Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Schreiben über ein Project unserer Nachbaren
einen leichtern eine ganze Verwandlung der Knochen und Ner-
ven erfordere.

Unsre Gesetzgeber machen auch jezt viel zu wenig Ge-
brauch von dem Hange der Menschen zu religieusen Verbin-
dungen, um die Anziehung neuer Colonien hoffen zu können.
Wir sehen zwar, was die Herrnhuter, die Mennoniten, die
Quäker und andre mit einer begeisterten Vereinigung ausrich-
ten. Wir legen aber den Plan der Colonien darauf gar nicht
an; und nutzen den Hang nicht genug, welchen religieuse
Bruderschaften ehedem auf den Fleiß und die Sitten der Men-
schen gehabt haben. Alles soll mit Strafen und Brüchten
gezwungen werden. Die Eitelkeit, die Verschwendung, die
Ueppigkeit, welche unsre Zeiten verderben, sollen blos durch
Policeygesetze eingeschränkt werden; da man doch gewiß hun-
dertmal mehr ausrichten würde, wenn man der einen Par-
they erlaubte, den Kopf auf die Rechte, und der andern den-
selben auf die Linke zu tragen. Ohne diese Freyheit würde
die Hällische Apotheke das nicht seyn was sie ist. Und man
kann darauf wetten, daß gewisse Einrichtungen, wenn sie nicht
mehr von Sonderlingen, sondern von einer gemeinen Art
von Menschen dirigirt werden sollten, bald ihren ganzen Vor-
theil verlieren werden. So kräftig sind die selbst erwählten
und selbst geschaffenen Meynungen der Menschen. Die allge-
meinen Lehren verlieren ihre Kraft. Was reitzen, anfeuern
und begeistern soll, muß durch Neuheit, Sonderbarkeit und
eigne Erfindung bezeichnet seyn; und es wäre eine große Frage,
ob nicht alle hundert Jahre eine Generalrevolution in den
Köpfen der Menschen zu befördern wäre, um eine Gährung
in der sittlichen Masse des menschlichen Geschlechts, und mit
Hülfe derselben bessere Erscheinungen, als wir jezt haben,
hervorzubringen. Doch nichts weiter von diesem Texte.

Ge-

Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren
einen leichtern eine ganze Verwandlung der Knochen und Ner-
ven erfordere.

Unſre Geſetzgeber machen auch jezt viel zu wenig Ge-
brauch von dem Hange der Menſchen zu religieuſen Verbin-
dungen, um die Anziehung neuer Colonien hoffen zu koͤnnen.
Wir ſehen zwar, was die Herrnhuter, die Mennoniten, die
Quaͤker und andre mit einer begeiſterten Vereinigung ausrich-
ten. Wir legen aber den Plan der Colonien darauf gar nicht
an; und nutzen den Hang nicht genug, welchen religieuſe
Bruderſchaften ehedem auf den Fleiß und die Sitten der Men-
ſchen gehabt haben. Alles ſoll mit Strafen und Bruͤchten
gezwungen werden. Die Eitelkeit, die Verſchwendung, die
Ueppigkeit, welche unſre Zeiten verderben, ſollen blos durch
Policeygeſetze eingeſchraͤnkt werden; da man doch gewiß hun-
dertmal mehr ausrichten wuͤrde, wenn man der einen Par-
they erlaubte, den Kopf auf die Rechte, und der andern den-
ſelben auf die Linke zu tragen. Ohne dieſe Freyheit wuͤrde
die Haͤlliſche Apotheke das nicht ſeyn was ſie iſt. Und man
kann darauf wetten, daß gewiſſe Einrichtungen, wenn ſie nicht
mehr von Sonderlingen, ſondern von einer gemeinen Art
von Menſchen dirigirt werden ſollten, bald ihren ganzen Vor-
theil verlieren werden. So kraͤftig ſind die ſelbſt erwaͤhlten
und ſelbſt geſchaffenen Meynungen der Menſchen. Die allge-
meinen Lehren verlieren ihre Kraft. Was reitzen, anfeuern
und begeiſtern ſoll, muß durch Neuheit, Sonderbarkeit und
eigne Erfindung bezeichnet ſeyn; und es waͤre eine große Frage,
ob nicht alle hundert Jahre eine Generalrevolution in den
Koͤpfen der Menſchen zu befoͤrdern waͤre, um eine Gaͤhrung
in der ſittlichen Maſſe des menſchlichen Geſchlechts, und mit
Huͤlfe derſelben beſſere Erſcheinungen, als wir jezt haben,
hervorzubringen. Doch nichts weiter von dieſem Texte.

Ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0368" n="350"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben u&#x0364;ber ein Project un&#x017F;erer Nachbaren</hi></fw><lb/>
einen leichtern eine ganze Verwandlung der Knochen und Ner-<lb/>
ven erfordere.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;re Ge&#x017F;etzgeber machen auch jezt viel zu wenig Ge-<lb/>
brauch von dem Hange der Men&#x017F;chen zu religieu&#x017F;en Verbin-<lb/>
dungen, um die Anziehung neuer Colonien hoffen zu ko&#x0364;nnen.<lb/>
Wir &#x017F;ehen zwar, was die Herrnhuter, die Mennoniten, die<lb/>
Qua&#x0364;ker und andre mit einer begei&#x017F;terten Vereinigung ausrich-<lb/>
ten. Wir legen aber den Plan der Colonien darauf gar nicht<lb/>
an; und nutzen den Hang nicht genug, welchen religieu&#x017F;e<lb/>
Bruder&#x017F;chaften ehedem auf den Fleiß und die Sitten der Men-<lb/>
&#x017F;chen gehabt haben. Alles &#x017F;oll mit Strafen und Bru&#x0364;chten<lb/>
gezwungen werden. Die Eitelkeit, die Ver&#x017F;chwendung, die<lb/>
Ueppigkeit, welche un&#x017F;re Zeiten verderben, &#x017F;ollen blos durch<lb/>
Policeyge&#x017F;etze einge&#x017F;chra&#x0364;nkt werden; da man doch gewiß hun-<lb/>
dertmal mehr ausrichten wu&#x0364;rde, wenn man der einen Par-<lb/>
they erlaubte, den Kopf auf die Rechte, und der andern den-<lb/>
&#x017F;elben auf die Linke zu tragen. Ohne die&#x017F;e Freyheit wu&#x0364;rde<lb/>
die Ha&#x0364;lli&#x017F;che Apotheke das nicht &#x017F;eyn was &#x017F;ie i&#x017F;t. Und man<lb/>
kann darauf wetten, daß gewi&#x017F;&#x017F;e Einrichtungen, wenn &#x017F;ie nicht<lb/>
mehr von Sonderlingen, &#x017F;ondern von einer gemeinen Art<lb/>
von Men&#x017F;chen dirigirt werden &#x017F;ollten, bald ihren ganzen Vor-<lb/>
theil verlieren werden. So kra&#x0364;ftig &#x017F;ind die &#x017F;elb&#x017F;t erwa&#x0364;hlten<lb/>
und &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chaffenen Meynungen der Men&#x017F;chen. Die allge-<lb/>
meinen Lehren verlieren ihre Kraft. Was reitzen, anfeuern<lb/>
und begei&#x017F;tern &#x017F;oll, muß durch Neuheit, Sonderbarkeit und<lb/>
eigne Erfindung bezeichnet &#x017F;eyn; und es wa&#x0364;re eine große Frage,<lb/>
ob nicht alle hundert Jahre eine Generalrevolution in den<lb/>
Ko&#x0364;pfen der Men&#x017F;chen zu befo&#x0364;rdern wa&#x0364;re, um eine Ga&#x0364;hrung<lb/>
in der &#x017F;ittlichen Ma&#x017F;&#x017F;e des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts, und mit<lb/>
Hu&#x0364;lfe der&#x017F;elben be&#x017F;&#x017F;ere Er&#x017F;cheinungen, als wir jezt haben,<lb/>
hervorzubringen. Doch nichts weiter von die&#x017F;em Texte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0368] Schreiben uͤber ein Project unſerer Nachbaren einen leichtern eine ganze Verwandlung der Knochen und Ner- ven erfordere. Unſre Geſetzgeber machen auch jezt viel zu wenig Ge- brauch von dem Hange der Menſchen zu religieuſen Verbin- dungen, um die Anziehung neuer Colonien hoffen zu koͤnnen. Wir ſehen zwar, was die Herrnhuter, die Mennoniten, die Quaͤker und andre mit einer begeiſterten Vereinigung ausrich- ten. Wir legen aber den Plan der Colonien darauf gar nicht an; und nutzen den Hang nicht genug, welchen religieuſe Bruderſchaften ehedem auf den Fleiß und die Sitten der Men- ſchen gehabt haben. Alles ſoll mit Strafen und Bruͤchten gezwungen werden. Die Eitelkeit, die Verſchwendung, die Ueppigkeit, welche unſre Zeiten verderben, ſollen blos durch Policeygeſetze eingeſchraͤnkt werden; da man doch gewiß hun- dertmal mehr ausrichten wuͤrde, wenn man der einen Par- they erlaubte, den Kopf auf die Rechte, und der andern den- ſelben auf die Linke zu tragen. Ohne dieſe Freyheit wuͤrde die Haͤlliſche Apotheke das nicht ſeyn was ſie iſt. Und man kann darauf wetten, daß gewiſſe Einrichtungen, wenn ſie nicht mehr von Sonderlingen, ſondern von einer gemeinen Art von Menſchen dirigirt werden ſollten, bald ihren ganzen Vor- theil verlieren werden. So kraͤftig ſind die ſelbſt erwaͤhlten und ſelbſt geſchaffenen Meynungen der Menſchen. Die allge- meinen Lehren verlieren ihre Kraft. Was reitzen, anfeuern und begeiſtern ſoll, muß durch Neuheit, Sonderbarkeit und eigne Erfindung bezeichnet ſeyn; und es waͤre eine große Frage, ob nicht alle hundert Jahre eine Generalrevolution in den Koͤpfen der Menſchen zu befoͤrdern waͤre, um eine Gaͤhrung in der ſittlichen Maſſe des menſchlichen Geſchlechts, und mit Huͤlfe derſelben beſſere Erſcheinungen, als wir jezt haben, hervorzubringen. Doch nichts weiter von dieſem Texte. Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/368
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/368>, abgerufen am 21.11.2024.