Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Johann konnte nicht leben. ihrem Herrn fordern, daß er ihnen nach dem Stande, wor-inn er sie setzt, zu leben gäbe: so ist ihre Forderung gerecht. Allein, daß der Mann, der ihm alle Monat ein paar Schuh macht, sogleich von diesen zwölf paar Schuhen leben will, das ist unerträglich. Hören Sie, Herr Kriegesrath, mein voriger Herr, Ehre
Johann konnte nicht leben. ihrem Herrn fordern, daß er ihnen nach dem Stande, wor-inn er ſie ſetzt, zu leben gaͤbe: ſo iſt ihre Forderung gerecht. Allein, daß der Mann, der ihm alle Monat ein paar Schuh macht, ſogleich von dieſen zwoͤlf paar Schuhen leben will, das iſt unertraͤglich. Hoͤren Sie, Herr Kriegesrath, mein voriger Herr, Ehre
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Johann konnte nicht leben.
ihrem Herrn fordern, daß er ihnen nach dem Stande, wor-
inn er ſie ſetzt, zu leben gaͤbe: ſo iſt ihre Forderung gerecht.
Allein, daß der Mann, der ihm alle Monat ein paar Schuh
macht, ſogleich von dieſen zwoͤlf paar Schuhen leben will, das
iſt unertraͤglich.
Hoͤren Sie, Herr Kriegesrath, mein voriger Herr,
ein Burgemeiſter, ſprach eben ſo. Wovon, ſagte er zu dem
vorigen Praͤſidenten, muß ich, wovon muͤſſen ſo viele Raths-
herrn leben? Wir ſind nicht, gleich ſo vielen beſoldeten Die-
nern, dem gemeinen Weſen in die Futterung gegeben. Nein,
die Buͤrgerſchaften haben von je her ganz andre Grundſaͤtze
gehabt. Sie waͤhlen bemittelte Leute zu Burgemeiſtern, und
fordern von dem Rathsherrn, daß er von ſeinem Fleiße le-
ben ſolle. Sie belohnen ſie mit Ehre, mit Achtung und mit
Liebe. Dies iſt ihre Beſoldung; das eine Jahr wie das an-
dre; und die beſte Beſoldung von jedem rechtſchaffenen Maune.
Die großen Herrn haben uͤbel gethan, daß ſie zu allen gemei-
nen Verwaltungen lauter beſoldete Diener angenommen ha-
ben, die alle klagen, daß ſie nicht leben koͤnnen; und nicht
wiſſen wie ſie leben wollen. Eine Zeitlang haben ihnen dieſe
Diener plus uͤber plus gebracht, aber am Ende nehmen ſie
plus uͤber plus wieder weg; und der Herr hat nicht mehr uͤbrig
als er vorher uͤbrig hatte. Es ſchadet ihnen aber nichts; in-
dem ſie oft die ſchlechteſten Leute zu ihren Dienern annehmen,
und dann ihre Diener uͤber alle andre erheben, und diejeni-
gen, welche keine andre Beſoldungen, als die Liebe und den
Seegen ihrer Mitbuͤrger haben, unbillig herunterſetzen. In
unſerm Buͤrgerrath werden keine andre als angeſeſſene und
angeſehene Leute zugelaſſen. Die Bedienungen der Stadt
werden als Reihelaſten betrachtet, die jeder nach ſeiner Ord-
nung mit uͤbernehmen muß. Keiner wird beſoldet. Beſol-
dungen ſind fuͤr die Unterbediente, die keinen Theil an unſrer
Ehre
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