Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Es bleibt beym Alten.
die Ackerbestellungen nachgeahmet hätten, wovon man uns ein
so herrliches Bild gemahlet hat? Sollte der Gutsherr seine
Pächte, der Zehntherr seinen Zehnten und der Vogt seine
Schatzungen wohl nachgegeben haben, wenn wir ihnen er-
zählet hätten, daß wir neue Versuche gemacht und damit ver-
unglücket wären?

Eine hundertjährige Erfahrung ist eine erstaunende
Probe; hundert, ja tausend Jahr haben wir mit Plaggen
gedüngt, im sauren Schweisse unsers Angesichts damit ge-
düngt, und uns wohl dabey befunden. Warum sollen wir
denn davon ablassen? Meynen Sie nicht, das wir alle Jahr
mit den Plaggen auf einigen Feldern zu kurz kommen, und
also auch hundertjährige Erfahrungen von solchen Feldern ha-
ben, die nicht damit gedüngt sind? Da wir verschiedene Kirch-
spiele und Gegenden haben, die keine Plaggen gebrauchen,
und einen Grund bauen, der dieses Düngers entbehren kann:
Meynen Sie denn nicht, daß unsre Vorfahren auch wohl bis-
weilen auf den Gedanken gerathen sind, zu versuchen, ob sie
dieses mühseligen Düngers entrathen könnten? Und glauben
Sie nicht, daß wir gute durch die Erfahrung bestätigte Grün-
de haben, warum wir dabey beharren?

Man beschuldige uns keines Eigensinns. Die Kartof-
feln sind noch nicht viel über dreyßig Jahren in Westphalen
bekannt; und gleichwol baut sie schon ein jeder. Die Feld-
mauern sind erst vor 40 Jahren aufgekommen, dennoch sind
sie nunmehro fast durchgehends, wo Steine zu haben und
Feldmauern nützlich sind, anstatt der Zäune und Hecken ein-
geführt. Der Hanfbau ist funfzig Jahr in hiesigen Gegen-
den alt, und gleichwol jezt schon überall, wo es nur möglich
ist, gemein; vor sechzig Jahren säete noch niemand Buch-
weizen ins Mohr; und jezt wird er überall gesäet. Der

Wei-

Es bleibt beym Alten.
die Ackerbeſtellungen nachgeahmet haͤtten, wovon man uns ein
ſo herrliches Bild gemahlet hat? Sollte der Gutsherr ſeine
Paͤchte, der Zehntherr ſeinen Zehnten und der Vogt ſeine
Schatzungen wohl nachgegeben haben, wenn wir ihnen er-
zaͤhlet haͤtten, daß wir neue Verſuche gemacht und damit ver-
ungluͤcket waͤren?

Eine hundertjaͤhrige Erfahrung iſt eine erſtaunende
Probe; hundert, ja tauſend Jahr haben wir mit Plaggen
geduͤngt, im ſauren Schweiſſe unſers Angeſichts damit ge-
duͤngt, und uns wohl dabey befunden. Warum ſollen wir
denn davon ablaſſen? Meynen Sie nicht, das wir alle Jahr
mit den Plaggen auf einigen Feldern zu kurz kommen, und
alſo auch hundertjaͤhrige Erfahrungen von ſolchen Feldern ha-
ben, die nicht damit geduͤngt ſind? Da wir verſchiedene Kirch-
ſpiele und Gegenden haben, die keine Plaggen gebrauchen,
und einen Grund bauen, der dieſes Duͤngers entbehren kann:
Meynen Sie denn nicht, daß unſre Vorfahren auch wohl bis-
weilen auf den Gedanken gerathen ſind, zu verſuchen, ob ſie
dieſes muͤhſeligen Duͤngers entrathen koͤnnten? Und glauben
Sie nicht, daß wir gute durch die Erfahrung beſtaͤtigte Gruͤn-
de haben, warum wir dabey beharren?

Man beſchuldige uns keines Eigenſinns. Die Kartof-
feln ſind noch nicht viel uͤber dreyßig Jahren in Weſtphalen
bekannt; und gleichwol baut ſie ſchon ein jeder. Die Feld-
mauern ſind erſt vor 40 Jahren aufgekommen, dennoch ſind
ſie nunmehro faſt durchgehends, wo Steine zu haben und
Feldmauern nuͤtzlich ſind, anſtatt der Zaͤune und Hecken ein-
gefuͤhrt. Der Hanfbau iſt funfzig Jahr in hieſigen Gegen-
den alt, und gleichwol jezt ſchon uͤberall, wo es nur moͤglich
iſt, gemein; vor ſechzig Jahren ſaͤete noch niemand Buch-
weizen ins Mohr; und jezt wird er uͤberall geſaͤet. Der

Wei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0236" n="218"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Es bleibt beym Alten.</hi></fw><lb/>
die Ackerbe&#x017F;tellungen nachgeahmet ha&#x0364;tten, wovon man uns ein<lb/>
&#x017F;o herrliches Bild gemahlet hat? Sollte der Gutsherr &#x017F;eine<lb/>
Pa&#x0364;chte, der Zehntherr &#x017F;einen Zehnten und der Vogt &#x017F;eine<lb/>
Schatzungen wohl nachgegeben haben, wenn wir ihnen er-<lb/>
za&#x0364;hlet ha&#x0364;tten, daß wir neue Ver&#x017F;uche gemacht und damit ver-<lb/>
unglu&#x0364;cket wa&#x0364;ren?</p><lb/>
        <p>Eine hundertja&#x0364;hrige Erfahrung i&#x017F;t eine er&#x017F;taunende<lb/>
Probe; hundert, ja tau&#x017F;end Jahr haben wir mit Plaggen<lb/>
gedu&#x0364;ngt, im &#x017F;auren Schwei&#x017F;&#x017F;e un&#x017F;ers Ange&#x017F;ichts damit ge-<lb/>
du&#x0364;ngt, und uns wohl dabey befunden. Warum &#x017F;ollen wir<lb/>
denn davon abla&#x017F;&#x017F;en? Meynen Sie nicht, das wir alle Jahr<lb/>
mit den Plaggen auf einigen Feldern zu kurz kommen, und<lb/>
al&#x017F;o auch hundertja&#x0364;hrige Erfahrungen von &#x017F;olchen Feldern ha-<lb/>
ben, die nicht damit gedu&#x0364;ngt &#x017F;ind? Da wir ver&#x017F;chiedene Kirch-<lb/>
&#x017F;piele und Gegenden haben, die keine Plaggen gebrauchen,<lb/>
und einen Grund bauen, der die&#x017F;es Du&#x0364;ngers entbehren kann:<lb/>
Meynen Sie denn nicht, daß un&#x017F;re Vorfahren auch wohl bis-<lb/>
weilen auf den Gedanken gerathen &#x017F;ind, zu ver&#x017F;uchen, ob &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;es mu&#x0364;h&#x017F;eligen Du&#x0364;ngers entrathen ko&#x0364;nnten? Und glauben<lb/>
Sie nicht, daß wir gute durch die Erfahrung be&#x017F;ta&#x0364;tigte Gru&#x0364;n-<lb/>
de haben, warum wir dabey beharren?</p><lb/>
        <p>Man be&#x017F;chuldige uns keines Eigen&#x017F;inns. Die Kartof-<lb/>
feln &#x017F;ind noch nicht viel u&#x0364;ber dreyßig Jahren in We&#x017F;tphalen<lb/>
bekannt; und gleichwol baut &#x017F;ie &#x017F;chon ein jeder. Die Feld-<lb/>
mauern &#x017F;ind er&#x017F;t vor 40 Jahren aufgekommen, dennoch &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie nunmehro fa&#x017F;t durchgehends, wo Steine zu haben und<lb/>
Feldmauern nu&#x0364;tzlich &#x017F;ind, an&#x017F;tatt der Za&#x0364;une und Hecken ein-<lb/>
gefu&#x0364;hrt. Der Hanfbau i&#x017F;t funfzig Jahr in hie&#x017F;igen Gegen-<lb/>
den alt, und gleichwol jezt &#x017F;chon u&#x0364;berall, wo es nur mo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t, gemein; vor &#x017F;echzig Jahren &#x017F;a&#x0364;ete noch niemand Buch-<lb/>
weizen ins Mohr; und jezt wird er u&#x0364;berall ge&#x017F;a&#x0364;et. Der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0236] Es bleibt beym Alten. die Ackerbeſtellungen nachgeahmet haͤtten, wovon man uns ein ſo herrliches Bild gemahlet hat? Sollte der Gutsherr ſeine Paͤchte, der Zehntherr ſeinen Zehnten und der Vogt ſeine Schatzungen wohl nachgegeben haben, wenn wir ihnen er- zaͤhlet haͤtten, daß wir neue Verſuche gemacht und damit ver- ungluͤcket waͤren? Eine hundertjaͤhrige Erfahrung iſt eine erſtaunende Probe; hundert, ja tauſend Jahr haben wir mit Plaggen geduͤngt, im ſauren Schweiſſe unſers Angeſichts damit ge- duͤngt, und uns wohl dabey befunden. Warum ſollen wir denn davon ablaſſen? Meynen Sie nicht, das wir alle Jahr mit den Plaggen auf einigen Feldern zu kurz kommen, und alſo auch hundertjaͤhrige Erfahrungen von ſolchen Feldern ha- ben, die nicht damit geduͤngt ſind? Da wir verſchiedene Kirch- ſpiele und Gegenden haben, die keine Plaggen gebrauchen, und einen Grund bauen, der dieſes Duͤngers entbehren kann: Meynen Sie denn nicht, daß unſre Vorfahren auch wohl bis- weilen auf den Gedanken gerathen ſind, zu verſuchen, ob ſie dieſes muͤhſeligen Duͤngers entrathen koͤnnten? Und glauben Sie nicht, daß wir gute durch die Erfahrung beſtaͤtigte Gruͤn- de haben, warum wir dabey beharren? Man beſchuldige uns keines Eigenſinns. Die Kartof- feln ſind noch nicht viel uͤber dreyßig Jahren in Weſtphalen bekannt; und gleichwol baut ſie ſchon ein jeder. Die Feld- mauern ſind erſt vor 40 Jahren aufgekommen, dennoch ſind ſie nunmehro faſt durchgehends, wo Steine zu haben und Feldmauern nuͤtzlich ſind, anſtatt der Zaͤune und Hecken ein- gefuͤhrt. Der Hanfbau iſt funfzig Jahr in hieſigen Gegen- den alt, und gleichwol jezt ſchon uͤberall, wo es nur moͤglich iſt, gemein; vor ſechzig Jahren ſaͤete noch niemand Buch- weizen ins Mohr; und jezt wird er uͤberall geſaͤet. Der Wei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/236
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/236>, abgerufen am 21.11.2024.