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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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der Osnabrück. Unterth. zu dulden sey.
angetastet werden, weil diese besten Theile der Vater mit nach
Holland haben muß. Alle Butter der Haushaltung wird ver-
wahret und leistet dem Speck Gesellschaft. Das den Winter
durch gesponnene Garn muß gewirket, und dem Vater zu
Hemden, Beinkleidern und Futterhemden mitgegeben wer-
den. Doch, dieses alles ist nichts zu rechnen, denn es muß
doch gegessen, getrunken und der Leib bekleidet seyn. Nur
Schade, daß Frau und Kinder durch Entziehung dieser besten
Nahrung entkräftet, und nicht selten in Krankheit gestürzet
werden! Der Faden meiner Gedanken ziehet mich aber auf
eine weit wichtigere Betrachtung bey diesen Leuten. Der
verehelichte Theil von ihnen hat wenigstens 8 oder 10 Scheffel
Saatlandes unter den Pflug. Er kommt zu Martini und
folglich zu einer Zeit zu Hause, da ein rechtschaffner Ackers-
mann seine Wintersaat schon längst bestellet hat. 8 bis 14
Tage ruhet der zu Hause gekommene Vater aus, und fänget
nunmehro sein Land zu bearbeiten an, und wird nach Neujahr
auch wohl öfters um Lichtmessen mit seiner Rockensaat fertig-
Anstatt, daß Körner sollen eingeerndtet werden, so hat er
Gras und Stroh, und wenigstens 3 Scheffel Rocken von je-
dem Scheffelsaat weniger, als er bey gehörigem Fleis und rech-
ter Zeit ohnfehlbar erhalten hätte. Die Zeit der Abreise stel-
let sich wieder ein. Er schnüret seinen Bündel, er gehet und
lässet der Frau den trostreichen Segen: Siehe zu, wie du
mit Acker, Viehe, Haushaltung und Kindern fertig wirst.
Mein Gott! wie muß das arme Weib rennen und laufen,
daß sie Wagen und Pflug erhält, um ihren Haber und Buch-
weitzen in die Erde zu kriegen. Da liegen die kleinen Kinder
um den Heerd oder hinter den Kühen, um selbige zu hüten,
herum; sie schreyen nach der Mutter und nach Brod, aber
die ist nicht da, weil sie nicht zugleich bey den Ihrigen und
auf dem Acker seyn kann. Sie ist dennoch bey der größten

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der Oſnabruͤck. Unterth. zu dulden ſey.
angetaſtet werden, weil dieſe beſten Theile der Vater mit nach
Holland haben muß. Alle Butter der Haushaltung wird ver-
wahret und leiſtet dem Speck Geſellſchaft. Das den Winter
durch geſponnene Garn muß gewirket, und dem Vater zu
Hemden, Beinkleidern und Futterhemden mitgegeben wer-
den. Doch, dieſes alles iſt nichts zu rechnen, denn es muß
doch gegeſſen, getrunken und der Leib bekleidet ſeyn. Nur
Schade, daß Frau und Kinder durch Entziehung dieſer beſten
Nahrung entkraͤftet, und nicht ſelten in Krankheit geſtuͤrzet
werden! Der Faden meiner Gedanken ziehet mich aber auf
eine weit wichtigere Betrachtung bey dieſen Leuten. Der
verehelichte Theil von ihnen hat wenigſtens 8 oder 10 Scheffel
Saatlandes unter den Pflug. Er kommt zu Martini und
folglich zu einer Zeit zu Hauſe, da ein rechtſchaffner Ackers-
mann ſeine Winterſaat ſchon laͤngſt beſtellet hat. 8 bis 14
Tage ruhet der zu Hauſe gekommene Vater aus, und faͤnget
nunmehro ſein Land zu bearbeiten an, und wird nach Neujahr
auch wohl oͤfters um Lichtmeſſen mit ſeiner Rockenſaat fertig-
Anſtatt, daß Koͤrner ſollen eingeerndtet werden, ſo hat er
Gras und Stroh, und wenigſtens 3 Scheffel Rocken von je-
dem Scheffelſaat weniger, als er bey gehoͤrigem Fleis und rech-
ter Zeit ohnfehlbar erhalten haͤtte. Die Zeit der Abreiſe ſtel-
let ſich wieder ein. Er ſchnuͤret ſeinen Buͤndel, er gehet und
laͤſſet der Frau den troſtreichen Segen: Siehe zu, wie du
mit Acker, Viehe, Haushaltung und Kindern fertig wirſt.
Mein Gott! wie muß das arme Weib rennen und laufen,
daß ſie Wagen und Pflug erhaͤlt, um ihren Haber und Buch-
weitzen in die Erde zu kriegen. Da liegen die kleinen Kinder
um den Heerd oder hinter den Kuͤhen, um ſelbige zu huͤten,
herum; ſie ſchreyen nach der Mutter und nach Brod, aber
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[87/0105] der Oſnabruͤck. Unterth. zu dulden ſey. angetaſtet werden, weil dieſe beſten Theile der Vater mit nach Holland haben muß. Alle Butter der Haushaltung wird ver- wahret und leiſtet dem Speck Geſellſchaft. Das den Winter durch geſponnene Garn muß gewirket, und dem Vater zu Hemden, Beinkleidern und Futterhemden mitgegeben wer- den. Doch, dieſes alles iſt nichts zu rechnen, denn es muß doch gegeſſen, getrunken und der Leib bekleidet ſeyn. Nur Schade, daß Frau und Kinder durch Entziehung dieſer beſten Nahrung entkraͤftet, und nicht ſelten in Krankheit geſtuͤrzet werden! Der Faden meiner Gedanken ziehet mich aber auf eine weit wichtigere Betrachtung bey dieſen Leuten. Der verehelichte Theil von ihnen hat wenigſtens 8 oder 10 Scheffel Saatlandes unter den Pflug. Er kommt zu Martini und folglich zu einer Zeit zu Hauſe, da ein rechtſchaffner Ackers- mann ſeine Winterſaat ſchon laͤngſt beſtellet hat. 8 bis 14 Tage ruhet der zu Hauſe gekommene Vater aus, und faͤnget nunmehro ſein Land zu bearbeiten an, und wird nach Neujahr auch wohl oͤfters um Lichtmeſſen mit ſeiner Rockenſaat fertig- Anſtatt, daß Koͤrner ſollen eingeerndtet werden, ſo hat er Gras und Stroh, und wenigſtens 3 Scheffel Rocken von je- dem Scheffelſaat weniger, als er bey gehoͤrigem Fleis und rech- ter Zeit ohnfehlbar erhalten haͤtte. Die Zeit der Abreiſe ſtel- let ſich wieder ein. Er ſchnuͤret ſeinen Buͤndel, er gehet und laͤſſet der Frau den troſtreichen Segen: Siehe zu, wie du mit Acker, Viehe, Haushaltung und Kindern fertig wirſt. Mein Gott! wie muß das arme Weib rennen und laufen, daß ſie Wagen und Pflug erhaͤlt, um ihren Haber und Buch- weitzen in die Erde zu kriegen. Da liegen die kleinen Kinder um den Heerd oder hinter den Kuͤhen, um ſelbige zu huͤten, herum; ſie ſchreyen nach der Mutter und nach Brod, aber die iſt nicht da, weil ſie nicht zugleich bey den Ihrigen und auf dem Acker ſeyn kann. Sie iſt dennoch bey der groͤßten Un- F 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/105>, abgerufen am 24.11.2024.