Die Alten hatten zwey Wege dem Eigensinn und der Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieses war ein jährlicher freyer Markt und die Freymeisterey. Das Große, das überlegte, das feine und das nützliche, was in diesem ihren Plan steckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und beschämt alle Wendungen der Neuern. Durch tausend Frey- meister, welche in Hamburg auf einer ihnen angewiesenen Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und zunftmäßige Handwerker werden durch sie in der Billigkeit erhalten. Allein hundert Krämer, welche mit Ehren und Vorzügen dafür belohnet werden, daß sie fremde Fabriken zum Schaden der einheimischen Handwerker empor bringen, alles Geld aus dem Lande schicken, und Kinder und Thoren täglich in neue Versuchungen führen, hätten unsre Vorfah- ren nie geduldet. Ein Jahrmarkt dünkte ihnen genug zu seyn den Fremden auch etwas zuzuwenden, und sowol die zünftige als freye Meisterschaft in Schranken zu halten.
Und was soll man von der geringen Art Krämer sagen? Sollte es wohl der Mühe werth seyn ihnen Zunftrecht zu vergönnen? Sie müssen, sagen sie, sechs Jahre diese Hand- lung mühsam lernen, und sich lange quälen, ehe sie zu der nöthigen Wissenschaft gelangen. Allein diese Lehrjahre sind eigentlich bey der Kaufmannschaft und nicht bey der Kräme- rey ursprünglich hergebracht. Und was ist es nöthig dem jungen Burschen dasjenige mühsam lernen zu lassen, was jede Krämerin, wenn sie einen Monat in der Buden gewesen, ins- gemein besser als der ausgelernte Eheherr weis? Ich sage wohlbedächtlich insgemein, denn es giebt auch große Krämer, welche eben so viel Einsicht, Erfahrung und Handlungswis- senschaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem großen Haufen spreche. Von jenem sage ich nur, daß er die
öffent-
Mösers patr. Phantas.I.Th. C
ſolten ein Handwerk lernen.
Die Alten hatten zwey Wege dem Eigenſinn und der Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieſes war ein jaͤhrlicher freyer Markt und die Freymeiſterey. Das Große, das uͤberlegte, das feine und das nuͤtzliche, was in dieſem ihren Plan ſteckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und beſchaͤmt alle Wendungen der Neuern. Durch tauſend Frey- meiſter, welche in Hamburg auf einer ihnen angewieſenen Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und zunftmaͤßige Handwerker werden durch ſie in der Billigkeit erhalten. Allein hundert Kraͤmer, welche mit Ehren und Vorzuͤgen dafuͤr belohnet werden, daß ſie fremde Fabriken zum Schaden der einheimiſchen Handwerker empor bringen, alles Geld aus dem Lande ſchicken, und Kinder und Thoren taͤglich in neue Verſuchungen fuͤhren, haͤtten unſre Vorfah- ren nie geduldet. Ein Jahrmarkt duͤnkte ihnen genug zu ſeyn den Fremden auch etwas zuzuwenden, und ſowol die zuͤnftige als freye Meiſterſchaft in Schranken zu halten.
Und was ſoll man von der geringen Art Kraͤmer ſagen? Sollte es wohl der Muͤhe werth ſeyn ihnen Zunftrecht zu vergoͤnnen? Sie muͤſſen, ſagen ſie, ſechs Jahre dieſe Hand- lung muͤhſam lernen, und ſich lange quaͤlen, ehe ſie zu der noͤthigen Wiſſenſchaft gelangen. Allein dieſe Lehrjahre ſind eigentlich bey der Kaufmannſchaft und nicht bey der Kraͤme- rey urſpruͤnglich hergebracht. Und was iſt es noͤthig dem jungen Burſchen dasjenige muͤhſam lernen zu laſſen, was jede Kraͤmerin, wenn ſie einen Monat in der Buden geweſen, ins- gemein beſſer als der ausgelernte Eheherr weis? Ich ſage wohlbedaͤchtlich insgemein, denn es giebt auch große Kraͤmer, welche eben ſo viel Einſicht, Erfahrung und Handlungswiſ- ſenſchaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem großen Haufen ſpreche. Von jenem ſage ich nur, daß er die
oͤffent-
Möſers patr. Phantaſ.I.Th. C
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0051"n="33"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">ſolten ein Handwerk lernen.</hi></fw><lb/><p>Die Alten hatten zwey Wege dem Eigenſinn und der<lb/>
Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieſes war ein<lb/>
jaͤhrlicher freyer Markt und die Freymeiſterey. Das Große,<lb/>
das uͤberlegte, das feine und das nuͤtzliche, was in dieſem ihren<lb/>
Plan ſteckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und<lb/>
beſchaͤmt alle Wendungen der Neuern. Durch tauſend Frey-<lb/>
meiſter, welche in Hamburg auf einer ihnen angewieſenen<lb/>
Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und<lb/>
zunftmaͤßige Handwerker werden durch ſie in der Billigkeit<lb/>
erhalten. Allein hundert Kraͤmer, welche mit Ehren und<lb/>
Vorzuͤgen dafuͤr belohnet werden, daß ſie fremde Fabriken<lb/>
zum Schaden der einheimiſchen Handwerker empor bringen,<lb/>
alles Geld aus dem Lande ſchicken, und Kinder und Thoren<lb/>
taͤglich in neue Verſuchungen fuͤhren, haͤtten unſre Vorfah-<lb/>
ren nie geduldet. <hirendition="#fr">Ein</hi> Jahrmarkt duͤnkte ihnen genug zu ſeyn<lb/>
den Fremden auch etwas zuzuwenden, und ſowol die zuͤnftige<lb/>
als freye Meiſterſchaft in Schranken zu halten.</p><lb/><p>Und was ſoll man von der geringen Art Kraͤmer ſagen?<lb/>
Sollte es wohl der Muͤhe werth ſeyn ihnen Zunftrecht zu<lb/>
vergoͤnnen? Sie muͤſſen, ſagen ſie, ſechs Jahre dieſe Hand-<lb/>
lung muͤhſam lernen, und ſich lange quaͤlen, ehe ſie zu der<lb/>
noͤthigen Wiſſenſchaft gelangen. Allein dieſe Lehrjahre ſind<lb/>
eigentlich bey der Kaufmannſchaft und nicht bey der Kraͤme-<lb/>
rey urſpruͤnglich hergebracht. Und was iſt es noͤthig dem<lb/>
jungen Burſchen dasjenige muͤhſam lernen zu laſſen, was jede<lb/>
Kraͤmerin, wenn ſie einen Monat in der Buden geweſen, ins-<lb/>
gemein beſſer als der ausgelernte Eheherr weis? Ich ſage<lb/>
wohlbedaͤchtlich <hirendition="#fr">insgemein,</hi> denn es giebt auch große Kraͤmer,<lb/>
welche eben ſo viel Einſicht, Erfahrung und Handlungswiſ-<lb/>ſenſchaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen<lb/>
privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem<lb/>
großen Haufen ſpreche. Von jenem ſage ich nur, daß er die<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Möſers patr. Phantaſ.</hi><hirendition="#aq">I.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> C</fw><fwplace="bottom"type="catch">oͤffent-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[33/0051]
ſolten ein Handwerk lernen.
Die Alten hatten zwey Wege dem Eigenſinn und der
Uebertheurung der Handwerker zu wehren. Dieſes war ein
jaͤhrlicher freyer Markt und die Freymeiſterey. Das Große,
das uͤberlegte, das feine und das nuͤtzliche, was in dieſem ihren
Plan ſteckt, verdient die Bewunderung aller Kenner, und
beſchaͤmt alle Wendungen der Neuern. Durch tauſend Frey-
meiſter, welche in Hamburg auf einer ihnen angewieſenen
Freyheit wohnen, entgeht dem Staate kein Pfennig; und
zunftmaͤßige Handwerker werden durch ſie in der Billigkeit
erhalten. Allein hundert Kraͤmer, welche mit Ehren und
Vorzuͤgen dafuͤr belohnet werden, daß ſie fremde Fabriken
zum Schaden der einheimiſchen Handwerker empor bringen,
alles Geld aus dem Lande ſchicken, und Kinder und Thoren
taͤglich in neue Verſuchungen fuͤhren, haͤtten unſre Vorfah-
ren nie geduldet. Ein Jahrmarkt duͤnkte ihnen genug zu ſeyn
den Fremden auch etwas zuzuwenden, und ſowol die zuͤnftige
als freye Meiſterſchaft in Schranken zu halten.
Und was ſoll man von der geringen Art Kraͤmer ſagen?
Sollte es wohl der Muͤhe werth ſeyn ihnen Zunftrecht zu
vergoͤnnen? Sie muͤſſen, ſagen ſie, ſechs Jahre dieſe Hand-
lung muͤhſam lernen, und ſich lange quaͤlen, ehe ſie zu der
noͤthigen Wiſſenſchaft gelangen. Allein dieſe Lehrjahre ſind
eigentlich bey der Kaufmannſchaft und nicht bey der Kraͤme-
rey urſpruͤnglich hergebracht. Und was iſt es noͤthig dem
jungen Burſchen dasjenige muͤhſam lernen zu laſſen, was jede
Kraͤmerin, wenn ſie einen Monat in der Buden geweſen, ins-
gemein beſſer als der ausgelernte Eheherr weis? Ich ſage
wohlbedaͤchtlich insgemein, denn es giebt auch große Kraͤmer,
welche eben ſo viel Einſicht, Erfahrung und Handlungswiſ-
ſenſchaft als der große Kaufmann gebrauchen. Dergleichen
privilegirte Seelen rechne ich nie mit, wenn ich von dem
großen Haufen ſpreche. Von jenem ſage ich nur, daß er die
oͤffent-
Möſers patr. Phantaſ. I. Th. C
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/51>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.