aus dem weitern Gespräch entnehmen konnte, war es gerathener, sich nicht persönlich auszusetzen. Der beste Ausweg fiel ihm aber ein. Eine Frau von Niet- helm, die intimste Freundin Constanzens, eine feine hochbegabte Dame, deren Zeit und Talent vor- züglich der Bildung zweier Prinzessen gewidmet war, hatte sich ihm von jeher gewogen gezeigt; ihrer hoffte er sich nun als Mittelsperson zu bedienen, und der glückliche Gedanke erfüllte ihn augenblicklich dergestalt, daß er den Hofrath eilends verlassen wollte, als eben Raymund hereintrat. Der feurige Mann umarmte ihn alsbald mit Enthusiasmus, und suchte ihm seine Achtung auf jede Art zu bezeugen. Um nicht un- freundlich zu erscheinen, verweilte Nolten noch eine Viertelstunde, worauf er sich bestens empfahl.
Gegen Abend trat er den Gang zur Gouvernan- tin an, nachdem er auf sein Anmelden eine höfliche Einladung erhalten hatte. Unterwegs erst fiel ihm auf, wie wenig er auf das, was zu sagen und wie es zu sagen war, vorbereitet sey; er nahm sich schnell zusammen; eh er sich's versah, stand er im Zimmer der Gouvernantin.
Die zarte Dame empfing ihn im Ganzen freund- lich genug, und wenn dennoch etwas von Zurückhal- tung fühlbar war, so schien es, als ob sie nur un- gerne und mit Rücksicht auf Constanzen sich eini- gen Zwang auflegte.
aus dem weitern Geſpräch entnehmen konnte, war es gerathener, ſich nicht perſönlich auszuſetzen. Der beſte Ausweg fiel ihm aber ein. Eine Frau von Niet- helm, die intimſte Freundin Conſtanzens, eine feine hochbegabte Dame, deren Zeit und Talent vor- züglich der Bildung zweier Prinzeſſen gewidmet war, hatte ſich ihm von jeher gewogen gezeigt; ihrer hoffte er ſich nun als Mittelsperſon zu bedienen, und der glückliche Gedanke erfüllte ihn augenblicklich dergeſtalt, daß er den Hofrath eilends verlaſſen wollte, als eben Raymund hereintrat. Der feurige Mann umarmte ihn alsbald mit Enthuſiasmus, und ſuchte ihm ſeine Achtung auf jede Art zu bezeugen. Um nicht un- freundlich zu erſcheinen, verweilte Nolten noch eine Viertelſtunde, worauf er ſich beſtens empfahl.
Gegen Abend trat er den Gang zur Gouvernan- tin an, nachdem er auf ſein Anmelden eine höfliche Einladung erhalten hatte. Unterwegs erſt fiel ihm auf, wie wenig er auf das, was zu ſagen und wie es zu ſagen war, vorbereitet ſey; er nahm ſich ſchnell zuſammen; eh er ſich’s verſah, ſtand er im Zimmer der Gouvernantin.
Die zarte Dame empfing ihn im Ganzen freund- lich genug, und wenn dennoch etwas von Zurückhal- tung fühlbar war, ſo ſchien es, als ob ſie nur un- gerne und mit Rückſicht auf Conſtanzen ſich eini- gen Zwang auflegte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0062"n="376"/>
aus dem weitern Geſpräch entnehmen konnte, war es<lb/>
gerathener, ſich nicht perſönlich auszuſetzen. Der beſte<lb/>
Ausweg fiel ihm aber ein. Eine Frau von <hirendition="#g">Niet-<lb/>
helm</hi>, die intimſte Freundin <hirendition="#g">Conſtanzens</hi>, eine<lb/>
feine hochbegabte Dame, deren Zeit und Talent vor-<lb/>
züglich der Bildung zweier Prinzeſſen gewidmet war,<lb/>
hatte ſich ihm von jeher gewogen gezeigt; ihrer hoffte<lb/>
er ſich nun als Mittelsperſon zu bedienen, und der<lb/>
glückliche Gedanke erfüllte ihn augenblicklich dergeſtalt,<lb/>
daß er den Hofrath eilends verlaſſen wollte, als eben<lb/><hirendition="#g">Raymund</hi> hereintrat. Der feurige Mann umarmte<lb/>
ihn alsbald mit Enthuſiasmus, und ſuchte ihm ſeine<lb/>
Achtung auf jede Art zu bezeugen. Um nicht un-<lb/>
freundlich zu erſcheinen, verweilte <hirendition="#g">Nolten</hi> noch eine<lb/>
Viertelſtunde, worauf er ſich beſtens empfahl.</p><lb/><p>Gegen Abend trat er den Gang zur Gouvernan-<lb/>
tin an, nachdem er auf ſein Anmelden eine höfliche<lb/>
Einladung erhalten hatte. Unterwegs erſt fiel ihm<lb/>
auf, wie wenig er auf das, was zu ſagen und wie es<lb/>
zu ſagen war, vorbereitet ſey; er nahm ſich ſchnell<lb/>
zuſammen; eh er ſich’s verſah, ſtand er im Zimmer<lb/>
der Gouvernantin.</p><lb/><p>Die zarte Dame empfing ihn im Ganzen freund-<lb/>
lich genug, und wenn dennoch etwas von Zurückhal-<lb/>
tung fühlbar war, ſo ſchien es, als ob ſie nur un-<lb/>
gerne und mit Rückſicht auf <hirendition="#g">Conſtanzen</hi>ſich eini-<lb/>
gen Zwang auflegte.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[376/0062]
aus dem weitern Geſpräch entnehmen konnte, war es
gerathener, ſich nicht perſönlich auszuſetzen. Der beſte
Ausweg fiel ihm aber ein. Eine Frau von Niet-
helm, die intimſte Freundin Conſtanzens, eine
feine hochbegabte Dame, deren Zeit und Talent vor-
züglich der Bildung zweier Prinzeſſen gewidmet war,
hatte ſich ihm von jeher gewogen gezeigt; ihrer hoffte
er ſich nun als Mittelsperſon zu bedienen, und der
glückliche Gedanke erfüllte ihn augenblicklich dergeſtalt,
daß er den Hofrath eilends verlaſſen wollte, als eben
Raymund hereintrat. Der feurige Mann umarmte
ihn alsbald mit Enthuſiasmus, und ſuchte ihm ſeine
Achtung auf jede Art zu bezeugen. Um nicht un-
freundlich zu erſcheinen, verweilte Nolten noch eine
Viertelſtunde, worauf er ſich beſtens empfahl.
Gegen Abend trat er den Gang zur Gouvernan-
tin an, nachdem er auf ſein Anmelden eine höfliche
Einladung erhalten hatte. Unterwegs erſt fiel ihm
auf, wie wenig er auf das, was zu ſagen und wie es
zu ſagen war, vorbereitet ſey; er nahm ſich ſchnell
zuſammen; eh er ſich’s verſah, ſtand er im Zimmer
der Gouvernantin.
Die zarte Dame empfing ihn im Ganzen freund-
lich genug, und wenn dennoch etwas von Zurückhal-
tung fühlbar war, ſo ſchien es, als ob ſie nur un-
gerne und mit Rückſicht auf Conſtanzen ſich eini-
gen Zwang auflegte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/62>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.