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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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in kleinen Städten.
len, Thoren und Mauren seufzen lassen. Diese Last dauert
unvermindert fort; die Zahl der Bürger hingegen nimmt ab;
und wenn es also weit gediehen, daß sie bis auf zwey oder
dreyhundert zusammenschmelzen: so muß die Stadt ganz ein-
gehen, weil in diesem Falle die Last für jeden bis auf hundert
Thaler des Jahrs steigen muß, wogegen derjenige, so ausser
den Mauren sitzt, höchstens einen Thaler bezahlt.

Diesem gänzlichen Verfalle vorzukommen, ist kein ander
Mittel, als daß ein Landesherr mit seinen Ständen sowol den
Handel als das Handwerk von dem Lande wieder in die Städte
ziehe, und da wo diese zu entlegen sind, das Dorf, was da-
zu am bequemsten liegt, zum Weichbilde erhebe.

Die zweyte Ursache des Verfalls der Landstädte ist der
Mangel einer genauen Bilanz zwischen dem Ackerbau und
dem Fleiße. So bald der Handel und das Handwerk den
Städten vorabgelassen und ihnen gleichsam ein Monopolium
im Lande eingeräumet wird; so müssen die Bürger in gleichem
Verhältnisse mit dem Landmann die öffentlichen Lasten tragen.
Dies ist der erste Grund ihrer Verfassung gewesen. Ihnen
ist die Unterhaltung von Thoren, Wällen, Graben, Pulver-
thürmern und Zeughäusern nebst deren Vertheidigung als
ihr Antheil der gemeinen Landesvertheidigung
auferlegt
worden; währender Zeit der Landmann entweder selbst fürs
Vaterland fochte, oder einen Lehnmann unterhielt, oder eine
Steuer zu Bezahlung der Söldner entrichtete. Wollten
nun die Städte den Handel und das Handwerk vorab be-
halten, und gleichwohl sich auf keine Bilanz mit dem umlie-
genden Lande einlassen: so werden sie leicht zu viel oder zu
wenig beytragen. Hiernechst und da jede Landschaft insge-
mein aus dreyen Ständen bestehet, wovon zween mehr An-
theil an der Wohlfarth des platten Landes als der Städte ha-
ben: so würde in der Beurtheilung und Bewilligung der ge-

mei-
N 2

in kleinen Staͤdten.
len, Thoren und Mauren ſeufzen laſſen. Dieſe Laſt dauert
unvermindert fort; die Zahl der Buͤrger hingegen nimmt ab;
und wenn es alſo weit gediehen, daß ſie bis auf zwey oder
dreyhundert zuſammenſchmelzen: ſo muß die Stadt ganz ein-
gehen, weil in dieſem Falle die Laſt fuͤr jeden bis auf hundert
Thaler des Jahrs ſteigen muß, wogegen derjenige, ſo auſſer
den Mauren ſitzt, hoͤchſtens einen Thaler bezahlt.

Dieſem gaͤnzlichen Verfalle vorzukommen, iſt kein ander
Mittel, als daß ein Landesherr mit ſeinen Staͤnden ſowol den
Handel als das Handwerk von dem Lande wieder in die Staͤdte
ziehe, und da wo dieſe zu entlegen ſind, das Dorf, was da-
zu am bequemſten liegt, zum Weichbilde erhebe.

Die zweyte Urſache des Verfalls der Landſtaͤdte iſt der
Mangel einer genauen Bilanz zwiſchen dem Ackerbau und
dem Fleiße. So bald der Handel und das Handwerk den
Staͤdten vorabgelaſſen und ihnen gleichſam ein Monopolium
im Lande eingeraͤumet wird; ſo muͤſſen die Buͤrger in gleichem
Verhaͤltniſſe mit dem Landmann die oͤffentlichen Laſten tragen.
Dies iſt der erſte Grund ihrer Verfaſſung geweſen. Ihnen
iſt die Unterhaltung von Thoren, Waͤllen, Graben, Pulver-
thuͤrmern und Zeughaͤuſern nebſt deren Vertheidigung als
ihr Antheil der gemeinen Landesvertheidigung
auferlegt
worden; waͤhrender Zeit der Landmann entweder ſelbſt fuͤrs
Vaterland fochte, oder einen Lehnmann unterhielt, oder eine
Steuer zu Bezahlung der Soͤldner entrichtete. Wollten
nun die Staͤdte den Handel und das Handwerk vorab be-
halten, und gleichwohl ſich auf keine Bilanz mit dem umlie-
genden Lande einlaſſen: ſo werden ſie leicht zu viel oder zu
wenig beytragen. Hiernechſt und da jede Landſchaft insge-
mein aus dreyen Staͤnden beſtehet, wovon zween mehr An-
theil an der Wohlfarth des platten Landes als der Staͤdte ha-
ben: ſo wuͤrde in der Beurtheilung und Bewilligung der ge-

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[195/0213] in kleinen Staͤdten. len, Thoren und Mauren ſeufzen laſſen. Dieſe Laſt dauert unvermindert fort; die Zahl der Buͤrger hingegen nimmt ab; und wenn es alſo weit gediehen, daß ſie bis auf zwey oder dreyhundert zuſammenſchmelzen: ſo muß die Stadt ganz ein- gehen, weil in dieſem Falle die Laſt fuͤr jeden bis auf hundert Thaler des Jahrs ſteigen muß, wogegen derjenige, ſo auſſer den Mauren ſitzt, hoͤchſtens einen Thaler bezahlt. Dieſem gaͤnzlichen Verfalle vorzukommen, iſt kein ander Mittel, als daß ein Landesherr mit ſeinen Staͤnden ſowol den Handel als das Handwerk von dem Lande wieder in die Staͤdte ziehe, und da wo dieſe zu entlegen ſind, das Dorf, was da- zu am bequemſten liegt, zum Weichbilde erhebe. Die zweyte Urſache des Verfalls der Landſtaͤdte iſt der Mangel einer genauen Bilanz zwiſchen dem Ackerbau und dem Fleiße. So bald der Handel und das Handwerk den Staͤdten vorabgelaſſen und ihnen gleichſam ein Monopolium im Lande eingeraͤumet wird; ſo muͤſſen die Buͤrger in gleichem Verhaͤltniſſe mit dem Landmann die oͤffentlichen Laſten tragen. Dies iſt der erſte Grund ihrer Verfaſſung geweſen. Ihnen iſt die Unterhaltung von Thoren, Waͤllen, Graben, Pulver- thuͤrmern und Zeughaͤuſern nebſt deren Vertheidigung als ihr Antheil der gemeinen Landesvertheidigung auferlegt worden; waͤhrender Zeit der Landmann entweder ſelbſt fuͤrs Vaterland fochte, oder einen Lehnmann unterhielt, oder eine Steuer zu Bezahlung der Soͤldner entrichtete. Wollten nun die Staͤdte den Handel und das Handwerk vorab be- halten, und gleichwohl ſich auf keine Bilanz mit dem umlie- genden Lande einlaſſen: ſo werden ſie leicht zu viel oder zu wenig beytragen. Hiernechſt und da jede Landſchaft insge- mein aus dreyen Staͤnden beſtehet, wovon zween mehr An- theil an der Wohlfarth des platten Landes als der Staͤdte ha- ben: ſo wuͤrde in der Beurtheilung und Bewilligung der ge- mei- N 2

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/213>, abgerufen am 21.11.2024.