Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Beantwortung der Frage: Ist es billig, kann er mit Recht thun; und die peinliche Hals-Gerichts-ordnung ist ihm hierin nicht zuwider. Es ist Siebendens für einen Landesherrn sehr hart, daß er sich Achtens nothwendig alle Liebe zur Freyheit, und den Der bisherige Gebrauch, daß die Criminalurtheile von Neuntens dagegen nichts, indem dieser Gebrauch ledig- Zehntens ein solcher Gebrauch nur dem Scheine nach dern
Beantwortung der Frage: Iſt es billig, kann er mit Recht thun; und die peinliche Hals-Gerichts-ordnung iſt ihm hierin nicht zuwider. Es iſt Siebendens fuͤr einen Landesherrn ſehr hart, daß er ſich Achtens nothwendig alle Liebe zur Freyheit, und den Der bisherige Gebrauch, daß die Criminalurtheile von Neuntens dagegen nichts, indem dieſer Gebrauch ledig- Zehntens ein ſolcher Gebrauch nur dem Scheine nach dern
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0360" n="342"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Beantwortung der Frage: Iſt es billig,</hi></fw><lb/> kann er mit Recht thun; und die peinliche Hals-Gerichts-<lb/> ordnung iſt ihm hierin nicht zuwider. Es iſt</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Siebendens</hi> fuͤr einen Landesherrn ſehr hart, daß er ſich<lb/> und ſeine Bediente immer mit dem Haſſe der Criminalurtheile<lb/> beladen ſolte. Die Faͤlle ſind zwar nicht gemein, aber doch<lb/> bey großen Gaͤhrungen im Staate und wann die Gerechtig-<lb/> keit nicht gegen Landſtreicher ſondern gegen angeſehene Maͤnner<lb/> ihr Amt verrichten ſoll, auch nicht ganz ſelten, wo die Obrig-<lb/> keit das Recht zu urtheilen nicht verlangt, ſondern lieber den<lb/> geſchwornen Rechtsgenoſſen des Verbrechers uͤberlaͤßt. Es<lb/> erſtickt auch</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Achtens</hi> nothwendig alle Liebe zur Freyheit, und den<lb/> aufrichtigen Ausdruck derſelben, wenn einer vorher fuͤrchten<lb/> muß, von Gelehrten ſo in Bedienungen ſtehen, verurtheilet<lb/> zu werden.</p><lb/> <p>Der bisherige Gebrauch, daß die Criminalurtheile von<lb/> Gelehrten abgefaſſet werden, hindert</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Neuntens</hi> dagegen nichts, indem dieſer Gebrauch ledig-<lb/> lich gegen ſchlechte und fluͤchtige Verbrecher geuͤbet worden,<lb/> welche nicht als wahre angeſeſſene Unterthanen ſondern als<lb/> Knechte <hi rendition="#aq">(ſervi poenæ)</hi> verurtheilet werden. Ein Fremder,<lb/> der kein Geleit hat, iſt ein Feind; der, wenn er die buͤrger-<lb/> lichen Geſellſchaft ſtoͤret, und ſie gleichſam mit Krieg uͤberzieht,<lb/> als ein Kriegesgefangner ohne Cartel, nach Willkuͤhr gehangen<lb/> werden kann, und es als eine Gnade anzuſehen hat, daß ihm<lb/> ein foͤrmlicher Proceß durch Gelehrte gemacht wird. Einer<lb/> ſolchen Willkuͤhr hat ſich aber kein wahrer Unterthan unter-<lb/> worfen; und dieſer kann ſich noch immer auf die Hals-Ge-<lb/> richtsordnung berufen, ohne daß ihm jener Gebrauch mit Be-<lb/> ſtande entgegen geſetzt werden koͤnne. In der That iſt auch</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Zehntens</hi> ein ſolcher Gebrauch nur dem Scheine nach<lb/> vorhanden, indem die Canzleyen kein Urtheil abfaſſen; ſon-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dern</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [342/0360]
Beantwortung der Frage: Iſt es billig,
kann er mit Recht thun; und die peinliche Hals-Gerichts-
ordnung iſt ihm hierin nicht zuwider. Es iſt
Siebendens fuͤr einen Landesherrn ſehr hart, daß er ſich
und ſeine Bediente immer mit dem Haſſe der Criminalurtheile
beladen ſolte. Die Faͤlle ſind zwar nicht gemein, aber doch
bey großen Gaͤhrungen im Staate und wann die Gerechtig-
keit nicht gegen Landſtreicher ſondern gegen angeſehene Maͤnner
ihr Amt verrichten ſoll, auch nicht ganz ſelten, wo die Obrig-
keit das Recht zu urtheilen nicht verlangt, ſondern lieber den
geſchwornen Rechtsgenoſſen des Verbrechers uͤberlaͤßt. Es
erſtickt auch
Achtens nothwendig alle Liebe zur Freyheit, und den
aufrichtigen Ausdruck derſelben, wenn einer vorher fuͤrchten
muß, von Gelehrten ſo in Bedienungen ſtehen, verurtheilet
zu werden.
Der bisherige Gebrauch, daß die Criminalurtheile von
Gelehrten abgefaſſet werden, hindert
Neuntens dagegen nichts, indem dieſer Gebrauch ledig-
lich gegen ſchlechte und fluͤchtige Verbrecher geuͤbet worden,
welche nicht als wahre angeſeſſene Unterthanen ſondern als
Knechte (ſervi poenæ) verurtheilet werden. Ein Fremder,
der kein Geleit hat, iſt ein Feind; der, wenn er die buͤrger-
lichen Geſellſchaft ſtoͤret, und ſie gleichſam mit Krieg uͤberzieht,
als ein Kriegesgefangner ohne Cartel, nach Willkuͤhr gehangen
werden kann, und es als eine Gnade anzuſehen hat, daß ihm
ein foͤrmlicher Proceß durch Gelehrte gemacht wird. Einer
ſolchen Willkuͤhr hat ſich aber kein wahrer Unterthan unter-
worfen; und dieſer kann ſich noch immer auf die Hals-Ge-
richtsordnung berufen, ohne daß ihm jener Gebrauch mit Be-
ſtande entgegen geſetzt werden koͤnne. In der That iſt auch
Zehntens ein ſolcher Gebrauch nur dem Scheine nach
vorhanden, indem die Canzleyen kein Urtheil abfaſſen; ſon-
dern
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |