soll mir das -- Liebe Agnes!" "O ihr habt ein- ander flugs im Arm, wenn Niemand um den Weg ist! Ich bitte dich, sag' mir, wie küßt sich's denn mit ihm? ist er recht häßlich süß? merkt man ihm an, daß er den Tenfel im Leib hat? -- Fräulein, weil dir doch nichts dran liegt, ob er hie und da noch andre Galanterien neben dir hat, so will ich dir gleich einige nennen; kannst ihn damit necken: Erst- lich ist da: eine schöne Comtesse -- fürnehm, ah für- nehm! Sieh, so ist ihr Anstand -- (hier machte sie eine graziöse Figur durch's Zimmer) Zieh ihn nur damit auf! Aber angeführt seyd ihr im Grund doch alle miteinander. Du willst mir nicht glauben, daß er mit der Zigeunerin verlobt ist? Wenn ich Lust hätte, könnt' ich den Ort wohl nennen, wo der Ver- spruch gehalten wurde und wer den Segen dazusprach, aber fromme Christen beschreien so was nicht. Ueber- haupt, ich werde jezt zur Schlittenfahrt müssen. Du leihst mir deinen Zobel doch wieder?" Margot ver- stand, was sie im Sinne hatte und gab ihr das Klei- dungsstück. Nach einiger Zeit kam sie sehr art[ig] ge- puzt, wie der Frühling und Winter, aus ihrem Zimmer hervor, ging in den Garten und zum Karrousel, wo sie sich dann gewöhnlich in einen mit hölzernen Pfer- den bespannten Schlitten sezte. Der Boden durfte nicht gedreht werden, sie behauptete, es komme Alles von selbst in Gang, wenn sie die im Kreise springen-
ſoll mir das — Liebe Agnes!“ „O ihr habt ein- ander flugs im Arm, wenn Niemand um den Weg iſt! Ich bitte dich, ſag’ mir, wie küßt ſich’s denn mit ihm? iſt er recht häßlich ſüß? merkt man ihm an, daß er den Tenfel im Leib hat? — Fräulein, weil dir doch nichts dran liegt, ob er hie und da noch andre Galanterien neben dir hat, ſo will ich dir gleich einige nennen; kannſt ihn damit necken: Erſt- lich iſt da: eine ſchöne Comteſſe — fürnehm, ah für- nehm! Sieh, ſo iſt ihr Anſtand — (hier machte ſie eine graziöſe Figur durch’s Zimmer) Zieh ihn nur damit auf! Aber angeführt ſeyd ihr im Grund doch alle miteinander. Du willſt mir nicht glauben, daß er mit der Zigeunerin verlobt iſt? Wenn ich Luſt hätte, könnt’ ich den Ort wohl nennen, wo der Ver- ſpruch gehalten wurde und wer den Segen dazuſprach, aber fromme Chriſten beſchreien ſo was nicht. Ueber- haupt, ich werde jezt zur Schlittenfahrt müſſen. Du leihſt mir deinen Zobel doch wieder?“ Margot ver- ſtand, was ſie im Sinne hatte und gab ihr das Klei- dungsſtück. Nach einiger Zeit kam ſie ſehr art[ig] ge- puzt, wie der Frühling und Winter, aus ihrem Zimmer hervor, ging in den Garten und zum Karrouſel, wo ſie ſich dann gewöhnlich in einen mit hölzernen Pfer- den beſpannten Schlitten ſezte. Der Boden durfte nicht gedreht werden, ſie behauptete, es komme Alles von ſelbſt in Gang, wenn ſie die im Kreiſe ſpringen-
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ſoll mir das — Liebe Agnes!“ „O ihr habt ein-
ander flugs im Arm, wenn Niemand um den Weg
iſt! Ich bitte dich, ſag’ mir, wie küßt ſich’s denn
mit ihm? iſt er recht häßlich ſüß? merkt man ihm
an, daß er den Tenfel im Leib hat? — Fräulein,
weil dir doch nichts dran liegt, ob er hie und da
noch andre Galanterien neben dir hat, ſo will ich dir
gleich einige nennen; kannſt ihn damit necken: Erſt-
lich iſt da: eine ſchöne Comteſſe — fürnehm, ah für-
nehm! Sieh, ſo iſt ihr Anſtand — (hier machte ſie
eine graziöſe Figur durch’s Zimmer) Zieh ihn nur
damit auf! Aber angeführt ſeyd ihr im Grund doch
alle miteinander. Du willſt mir nicht glauben, daß
er mit der Zigeunerin verlobt iſt? Wenn ich Luſt
hätte, könnt’ ich den Ort wohl nennen, wo der Ver-
ſpruch gehalten wurde und wer den Segen dazuſprach,
aber fromme Chriſten beſchreien ſo was nicht. Ueber-
haupt, ich werde jezt zur Schlittenfahrt müſſen. Du
leihſt mir deinen Zobel doch wieder?“ Margot ver-
ſtand, was ſie im Sinne hatte und gab ihr das Klei-
dungsſtück. Nach einiger Zeit kam ſie ſehr artig ge-
puzt, wie der Frühling und Winter, aus ihrem Zimmer
hervor, ging in den Garten und zum Karrouſel, wo
ſie ſich dann gewöhnlich in einen mit hölzernen Pfer-
den beſpannten Schlitten ſezte. Der Boden durfte
nicht gedreht werden, ſie behauptete, es komme Alles
von ſelbſt in Gang, wenn ſie die im Kreiſe ſpringen-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/286>, abgerufen am 26.11.2024.
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