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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Man sorge auch für guten Leinsaamen,
nicht ohne große Gefahr befahren werden, und so müssen die
Schiffe sich an obige beyde Perioden halten. Der Preiß
des Leinsaamens in den Häfen der Ostsee richtet sich natürlicher
Weise nach der Menge der ankommenden Schiffe, und des
vorhandenen Saamens.

Gesetzt nun, daß der Vorrath groß ist, und wenig Schiffe
kommen: so kaufen die, so im August und Septemper ab-
fahren, den Saamen sehr wohlfeil. Sie legen denselben in
Bremen und Hamburg ab; und den Winter über erhält der
Kaufmann Briefe, daß wenig oder gar kein Leinsaamen für
diejenigen, welche im Frühjahr dahin fahren werden, in den
Häfen der Ostsee angelanget sey. Alsdenn erhöhen sie den
Preiß und gewinnen vielleicht hundert Procent.

Gesetzt aber umgekehrt, daß im August und September
viele Schiffe nach der Ostsee gehen, und zu der Zeit wenig
Saamen in den dortigen Häfen vorhanden ist: so müssen sie
ihre Ladung theuer bezahlen. Läuft nun den Winter über
Nachricht ein, daß vieler Saame auf Schlitten aus den
innern Theilen Lieflandes in den Häfen angelanget sey, und
daß die Frühjahrsfahrer vor halb Geld kaufen werden: so ver-
lieren sie vielleicht hundert Procent.

Ein drittes Unglück kann seyn, daß die Verkäufer in
der Ostsee speculiren wollen, und ihren Saamen, wenn die
ersten Schiffe im Frühjahr ankommen, hoch halten, in der
Meinung, daß noch mehrere kommen werden, zuletzt aber,
wenn diese Meinung triegt, alles losschlagen und den letzten
Saamen zum Drittel des Preises abschicken, wozu sie ihn
vorher verkaufet haben. Alsdenn sind beyde so wohl die
Herbst- als Frühjahrsfahrer hintergangen.

Man solte denken, es liesse sich dieser Handel einiger-
massen in bessere Gleise bringen, wenn die Herbstfahrt ganz
eingestellet, und alles nach dem Frühjahrspreise in den Häfen

der

Man ſorge auch fuͤr guten Leinſaamen,
nicht ohne große Gefahr befahren werden, und ſo muͤſſen die
Schiffe ſich an obige beyde Perioden halten. Der Preiß
des Leinſaamens in den Haͤfen der Oſtſee richtet ſich natuͤrlicher
Weiſe nach der Menge der ankommenden Schiffe, und des
vorhandenen Saamens.

Geſetzt nun, daß der Vorrath groß iſt, und wenig Schiffe
kommen: ſo kaufen die, ſo im Auguſt und Septemper ab-
fahren, den Saamen ſehr wohlfeil. Sie legen denſelben in
Bremen und Hamburg ab; und den Winter uͤber erhaͤlt der
Kaufmann Briefe, daß wenig oder gar kein Leinſaamen fuͤr
diejenigen, welche im Fruͤhjahr dahin fahren werden, in den
Haͤfen der Oſtſee angelanget ſey. Alsdenn erhoͤhen ſie den
Preiß und gewinnen vielleicht hundert Procent.

Geſetzt aber umgekehrt, daß im Auguſt und September
viele Schiffe nach der Oſtſee gehen, und zu der Zeit wenig
Saamen in den dortigen Haͤfen vorhanden iſt: ſo muͤſſen ſie
ihre Ladung theuer bezahlen. Laͤuft nun den Winter uͤber
Nachricht ein, daß vieler Saame auf Schlitten aus den
innern Theilen Lieflandes in den Haͤfen angelanget ſey, und
daß die Fruͤhjahrsfahrer vor halb Geld kaufen werden: ſo ver-
lieren ſie vielleicht hundert Procent.

Ein drittes Ungluͤck kann ſeyn, daß die Verkaͤufer in
der Oſtſee ſpeculiren wollen, und ihren Saamen, wenn die
erſten Schiffe im Fruͤhjahr ankommen, hoch halten, in der
Meinung, daß noch mehrere kommen werden, zuletzt aber,
wenn dieſe Meinung triegt, alles losſchlagen und den letzten
Saamen zum Drittel des Preiſes abſchicken, wozu ſie ihn
vorher verkaufet haben. Alsdenn ſind beyde ſo wohl die
Herbſt- als Fruͤhjahrsfahrer hintergangen.

Man ſolte denken, es lieſſe ſich dieſer Handel einiger-
maſſen in beſſere Gleiſe bringen, wenn die Herbſtfahrt ganz
eingeſtellet, und alles nach dem Fruͤhjahrspreiſe in den Haͤfen

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[56/0074] Man ſorge auch fuͤr guten Leinſaamen, nicht ohne große Gefahr befahren werden, und ſo muͤſſen die Schiffe ſich an obige beyde Perioden halten. Der Preiß des Leinſaamens in den Haͤfen der Oſtſee richtet ſich natuͤrlicher Weiſe nach der Menge der ankommenden Schiffe, und des vorhandenen Saamens. Geſetzt nun, daß der Vorrath groß iſt, und wenig Schiffe kommen: ſo kaufen die, ſo im Auguſt und Septemper ab- fahren, den Saamen ſehr wohlfeil. Sie legen denſelben in Bremen und Hamburg ab; und den Winter uͤber erhaͤlt der Kaufmann Briefe, daß wenig oder gar kein Leinſaamen fuͤr diejenigen, welche im Fruͤhjahr dahin fahren werden, in den Haͤfen der Oſtſee angelanget ſey. Alsdenn erhoͤhen ſie den Preiß und gewinnen vielleicht hundert Procent. Geſetzt aber umgekehrt, daß im Auguſt und September viele Schiffe nach der Oſtſee gehen, und zu der Zeit wenig Saamen in den dortigen Haͤfen vorhanden iſt: ſo muͤſſen ſie ihre Ladung theuer bezahlen. Laͤuft nun den Winter uͤber Nachricht ein, daß vieler Saame auf Schlitten aus den innern Theilen Lieflandes in den Haͤfen angelanget ſey, und daß die Fruͤhjahrsfahrer vor halb Geld kaufen werden: ſo ver- lieren ſie vielleicht hundert Procent. Ein drittes Ungluͤck kann ſeyn, daß die Verkaͤufer in der Oſtſee ſpeculiren wollen, und ihren Saamen, wenn die erſten Schiffe im Fruͤhjahr ankommen, hoch halten, in der Meinung, daß noch mehrere kommen werden, zuletzt aber, wenn dieſe Meinung triegt, alles losſchlagen und den letzten Saamen zum Drittel des Preiſes abſchicken, wozu ſie ihn vorher verkaufet haben. Alsdenn ſind beyde ſo wohl die Herbſt- als Fruͤhjahrsfahrer hintergangen. Man ſolte denken, es lieſſe ſich dieſer Handel einiger- maſſen in beſſere Gleiſe bringen, wenn die Herbſtfahrt ganz eingeſtellet, und alles nach dem Fruͤhjahrspreiſe in den Haͤfen der

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/74>, abgerufen am 21.11.2024.