, geben Sie mei-
ner Bitte nach, überlegen Sie nicht -- Ihre Hand!
Morgen reisen wir alle auf's Gut und wollen,
traurig und froh, Eines dem Andern seyn was wir
können."

Nolten ließ den in Thränen schimmernden Blick
freundlich auf Agnesen hinüber gleiten, die denn,
zum Zeichen was sie denke, mit Innigkeit die Hand
Margots ergriff, welch' Leztere, diese Meinung
liebreich zu erwidern, sich alsbald gegen beide Mäd-
chen hinbeugte und sie küßte.

Der Präſident trat ſtille auf Theobald zu,
legte die Hand auf ſeine Schulter und ſprach: „Mein
Lieber! es iſt nun Zeit, daß ich eine Bitte, eine rechte
Herzensbitte an Sie bringe, mit der ich ſeit geſtern
Abend umgehe und welche Sie mir ja nicht abſchla-
gen müſſen. Bleiben Sie einige Tage bei uns. Es
iſt uns Beiden unerläßliches Bedürfniß, des theuren
Freundes Gedächtniß eine Zeit lang mit einander zu
tragen und zu feiern. Wir werden, indem wir uns
beruhigen, auch ſeinen Geiſt mit ſich ſelber zu ver-
ſöhnen glauben. Wir müſſen, wenn ich ſo ſprechen
darf, dem Boden, welchem er ſeine unglückliche Aſche
aufdrang, die fromme Weihe erſt ertheilen, damit
dieſe Erde den Fremdling mütterlich einſchließen könne.
Wenn Sie uns verlaſſen haben, ſo iſt hier keine Seele
außer mir, die Ihren Larkens kennte und ſchäzte
wie er es verdient, und doch ſollen zum wenigſten
ſtets ihrer Zwei beiſammen ſeyn, um das Andenken
eines Abgeſchiedenen zu heiligen. Ja, geben Sie mei-
ner Bitte nach, überlegen Sie nicht — Ihre Hand!
Morgen reiſen wir alle auf’s Gut und wollen,
traurig und froh, Eines dem Andern ſeyn was wir
können.“

Nolten ließ den in Thränen ſchimmernden Blick
freundlich auf Agneſen hinüber gleiten, die denn,
zum Zeichen was ſie denke, mit Innigkeit die Hand
Margots ergriff, welch’ Leztere, dieſe Meinung
liebreich zu erwidern, ſich alsbald gegen beide Mäd-
chen hinbeugte und ſie küßte.

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[528/0214] Der Präſident trat ſtille auf Theobald zu, legte die Hand auf ſeine Schulter und ſprach: „Mein Lieber! es iſt nun Zeit, daß ich eine Bitte, eine rechte Herzensbitte an Sie bringe, mit der ich ſeit geſtern Abend umgehe und welche Sie mir ja nicht abſchla- gen müſſen. Bleiben Sie einige Tage bei uns. Es iſt uns Beiden unerläßliches Bedürfniß, des theuren Freundes Gedächtniß eine Zeit lang mit einander zu tragen und zu feiern. Wir werden, indem wir uns beruhigen, auch ſeinen Geiſt mit ſich ſelber zu ver- ſöhnen glauben. Wir müſſen, wenn ich ſo ſprechen darf, dem Boden, welchem er ſeine unglückliche Aſche aufdrang, die fromme Weihe erſt ertheilen, damit dieſe Erde den Fremdling mütterlich einſchließen könne. Wenn Sie uns verlaſſen haben, ſo iſt hier keine Seele außer mir, die Ihren Larkens kennte und ſchäzte wie er es verdient, und doch ſollen zum wenigſten ſtets ihrer Zwei beiſammen ſeyn, um das Andenken eines Abgeſchiedenen zu heiligen. Ja, geben Sie mei- ner Bitte nach, überlegen Sie nicht — Ihre Hand! Morgen reiſen wir alle auf’s Gut und wollen, traurig und froh, Eines dem Andern ſeyn was wir können.“ Nolten ließ den in Thränen ſchimmernden Blick freundlich auf Agneſen hinüber gleiten, die denn, zum Zeichen was ſie denke, mit Innigkeit die Hand Margots ergriff, welch’ Leztere, dieſe Meinung liebreich zu erwidern, ſich alsbald gegen beide Mäd- chen hinbeugte und ſie küßte.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/214>, abgerufen am 24.11.2024.