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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Ob das häufige Hollandgehen
arbeiten hier verrichtet haben. Sie versehen sich auf ihre
zwey monatliche Abwesenheit mit Speck, Brod und Butter.
Kommt ein solcher nach Jacobi zu Hause, so hat er etwan
aufs höchste 30 Fl. in der Tasche. Fünf davon hat er zum
wenigsten an Eßwaaren mitgenommen, und drey hat er am
Zeuge zerrissen. Ein solcher Mann siehet bey seiner Wieder-
kunft aus, als wenn er schon 3 Tage im Grabe gelegen hätte,
und wie ist das anders möglich? der Geizige unter ihnen hat
sich durch seine entsetzlichen Arbeiten alle Kräfte ausgepresset.
Bey seinem Speck und Brodte hat er die holländische Wad-
dicke Eimerweise eingeschlungen, und des Nachts ist unter
blauen Himmel die Heufime sein Bette gewesen. Kaum das
der Tag grauet, so wadet er mit seiner Sense schon im Thaue,
zapfet sich den Schweiß ab. Diese Leute sind insgemein in
ihrem ganzen Leben unglücklich. Kommen sie zu Hause, so
finden sie schon beyde Hände voll Arbeit wieder; denn unsre
Erndte wartet ihrer schon mit Schmerzen. Sie sind aber
ganz ermüdet und können nicht zu Kräften kommen. Gesund
und wohl sind sie hingegangen, haben aber gelähmte Glieder,
auch sehr öfters die Schwind- und Wassersucht, oder eine enge
Brust nebst den sogenannten holländischen Pipp, der in einer
immerwährenden Schütterung oder schleichenden Frost beste-
het, wieder mitgebracht. Solten diese Leute nicht große
Schuld mit dran seyn, wenn unser Hochstift so schlecht bevöl-
kert ist: wenn hier und da im Lande oft hinreissende Krank-
heiten sich einfinden: wenn sie selbst so viele ungesunde Kin-
der in die Welt setzen, und mit denselben vor der Zeit hin-
sterben?

Ein jeder wird also aus dieser wahrhaften Vorstellung
schon die Frage beantworten können: Ob die starken Züge
nach Holland unserm Hochstifte vortheilhaft oder schädlich
seyn?

So

Ob das haͤufige Hollandgehen
arbeiten hier verrichtet haben. Sie verſehen ſich auf ihre
zwey monatliche Abweſenheit mit Speck, Brod und Butter.
Kommt ein ſolcher nach Jacobi zu Hauſe, ſo hat er etwan
aufs hoͤchſte 30 Fl. in der Taſche. Fuͤnf davon hat er zum
wenigſten an Eßwaaren mitgenommen, und drey hat er am
Zeuge zerriſſen. Ein ſolcher Mann ſiehet bey ſeiner Wieder-
kunft aus, als wenn er ſchon 3 Tage im Grabe gelegen haͤtte,
und wie iſt das anders moͤglich? der Geizige unter ihnen hat
ſich durch ſeine entſetzlichen Arbeiten alle Kraͤfte ausgepreſſet.
Bey ſeinem Speck und Brodte hat er die hollaͤndiſche Wad-
dicke Eimerweiſe eingeſchlungen, und des Nachts iſt unter
blauen Himmel die Heufime ſein Bette geweſen. Kaum das
der Tag grauet, ſo wadet er mit ſeiner Senſe ſchon im Thaue,
zapfet ſich den Schweiß ab. Dieſe Leute ſind insgemein in
ihrem ganzen Leben ungluͤcklich. Kommen ſie zu Hauſe, ſo
finden ſie ſchon beyde Haͤnde voll Arbeit wieder; denn unſre
Erndte wartet ihrer ſchon mit Schmerzen. Sie ſind aber
ganz ermuͤdet und koͤnnen nicht zu Kraͤften kommen. Geſund
und wohl ſind ſie hingegangen, haben aber gelaͤhmte Glieder,
auch ſehr oͤfters die Schwind- und Waſſerſucht, oder eine enge
Bruſt nebſt den ſogenannten hollaͤndiſchen Pipp, der in einer
immerwaͤhrenden Schuͤtterung oder ſchleichenden Froſt beſte-
het, wieder mitgebracht. Solten dieſe Leute nicht große
Schuld mit dran ſeyn, wenn unſer Hochſtift ſo ſchlecht bevoͤl-
kert iſt: wenn hier und da im Lande oft hinreiſſende Krank-
heiten ſich einfinden: wenn ſie ſelbſt ſo viele ungeſunde Kin-
der in die Welt ſetzen, und mit denſelben vor der Zeit hin-
ſterben?

Ein jeder wird alſo aus dieſer wahrhaften Vorſtellung
ſchon die Frage beantworten koͤnnen: Ob die ſtarken Zuͤge
nach Holland unſerm Hochſtifte vortheilhaft oder ſchaͤdlich
ſeyn?

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[92/0110] Ob das haͤufige Hollandgehen arbeiten hier verrichtet haben. Sie verſehen ſich auf ihre zwey monatliche Abweſenheit mit Speck, Brod und Butter. Kommt ein ſolcher nach Jacobi zu Hauſe, ſo hat er etwan aufs hoͤchſte 30 Fl. in der Taſche. Fuͤnf davon hat er zum wenigſten an Eßwaaren mitgenommen, und drey hat er am Zeuge zerriſſen. Ein ſolcher Mann ſiehet bey ſeiner Wieder- kunft aus, als wenn er ſchon 3 Tage im Grabe gelegen haͤtte, und wie iſt das anders moͤglich? der Geizige unter ihnen hat ſich durch ſeine entſetzlichen Arbeiten alle Kraͤfte ausgepreſſet. Bey ſeinem Speck und Brodte hat er die hollaͤndiſche Wad- dicke Eimerweiſe eingeſchlungen, und des Nachts iſt unter blauen Himmel die Heufime ſein Bette geweſen. Kaum das der Tag grauet, ſo wadet er mit ſeiner Senſe ſchon im Thaue, zapfet ſich den Schweiß ab. Dieſe Leute ſind insgemein in ihrem ganzen Leben ungluͤcklich. Kommen ſie zu Hauſe, ſo finden ſie ſchon beyde Haͤnde voll Arbeit wieder; denn unſre Erndte wartet ihrer ſchon mit Schmerzen. Sie ſind aber ganz ermuͤdet und koͤnnen nicht zu Kraͤften kommen. Geſund und wohl ſind ſie hingegangen, haben aber gelaͤhmte Glieder, auch ſehr oͤfters die Schwind- und Waſſerſucht, oder eine enge Bruſt nebſt den ſogenannten hollaͤndiſchen Pipp, der in einer immerwaͤhrenden Schuͤtterung oder ſchleichenden Froſt beſte- het, wieder mitgebracht. Solten dieſe Leute nicht große Schuld mit dran ſeyn, wenn unſer Hochſtift ſo ſchlecht bevoͤl- kert iſt: wenn hier und da im Lande oft hinreiſſende Krank- heiten ſich einfinden: wenn ſie ſelbſt ſo viele ungeſunde Kin- der in die Welt ſetzen, und mit denſelben vor der Zeit hin- ſterben? Ein jeder wird alſo aus dieſer wahrhaften Vorſtellung ſchon die Frage beantworten koͤnnen: Ob die ſtarken Zuͤge nach Holland unſerm Hochſtifte vortheilhaft oder ſchaͤdlich ſeyn? So

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/110>, abgerufen am 21.11.2024.