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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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mit Vorbehalt. des Niesbr. solten verboten werden.
eher die Armen und Einfältigen als die Reichen und Klugen
gegen dergleichen Uebereilung schützen?

Ach mein Herr! wenn es möglich ist: so bewegen sie
doch unsere Obrigkeit, daß sie alle Schenkungen unter den
Lebendigen, welche mit Vorbehalt des Niesbrauchs auf Lebens-
zeit, geschehen, (denn durch diese verzweifelte Maske werden
wir einfältige Leute am ersten verführt,) einmal für alle
wiederruflich machen, und ihnen keine mehrere Kraft als ei-
ner Schenkung auf den Todesfall oder einem Testamente bey-
legen. Stellen Sie ihr doch auf das lebhafteste vor, wie
unglücklich wir alten Leute sind, wenn wir in den Jahren,
wo wir schwächlicher, leichtgläubiger und hülfsbedürftiger
sind, durch einige Liebkosungen um Freyheit und Eigenthum
gebracht, und der bittern Gnade undankbarer Erben unter-
worfen werden können. Sagen sie ihr doch, wie gefährlich
unser Zustand sey, wenn es uns frey gelassen ist, eine solche
Thorheit zu begehen, und wir den Künsten und Listen schmei-
chelnder Erben nichts als ein: ich will nicht entgegen zu
setzen haben, und darüber bey unsern Leben von ihnen ange-
feindet werden. Hat man doch für die Ehefrauen gesorgt,
und ihnen die Bürgschaften für ihre Männer aus der Ur-
sache verboten, weil sie in täglicher Gefahr sind durch List oder
Gewalt dazu gebracht oder verführt zu werden? Ist aber der
Zustand einer betagten Wittwe, welche ihre Erben zunächst
um Trost, Hülfe und Beystand ansprechen, und dieselben oft
zu sich ins Haus nehmen muß, minder gefährlich? Und da
die Gesetze einmal die übermäßigen Schenkungen, welche sich
über 500 Ducaten belaufen, auf eine vernünftige Weise ein-
geschränkt haben; solten sie denn nicht auch zum Vortheil der
Aermern verordnen, daß sie nicht über ein Drittel ihres Ver-
mögens mit Vorbehalt des Niesbrauchs, verschenken dürften?
Solten sie nicht eben wie beym Eide, eine Warnung für

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mit Vorbehalt. des Niesbr. ſolten verboten werden.
eher die Armen und Einfaͤltigen als die Reichen und Klugen
gegen dergleichen Uebereilung ſchuͤtzen?

Ach mein Herr! wenn es moͤglich iſt: ſo bewegen ſie
doch unſere Obrigkeit, daß ſie alle Schenkungen unter den
Lebendigen, welche mit Vorbehalt des Niesbrauchs auf Lebens-
zeit, geſchehen, (denn durch dieſe verzweifelte Maske werden
wir einfaͤltige Leute am erſten verfuͤhrt,) einmal fuͤr alle
wiederruflich machen, und ihnen keine mehrere Kraft als ei-
ner Schenkung auf den Todesfall oder einem Teſtamente bey-
legen. Stellen Sie ihr doch auf das lebhafteſte vor, wie
ungluͤcklich wir alten Leute ſind, wenn wir in den Jahren,
wo wir ſchwaͤchlicher, leichtglaͤubiger und huͤlfsbeduͤrftiger
ſind, durch einige Liebkoſungen um Freyheit und Eigenthum
gebracht, und der bittern Gnade undankbarer Erben unter-
worfen werden koͤnnen. Sagen ſie ihr doch, wie gefaͤhrlich
unſer Zuſtand ſey, wenn es uns frey gelaſſen iſt, eine ſolche
Thorheit zu begehen, und wir den Kuͤnſten und Liſten ſchmei-
chelnder Erben nichts als ein: ich will nicht entgegen zu
ſetzen haben, und daruͤber bey unſern Leben von ihnen ange-
feindet werden. Hat man doch fuͤr die Ehefrauen geſorgt,
und ihnen die Buͤrgſchaften fuͤr ihre Maͤnner aus der Ur-
ſache verboten, weil ſie in taͤglicher Gefahr ſind durch Liſt oder
Gewalt dazu gebracht oder verfuͤhrt zu werden? Iſt aber der
Zuſtand einer betagten Wittwe, welche ihre Erben zunaͤchſt
um Troſt, Huͤlfe und Beyſtand anſprechen, und dieſelben oft
zu ſich ins Haus nehmen muß, minder gefaͤhrlich? Und da
die Geſetze einmal die uͤbermaͤßigen Schenkungen, welche ſich
uͤber 500 Ducaten belaufen, auf eine vernuͤnftige Weiſe ein-
geſchraͤnkt haben; ſolten ſie denn nicht auch zum Vortheil der
Aermern verordnen, daß ſie nicht uͤber ein Drittel ihres Ver-
moͤgens mit Vorbehalt des Niesbrauchs, verſchenken duͤrften?
Solten ſie nicht eben wie beym Eide, eine Warnung für

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[119/0137] mit Vorbehalt. des Niesbr. ſolten verboten werden. eher die Armen und Einfaͤltigen als die Reichen und Klugen gegen dergleichen Uebereilung ſchuͤtzen? Ach mein Herr! wenn es moͤglich iſt: ſo bewegen ſie doch unſere Obrigkeit, daß ſie alle Schenkungen unter den Lebendigen, welche mit Vorbehalt des Niesbrauchs auf Lebens- zeit, geſchehen, (denn durch dieſe verzweifelte Maske werden wir einfaͤltige Leute am erſten verfuͤhrt,) einmal fuͤr alle wiederruflich machen, und ihnen keine mehrere Kraft als ei- ner Schenkung auf den Todesfall oder einem Teſtamente bey- legen. Stellen Sie ihr doch auf das lebhafteſte vor, wie ungluͤcklich wir alten Leute ſind, wenn wir in den Jahren, wo wir ſchwaͤchlicher, leichtglaͤubiger und huͤlfsbeduͤrftiger ſind, durch einige Liebkoſungen um Freyheit und Eigenthum gebracht, und der bittern Gnade undankbarer Erben unter- worfen werden koͤnnen. Sagen ſie ihr doch, wie gefaͤhrlich unſer Zuſtand ſey, wenn es uns frey gelaſſen iſt, eine ſolche Thorheit zu begehen, und wir den Kuͤnſten und Liſten ſchmei- chelnder Erben nichts als ein: ich will nicht entgegen zu ſetzen haben, und daruͤber bey unſern Leben von ihnen ange- feindet werden. Hat man doch fuͤr die Ehefrauen geſorgt, und ihnen die Buͤrgſchaften fuͤr ihre Maͤnner aus der Ur- ſache verboten, weil ſie in taͤglicher Gefahr ſind durch Liſt oder Gewalt dazu gebracht oder verfuͤhrt zu werden? Iſt aber der Zuſtand einer betagten Wittwe, welche ihre Erben zunaͤchſt um Troſt, Huͤlfe und Beyſtand anſprechen, und dieſelben oft zu ſich ins Haus nehmen muß, minder gefaͤhrlich? Und da die Geſetze einmal die uͤbermaͤßigen Schenkungen, welche ſich uͤber 500 Ducaten belaufen, auf eine vernuͤnftige Weiſe ein- geſchraͤnkt haben; ſolten ſie denn nicht auch zum Vortheil der Aermern verordnen, daß ſie nicht uͤber ein Drittel ihres Ver- moͤgens mit Vorbehalt des Niesbrauchs, verſchenken duͤrften? Solten ſie nicht eben wie beym Eide, eine Warnung für gröſ- H 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/137>, abgerufen am 21.11.2024.