Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.Cur non flagravi? Cur non amavi Te, Jesu Christe? -- O frigus triste! *) Es folgten noch zwei dergleichen Verse, worauf Eine Liebe kenn' ich, die ist treu, War getreu, seitdem ich sie gefunden, Hat mit tiefem Seufzen immer neu, Stets versöhnlich, sich mit mir verbunden. Welcher einst mit himmlischem Gedulden Bitter bittern Todestropfen trank, Hing am Kreuz und büßte mein Verschulden, Bis es in ein Meer von Gnade sank. Und was ist's, daß ich doch traurig bin? Daß ich angstvoll mich am Boden winde? Frage: Hüter, ist die Nacht bald hin? Und: was rettet mich von Tod und Sünde? Arges Herze! ja gesteh' es nur, Du hast wieder böse Lust empfangen; Frommer Liebe, alter Treue Spur -- Ach, das ist auf lange nun vergangen! *) Diese Zeilen finden sich wirklich in einem uralten, wohl längst ver-
griffenen Andachtsbuch. Sie sind unnachahmlich schön; indessen fü- gen wir, um einiger Leser willen, diese Uebersetzung bei: Dein Liebesfeuer, Ach Herr! wie theuer Wollt' ich es hegen, Wollt' ich es pflegen -- Hab's nicht geheget, Und nicht gepfleget, War Eis im Herzen, -- O Höllenschmerzen! Cur non flagravi? Cur non amavi Te, Jesu Christe? — O frigus triste! *) Es folgten noch zwei dergleichen Verſe, worauf Eine Liebe kenn’ ich, die iſt treu, War getreu, ſeitdem ich ſie gefunden, Hat mit tiefem Seufzen immer neu, Stets verſöhnlich, ſich mit mir verbunden. Welcher einſt mit himmliſchem Gedulden Bitter bittern Todestropfen trank, Hing am Kreuz und büßte mein Verſchulden, Bis es in ein Meer von Gnade ſank. Und was iſt’s, daß ich doch traurig bin? Daß ich angſtvoll mich am Boden winde? Frage: Hüter, iſt die Nacht bald hin? Und: was rettet mich von Tod und Sünde? Arges Herze! ja geſteh’ es nur, Du haſt wieder böſe Luſt empfangen; Frommer Liebe, alter Treue Spur — Ach, das iſt auf lange nun vergangen! *) Dieſe Zeilen finden ſich wirklich in einem uralten, wohl längſt ver-
griffenen Andachtsbuch. Sie ſind unnachahmlich ſchön; indeſſen fü- gen wir, um einiger Leſer willen, dieſe Ueberſetzung bei: Dein Liebesfeuer, Ach Herr! wie theuer Wollt’ ich es hegen, Wollt’ ich es pflegen — Hab’s nicht geheget, Und nicht gepfleget, War Eis im Herzen, — O Höllenſchmerzen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0305" n="619"/> <l> <hi rendition="#aq">Cur non flagravi?</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Cur non amavi</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Te, Jesu Christe?</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">— O frigus triste!</hi> <note place="foot" n="*)"> <p>Dieſe Zeilen finden ſich wirklich in einem uralten, wohl längſt ver-<lb/> griffenen Andachtsbuch. Sie ſind unnachahmlich ſchön; indeſſen fü-<lb/> gen wir, um einiger Leſer willen, dieſe Ueberſetzung bei:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Dein Liebesfeuer,<lb/> Ach Herr! wie theuer<lb/> Wollt’ ich es hegen,<lb/> Wollt’ ich es pflegen —<lb/> Hab’s nicht geheget,<lb/> Und nicht gepfleget,<lb/> War Eis im Herzen,<lb/> — O Höllenſchmerzen!</l> </lg> </note> </l> </lg><lb/> <p>Es folgten noch zwei dergleichen Verſe, worauf<lb/><hi rendition="#g">Henni</hi> ſich in ein langes Nachſpiel vertiefte, dann<lb/> aber in ein anderes Lied überging, welches die ähn-<lb/> lichen Empfindungen ausdrückte. <hi rendition="#g">Agnes</hi> ſang dieß<lb/> allein und der Knabe ſpielte.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Eine Liebe kenn’ ich, die iſt treu,</l><lb/> <l>War getreu, ſeitdem ich ſie gefunden,</l><lb/> <l>Hat mit tiefem Seufzen immer neu,</l><lb/> <l>Stets verſöhnlich, ſich mit mir verbunden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Welcher einſt mit himmliſchem Gedulden</l><lb/> <l>Bitter bittern Todestropfen trank,</l><lb/> <l>Hing am Kreuz und büßte mein Verſchulden,</l><lb/> <l>Bis es in ein Meer von Gnade ſank.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und was iſt’s, daß ich doch traurig bin?</l><lb/> <l>Daß ich angſtvoll mich am Boden winde?</l><lb/> <l>Frage: Hüter, iſt die Nacht bald hin?</l><lb/> <l>Und: was rettet mich von Tod und Sünde?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Arges Herze! ja geſteh’ es nur,</l><lb/> <l>Du haſt wieder böſe Luſt empfangen;</l><lb/> <l>Frommer Liebe, alter Treue Spur —</l><lb/> <l>Ach, das iſt auf lange nun vergangen!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [619/0305]
Cur non flagravi?
Cur non amavi
Te, Jesu Christe?
— O frigus triste! *)
Es folgten noch zwei dergleichen Verſe, worauf
Henni ſich in ein langes Nachſpiel vertiefte, dann
aber in ein anderes Lied überging, welches die ähn-
lichen Empfindungen ausdrückte. Agnes ſang dieß
allein und der Knabe ſpielte.
Eine Liebe kenn’ ich, die iſt treu,
War getreu, ſeitdem ich ſie gefunden,
Hat mit tiefem Seufzen immer neu,
Stets verſöhnlich, ſich mit mir verbunden.
Welcher einſt mit himmliſchem Gedulden
Bitter bittern Todestropfen trank,
Hing am Kreuz und büßte mein Verſchulden,
Bis es in ein Meer von Gnade ſank.
Und was iſt’s, daß ich doch traurig bin?
Daß ich angſtvoll mich am Boden winde?
Frage: Hüter, iſt die Nacht bald hin?
Und: was rettet mich von Tod und Sünde?
Arges Herze! ja geſteh’ es nur,
Du haſt wieder böſe Luſt empfangen;
Frommer Liebe, alter Treue Spur —
Ach, das iſt auf lange nun vergangen!
*) Dieſe Zeilen finden ſich wirklich in einem uralten, wohl längſt ver-
griffenen Andachtsbuch. Sie ſind unnachahmlich ſchön; indeſſen fü-
gen wir, um einiger Leſer willen, dieſe Ueberſetzung bei:
Dein Liebesfeuer,
Ach Herr! wie theuer
Wollt’ ich es hegen,
Wollt’ ich es pflegen —
Hab’s nicht geheget,
Und nicht gepfleget,
War Eis im Herzen,
— O Höllenſchmerzen!
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