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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Obgleich er sich die Unterredung mit der Gou-
vernantin in gewissem Betracht nicht besser hätte wün-
schen können, denn eine vollständige Ausgleichung des
widerwärtigsten Mißverständnisses war damit auf das
Sicherste eingeleitet, so war er doch seitdem von einer
unbegreiflichen Unruhe umgetrieben. Er konnte den
Tag nicht erwarten, an dem er endlich die Stadt
würde verlassen können. Unverzüglich fing er daher
an, seine Anstalten zur Abreise zu treffen, besorgte
die Angelegenheiten seines Freundes, und machte nur
die nothwendigsten Besuche ab, da ihm ein ungehöri-
ges, obwohl aufrichtiges Mitleid, womit man überall
den Scheidenden betrachten zu müssen glaubte, allzu
verdrießlich fiel. An den Herzog richtete er ein all-
gemein verbindliches Billet, das er nicht ohne ein
Lächeln zusammenfalten konnte, weil es ihm dießmal
gelungen war, mit mehreren Worten so viel wie Nichts
zu sagen. Am herzlichsten entließ ihn Tillsen und
der Hofrath, welch Lezterer ihm in den wunderbarsten
Ausdrücken eine nie genugsam ausgesprochne Neigung
auf Einmal verrathen zu wollen schien, indem er zu-
gleich auf ein besonderes Verhältniß anspielte, das
längst zwischen ihnen Beiden bestünde, und welches
zu entdecken er sich bis auf diese Stunde nicht habe
entschließen können; auch jezt überrasche ihn der Ab-
schied des Malers dergestalt, daß er nothwendig eine
andere Zeit abwarten müsse. Theobald, welcher den
Alten von jeher im Verdacht gehabt, als ob er mit

Obgleich er ſich die Unterredung mit der Gou-
vernantin in gewiſſem Betracht nicht beſſer hätte wün-
ſchen können, denn eine vollſtändige Ausgleichung des
widerwärtigſten Mißverſtändniſſes war damit auf das
Sicherſte eingeleitet, ſo war er doch ſeitdem von einer
unbegreiflichen Unruhe umgetrieben. Er konnte den
Tag nicht erwarten, an dem er endlich die Stadt
würde verlaſſen können. Unverzüglich fing er daher
an, ſeine Anſtalten zur Abreiſe zu treffen, beſorgte
die Angelegenheiten ſeines Freundes, und machte nur
die nothwendigſten Beſuche ab, da ihm ein ungehöri-
ges, obwohl aufrichtiges Mitleid, womit man überall
den Scheidenden betrachten zu müſſen glaubte, allzu
verdrießlich fiel. An den Herzog richtete er ein all-
gemein verbindliches Billet, das er nicht ohne ein
Lächeln zuſammenfalten konnte, weil es ihm dießmal
gelungen war, mit mehreren Worten ſo viel wie Nichts
zu ſagen. Am herzlichſten entließ ihn Tillſen und
der Hofrath, welch Lezterer ihm in den wunderbarſten
Ausdrücken eine nie genugſam ausgeſprochne Neigung
auf Einmal verrathen zu wollen ſchien, indem er zu-
gleich auf ein beſonderes Verhältniß anſpielte, das
längſt zwiſchen ihnen Beiden beſtünde, und welches
zu entdecken er ſich bis auf dieſe Stunde nicht habe
entſchließen können; auch jezt überraſche ihn der Ab-
ſchied des Malers dergeſtalt, daß er nothwendig eine
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[386/0072] Obgleich er ſich die Unterredung mit der Gou- vernantin in gewiſſem Betracht nicht beſſer hätte wün- ſchen können, denn eine vollſtändige Ausgleichung des widerwärtigſten Mißverſtändniſſes war damit auf das Sicherſte eingeleitet, ſo war er doch ſeitdem von einer unbegreiflichen Unruhe umgetrieben. Er konnte den Tag nicht erwarten, an dem er endlich die Stadt würde verlaſſen können. Unverzüglich fing er daher an, ſeine Anſtalten zur Abreiſe zu treffen, beſorgte die Angelegenheiten ſeines Freundes, und machte nur die nothwendigſten Beſuche ab, da ihm ein ungehöri- ges, obwohl aufrichtiges Mitleid, womit man überall den Scheidenden betrachten zu müſſen glaubte, allzu verdrießlich fiel. An den Herzog richtete er ein all- gemein verbindliches Billet, das er nicht ohne ein Lächeln zuſammenfalten konnte, weil es ihm dießmal gelungen war, mit mehreren Worten ſo viel wie Nichts zu ſagen. Am herzlichſten entließ ihn Tillſen und der Hofrath, welch Lezterer ihm in den wunderbarſten Ausdrücken eine nie genugſam ausgeſprochne Neigung auf Einmal verrathen zu wollen ſchien, indem er zu- gleich auf ein beſonderes Verhältniß anſpielte, das längſt zwiſchen ihnen Beiden beſtünde, und welches zu entdecken er ſich bis auf dieſe Stunde nicht habe entſchließen können; auch jezt überraſche ihn der Ab- ſchied des Malers dergeſtalt, daß er nothwendig eine andere Zeit abwarten müſſe. Theobald, welcher den Alten von jeher im Verdacht gehabt, als ob er mit

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/72>, abgerufen am 21.11.2024.