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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Von dem Verfall des Handwerks
Einfuhr dieser oder jenen fremden Producte widersetzen; und
eine einförmige Handelsordnung behaupten können? Der
Schiffer liegt auf der Rhede, läuft ganze Monate um einige
Fracht zu erhalten, und segelt endlich mit halber Fracht ab;
da doch, wenn eine richtige Correspondenz unter den Kreis-
städten fürwaltete, wann man zeitige Nachricht von den Pro-
ducten und Waaren hätte, welche auswärts abzusetzen sind,
und überhaupt die auswärtige Handlung hinlänglich kennete,
eine der andern die Hand bieten, die Abseglung der Schiffe
sicher und zeitig wissen, sich darnach einrichten, und solcherge-
stalt mit Nachdruck und Vortheil handeln könnte.

Eine solche Versammlung müßte sich leicht selbst er-
halten können. Von einzelnen Kreisständen können die frem-
den Waaren, die der Aufnahme unserer einheimischen Fabri-
ken entgegen sind, mit keinem Impost belegt werden. Was
man in Bremen damit beschweren würde, das würde über
Emden frey kommen; und was man auch hier mit neuen
Impost belegen wollte, das würde man über Holland kommen
lassen. Allein wenn alle Kreisstände eins sind: so kann die
Speculation höher gehen, und die schönste Bilanz erhalten
werden. Man kann aus einigen zum besten des Kreises go-
reichenden Imposten eine eigne Kreiscasse errichten, Leute
daraus besolden, und auf neue Unternehmungen in der Hand-
lung denken, deren Möglichkeit wir jezt zwar einsehen, aber
gewiß einzeln nie zu Stande bringen werden. Es steht so-
denn bey uns, Frankreich zu nöthigen, uns billige Vortheile in
der Handlung einzuräumen, oder uns nicht zu verdenken,
wenn wir, wie die Engländer, für alle französischen Weine und
Branteweine, rheinische, portugiesische und italiänische trin-
ken. Es steht bey uns mit allen nordischen Reichen Hand-
lungsverbindungen zu errichten, uns Vortheile zu bedingen,
und doch einige Figur in der Welt zu machen, anstatt daß

wir

Von dem Verfall des Handwerks
Einfuhr dieſer oder jenen fremden Producte widerſetzen; und
eine einfoͤrmige Handelsordnung behaupten koͤnnen? Der
Schiffer liegt auf der Rhede, laͤuft ganze Monate um einige
Fracht zu erhalten, und ſegelt endlich mit halber Fracht ab;
da doch, wenn eine richtige Correſpondenz unter den Kreis-
ſtaͤdten fuͤrwaltete, wann man zeitige Nachricht von den Pro-
ducten und Waaren haͤtte, welche auswaͤrts abzuſetzen ſind,
und uͤberhaupt die auswaͤrtige Handlung hinlaͤnglich kennete,
eine der andern die Hand bieten, die Abſeglung der Schiffe
ſicher und zeitig wiſſen, ſich darnach einrichten, und ſolcherge-
ſtalt mit Nachdruck und Vortheil handeln koͤnnte.

Eine ſolche Verſammlung muͤßte ſich leicht ſelbſt er-
halten koͤnnen. Von einzelnen Kreisſtaͤnden koͤnnen die frem-
den Waaren, die der Aufnahme unſerer einheimiſchen Fabri-
ken entgegen ſind, mit keinem Impoſt belegt werden. Was
man in Bremen damit beſchweren wuͤrde, das wuͤrde uͤber
Emden frey kommen; und was man auch hier mit neuen
Impoſt belegen wollte, das wuͤrde man uͤber Holland kommen
laſſen. Allein wenn alle Kreisſtaͤnde eins ſind: ſo kann die
Speculation hoͤher gehen, und die ſchoͤnſte Bilanz erhalten
werden. Man kann aus einigen zum beſten des Kreiſes go-
reichenden Impoſten eine eigne Kreiscaſſe errichten, Leute
daraus beſolden, und auf neue Unternehmungen in der Hand-
lung denken, deren Moͤglichkeit wir jezt zwar einſehen, aber
gewiß einzeln nie zu Stande bringen werden. Es ſteht ſo-
denn bey uns, Frankreich zu noͤthigen, uns billige Vortheile in
der Handlung einzuraͤumen, oder uns nicht zu verdenken,
wenn wir, wie die Englaͤnder, fuͤr alle franzoͤſiſchen Weine und
Branteweine, rheiniſche, portugieſiſche und italiaͤniſche trin-
ken. Es ſteht bey uns mit allen nordiſchen Reichen Hand-
lungsverbindungen zu errichten, uns Vortheile zu bedingen,
und doch einige Figur in der Welt zu machen, anſtatt daß

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[206/0224] Von dem Verfall des Handwerks Einfuhr dieſer oder jenen fremden Producte widerſetzen; und eine einfoͤrmige Handelsordnung behaupten koͤnnen? Der Schiffer liegt auf der Rhede, laͤuft ganze Monate um einige Fracht zu erhalten, und ſegelt endlich mit halber Fracht ab; da doch, wenn eine richtige Correſpondenz unter den Kreis- ſtaͤdten fuͤrwaltete, wann man zeitige Nachricht von den Pro- ducten und Waaren haͤtte, welche auswaͤrts abzuſetzen ſind, und uͤberhaupt die auswaͤrtige Handlung hinlaͤnglich kennete, eine der andern die Hand bieten, die Abſeglung der Schiffe ſicher und zeitig wiſſen, ſich darnach einrichten, und ſolcherge- ſtalt mit Nachdruck und Vortheil handeln koͤnnte. Eine ſolche Verſammlung muͤßte ſich leicht ſelbſt er- halten koͤnnen. Von einzelnen Kreisſtaͤnden koͤnnen die frem- den Waaren, die der Aufnahme unſerer einheimiſchen Fabri- ken entgegen ſind, mit keinem Impoſt belegt werden. Was man in Bremen damit beſchweren wuͤrde, das wuͤrde uͤber Emden frey kommen; und was man auch hier mit neuen Impoſt belegen wollte, das wuͤrde man uͤber Holland kommen laſſen. Allein wenn alle Kreisſtaͤnde eins ſind: ſo kann die Speculation hoͤher gehen, und die ſchoͤnſte Bilanz erhalten werden. Man kann aus einigen zum beſten des Kreiſes go- reichenden Impoſten eine eigne Kreiscaſſe errichten, Leute daraus beſolden, und auf neue Unternehmungen in der Hand- lung denken, deren Moͤglichkeit wir jezt zwar einſehen, aber gewiß einzeln nie zu Stande bringen werden. Es ſteht ſo- denn bey uns, Frankreich zu noͤthigen, uns billige Vortheile in der Handlung einzuraͤumen, oder uns nicht zu verdenken, wenn wir, wie die Englaͤnder, fuͤr alle franzoͤſiſchen Weine und Branteweine, rheiniſche, portugieſiſche und italiaͤniſche trin- ken. Es ſteht bey uns mit allen nordiſchen Reichen Hand- lungsverbindungen zu errichten, uns Vortheile zu bedingen, und doch einige Figur in der Welt zu machen, anſtatt daß wir

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/224>, abgerufen am 24.11.2024.