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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Von dem Verfall des Handwerks
glänzender und verführerischer als in einer Landstadt. Die
Werke, so daselbst gemacht werden, zeichnen sich dadurch vor-
züglich aus; und so muß drittens der beste Meister in einer
Landstadt in einigen Jahren seinen Markt verliehren, weil
ihm der Meister der großen Stadt solchen mit Hülfe des Ge-
schmacks und der Mode, ehe er es noch einmal merkt, abge-
wonnen hat.

Ein Meister in der großen Stadt hält dreyßig, vierzig
und mehr Gesellen, wenn der in einer kleinen, deren nur zwey
oder drey hat. Dort wird also dasjenige in einer Haushal-
tung gemacht, was hier in zwanzigen verfertiget wird; und
weil zwanzig Haushaltungen mehr Beschwerden und Abgiften
haben als eine; so arbeitet viertens die eine mit vierzig Ge-
sellen wohlfeiler als die zwanzig Haushaltungen mit zween.

In großen Städten sind insgemein Niederlagen von
rohen Materialien, die der große Materialist für eine Menge
von Abnehmer hält. In der kleinen Stadt hingegen fehlt es
entweder an solchen Niederlagen; oder der Handwerker muß
sich solche selbst anschaffen; oder aber sie sind nicht so gut als
in den großen Niederlagen, wo die Menge des Absatzes im-
mer frischen Vorrath, häufigere Umschläge und bessere Preise
aus der ersten Hand zuwege bringt. Der Handwerker hat
dort nicht nöthig, ein Capital in die rohen Materialien zu
stecken, weil ihm ein ander das Magazin hält; und so hat
fünftens das Handwerk in großen Städten auch hierinn vieles
zum voraus.

Sechstens sind insgemein an großen Orten bereits ei-
nige Fabricken vorhanden, wobey sich Presser, Tuchscheerer,
Schönfärber und andre Professionisten befinden. Nun hält
es schwerer an einem Orte, wo gar keine Fabrik vorhanden,
eine einzige, als an andern, wo bereits fünfe vorhanden, noch

zehen

Von dem Verfall des Handwerks
glaͤnzender und verfuͤhreriſcher als in einer Landſtadt. Die
Werke, ſo daſelbſt gemacht werden, zeichnen ſich dadurch vor-
zuͤglich aus; und ſo muß drittens der beſte Meiſter in einer
Landſtadt in einigen Jahren ſeinen Markt verliehren, weil
ihm der Meiſter der großen Stadt ſolchen mit Huͤlfe des Ge-
ſchmacks und der Mode, ehe er es noch einmal merkt, abge-
wonnen hat.

Ein Meiſter in der großen Stadt haͤlt dreyßig, vierzig
und mehr Geſellen, wenn der in einer kleinen, deren nur zwey
oder drey hat. Dort wird alſo dasjenige in einer Haushal-
tung gemacht, was hier in zwanzigen verfertiget wird; und
weil zwanzig Haushaltungen mehr Beſchwerden und Abgiften
haben als eine; ſo arbeitet viertens die eine mit vierzig Ge-
ſellen wohlfeiler als die zwanzig Haushaltungen mit zween.

In großen Staͤdten ſind insgemein Niederlagen von
rohen Materialien, die der große Materialiſt fuͤr eine Menge
von Abnehmer haͤlt. In der kleinen Stadt hingegen fehlt es
entweder an ſolchen Niederlagen; oder der Handwerker muß
ſich ſolche ſelbſt anſchaffen; oder aber ſie ſind nicht ſo gut als
in den großen Niederlagen, wo die Menge des Abſatzes im-
mer friſchen Vorrath, haͤufigere Umſchlaͤge und beſſere Preiſe
aus der erſten Hand zuwege bringt. Der Handwerker hat
dort nicht noͤthig, ein Capital in die rohen Materialien zu
ſtecken, weil ihm ein ander das Magazin haͤlt; und ſo hat
fünftens das Handwerk in großen Staͤdten auch hierinn vieles
zum voraus.

Sechſtens ſind insgemein an großen Orten bereits ei-
nige Fabricken vorhanden, wobey ſich Preſſer, Tuchſcheerer,
Schoͤnfaͤrber und andre Profeſſioniſten befinden. Nun haͤlt
es ſchwerer an einem Orte, wo gar keine Fabrik vorhanden,
eine einzige, als an andern, wo bereits fuͤnfe vorhanden, noch

zehen
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[184/0202] Von dem Verfall des Handwerks glaͤnzender und verfuͤhreriſcher als in einer Landſtadt. Die Werke, ſo daſelbſt gemacht werden, zeichnen ſich dadurch vor- zuͤglich aus; und ſo muß drittens der beſte Meiſter in einer Landſtadt in einigen Jahren ſeinen Markt verliehren, weil ihm der Meiſter der großen Stadt ſolchen mit Huͤlfe des Ge- ſchmacks und der Mode, ehe er es noch einmal merkt, abge- wonnen hat. Ein Meiſter in der großen Stadt haͤlt dreyßig, vierzig und mehr Geſellen, wenn der in einer kleinen, deren nur zwey oder drey hat. Dort wird alſo dasjenige in einer Haushal- tung gemacht, was hier in zwanzigen verfertiget wird; und weil zwanzig Haushaltungen mehr Beſchwerden und Abgiften haben als eine; ſo arbeitet viertens die eine mit vierzig Ge- ſellen wohlfeiler als die zwanzig Haushaltungen mit zween. In großen Staͤdten ſind insgemein Niederlagen von rohen Materialien, die der große Materialiſt fuͤr eine Menge von Abnehmer haͤlt. In der kleinen Stadt hingegen fehlt es entweder an ſolchen Niederlagen; oder der Handwerker muß ſich ſolche ſelbſt anſchaffen; oder aber ſie ſind nicht ſo gut als in den großen Niederlagen, wo die Menge des Abſatzes im- mer friſchen Vorrath, haͤufigere Umſchlaͤge und beſſere Preiſe aus der erſten Hand zuwege bringt. Der Handwerker hat dort nicht noͤthig, ein Capital in die rohen Materialien zu ſtecken, weil ihm ein ander das Magazin haͤlt; und ſo hat fünftens das Handwerk in großen Staͤdten auch hierinn vieles zum voraus. Sechſtens ſind insgemein an großen Orten bereits ei- nige Fabricken vorhanden, wobey ſich Preſſer, Tuchſcheerer, Schoͤnfaͤrber und andre Profeſſioniſten befinden. Nun haͤlt es ſchwerer an einem Orte, wo gar keine Fabrik vorhanden, eine einzige, als an andern, wo bereits fuͤnfe vorhanden, noch zehen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/202>, abgerufen am 21.11.2024.