Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

unvermuthet wieder auf die platte Erde zu treten,
doch fühlte Jedes im sanft und freudig bewegten In-
nern, daß dieser Abend nicht ohne bedeutende Spuren,
sowohl in dem Verhältniß zu einander als im Leben
des Einzelnen werde bleiben können.


Der Präsident nahm dieser Tage eine Reise vor,
und in Geschäften, wie er sagte; doch eigentlich war
seine Absicht, dem bevorstehenden Geburtsfeste seiner
Frau auszuweichen. Der Maler mit den Mädchen
war Anstands halber gleichfalls geladen und diese
Höflichkeit mußte angenommen werden. Der Präsi-
dent war schon fort, als die Botschaft einlief, die
Feier unterbleibe wegen Unpäßlichkeit der Frau. Ver-
muthlich lag nur eine Empfindlichkeit gegen den Gat-
ten zu Grunde. Margot indeß fuhr am Morgen
allein nach der Stadt, verhieß jedoch, am Abend wie-
der hier zu seyn. So blieben unsre Leute einen vol-
len Tag sich selbst überlassen, was zur Abwechslung
vergnüglich genug schien. Sie konnten sich so lange
als die Herren dieser Besitzung denken; Nannettens
rosenfarbener Humor erfreute sich einmal wieder des
freiesten Spielraums, selbst Agnes behauptete, so be-
hagliche Stunden in langer Zeit nicht mehr gelebt zu
haben, Nolten bemühte sich zum wenigsten, einen
unzeitig auf ihm lastenden Ernst zu verläugnen. Nach
Tische schickten sich die Mädchen an, Briefe nach Haus

unvermuthet wieder auf die platte Erde zu treten,
doch fühlte Jedes im ſanft und freudig bewegten In-
nern, daß dieſer Abend nicht ohne bedeutende Spuren,
ſowohl in dem Verhältniß zu einander als im Leben
des Einzelnen werde bleiben können.


Der Präſident nahm dieſer Tage eine Reiſe vor,
und in Geſchäften, wie er ſagte; doch eigentlich war
ſeine Abſicht, dem bevorſtehenden Geburtsfeſte ſeiner
Frau auszuweichen. Der Maler mit den Mädchen
war Anſtands halber gleichfalls geladen und dieſe
Höflichkeit mußte angenommen werden. Der Präſi-
dent war ſchon fort, als die Botſchaft einlief, die
Feier unterbleibe wegen Unpäßlichkeit der Frau. Ver-
muthlich lag nur eine Empfindlichkeit gegen den Gat-
ten zu Grunde. Margot indeß fuhr am Morgen
allein nach der Stadt, verhieß jedoch, am Abend wie-
der hier zu ſeyn. So blieben unſre Leute einen vol-
len Tag ſich ſelbſt überlaſſen, was zur Abwechslung
vergnüglich genug ſchien. Sie konnten ſich ſo lange
als die Herren dieſer Beſitzung denken; Nannettens
roſenfarbener Humor erfreute ſich einmal wieder des
freieſten Spielraums, ſelbſt Agnes behauptete, ſo be-
hagliche Stunden in langer Zeit nicht mehr gelebt zu
haben, Nolten bemühte ſich zum wenigſten, einen
unzeitig auf ihm laſtenden Ernſt zu verläugnen. Nach
Tiſche ſchickten ſich die Mädchen an, Briefe nach Haus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0239" n="553"/>
unvermuthet wieder auf die platte Erde zu treten,<lb/>
doch fühlte Jedes im &#x017F;anft und freudig bewegten In-<lb/>
nern, daß die&#x017F;er Abend nicht ohne bedeutende Spuren,<lb/>
&#x017F;owohl in dem Verhältniß zu einander als im Leben<lb/>
des Einzelnen werde bleiben können.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Der Prä&#x017F;ident nahm die&#x017F;er Tage eine Rei&#x017F;e vor,<lb/>
und in Ge&#x017F;chäften, wie er &#x017F;agte; doch eigentlich war<lb/>
&#x017F;eine Ab&#x017F;icht, dem bevor&#x017F;tehenden Geburtsfe&#x017F;te &#x017F;einer<lb/>
Frau auszuweichen. Der Maler mit den Mädchen<lb/>
war An&#x017F;tands halber gleichfalls geladen und die&#x017F;e<lb/>
Höflichkeit mußte angenommen werden. Der Prä&#x017F;i-<lb/>
dent war &#x017F;chon fort, als die Bot&#x017F;chaft einlief, die<lb/>
Feier unterbleibe wegen Unpäßlichkeit der Frau. Ver-<lb/>
muthlich lag nur eine Empfindlichkeit gegen den Gat-<lb/>
ten zu Grunde. <hi rendition="#g">Margot</hi> indeß fuhr am Morgen<lb/>
allein nach der Stadt, verhieß jedoch, am Abend wie-<lb/>
der hier zu &#x017F;eyn. So blieben un&#x017F;re Leute einen vol-<lb/>
len Tag &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en, was zur Abwechslung<lb/>
vergnüglich genug &#x017F;chien. Sie konnten &#x017F;ich &#x017F;o lange<lb/>
als die Herren die&#x017F;er Be&#x017F;itzung denken; <hi rendition="#g">Nannettens</hi><lb/>
ro&#x017F;enfarbener Humor erfreute &#x017F;ich einmal wieder des<lb/>
freie&#x017F;ten Spielraums, &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">Agnes</hi> behauptete, &#x017F;o be-<lb/>
hagliche Stunden in langer Zeit nicht mehr gelebt zu<lb/>
haben, <hi rendition="#g">Nolten</hi> bemühte &#x017F;ich zum wenig&#x017F;ten, einen<lb/>
unzeitig auf ihm la&#x017F;tenden Ern&#x017F;t zu verläugnen. Nach<lb/>
Ti&#x017F;che &#x017F;chickten &#x017F;ich die Mädchen an, Briefe nach Haus<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0239] unvermuthet wieder auf die platte Erde zu treten, doch fühlte Jedes im ſanft und freudig bewegten In- nern, daß dieſer Abend nicht ohne bedeutende Spuren, ſowohl in dem Verhältniß zu einander als im Leben des Einzelnen werde bleiben können. Der Präſident nahm dieſer Tage eine Reiſe vor, und in Geſchäften, wie er ſagte; doch eigentlich war ſeine Abſicht, dem bevorſtehenden Geburtsfeſte ſeiner Frau auszuweichen. Der Maler mit den Mädchen war Anſtands halber gleichfalls geladen und dieſe Höflichkeit mußte angenommen werden. Der Präſi- dent war ſchon fort, als die Botſchaft einlief, die Feier unterbleibe wegen Unpäßlichkeit der Frau. Ver- muthlich lag nur eine Empfindlichkeit gegen den Gat- ten zu Grunde. Margot indeß fuhr am Morgen allein nach der Stadt, verhieß jedoch, am Abend wie- der hier zu ſeyn. So blieben unſre Leute einen vol- len Tag ſich ſelbſt überlaſſen, was zur Abwechslung vergnüglich genug ſchien. Sie konnten ſich ſo lange als die Herren dieſer Beſitzung denken; Nannettens roſenfarbener Humor erfreute ſich einmal wieder des freieſten Spielraums, ſelbſt Agnes behauptete, ſo be- hagliche Stunden in langer Zeit nicht mehr gelebt zu haben, Nolten bemühte ſich zum wenigſten, einen unzeitig auf ihm laſtenden Ernſt zu verläugnen. Nach Tiſche ſchickten ſich die Mädchen an, Briefe nach Haus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/239
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/239>, abgerufen am 21.11.2024.