Vergeben Sie mir dieses altfränkische Wort. Ich glaube Sie werden solches nicht verstehen, darum setze ich nur erklä- rungsweise hinzu, daß vor nicht gar langer Zeit die verächt- liche Mine einer vornehmen Dame aus der Stadt unsern gu- ten Pachter verführet hat, an seiner Frauen Schmuck eines Jahres Pachtgeld zu verwenden, den König zu betrügen, und sich, seine schöne Frau und Kinder unglücklich zu machen. Wie viel Verantwortung würden Sie nicht auf sich haben, wenn ich schwach genug gewesen wäre, mich durch einen Blick von Ihnen beschämt zu halten? und wahrlich, es hat zwischen meiner Schwester und mir schon einen kleinen Zank gesetzt, daß sie nicht ein Stück Hemdlinnen in Agremens verwan- deln dürfte, weil Sie ihre einfältige Volante verachtet hat- ten. Glauben Sie mir, die Mädgen aus dem Lande sind nicht alle so stark, dieser Versuchung zu widerstehen. Und es kan gar leicht dahin kommen, daß wir sagen werden, wie der letzte Krieg uns nicht so viel Schaden gethan habe, als die Raserey, auf dem Lande alles das zu haben, was zur Noth ein Vorzug der Hauptstadt bleiben kan. Die Last die- fer Verantwortung liegt aber gröstentheils denenjenigen auf, welche die Pflichten nicht unterscheiden, und dasjenige an einem Landmanne nicht mit Fleiß verehren, was zu seinem Beruf und zu seinem Stande gehöret. Ich bin u. s. w.
XVI.
F 4
an die Frau … in der Hauptſtadt.
Vergeben Sie mir dieſes altfraͤnkiſche Wort. Ich glaube Sie werden ſolches nicht verſtehen, darum ſetze ich nur erklaͤ- rungsweiſe hinzu, daß vor nicht gar langer Zeit die veraͤcht- liche Mine einer vornehmen Dame aus der Stadt unſern gu- ten Pachter verfuͤhret hat, an ſeiner Frauen Schmuck eines Jahres Pachtgeld zu verwenden, den Koͤnig zu betruͤgen, und ſich, ſeine ſchoͤne Frau und Kinder ungluͤcklich zu machen. Wie viel Verantwortung wuͤrden Sie nicht auf ſich haben, wenn ich ſchwach genug geweſen waͤre, mich durch einen Blick von Ihnen beſchaͤmt zu halten? und wahrlich, es hat zwiſchen meiner Schweſter und mir ſchon einen kleinen Zank geſetzt, daß ſie nicht ein Stuͤck Hemdlinnen in Agremens verwan- deln duͤrfte, weil Sie ihre einfaͤltige Volante verachtet hat- ten. Glauben Sie mir, die Maͤdgen auſ dem Lande ſind nicht alle ſo ſtark, dieſer Verſuchung zu widerſtehen. Und es kan gar leicht dahin kommen, daß wir ſagen werden, wie der letzte Krieg uns nicht ſo viel Schaden gethan habe, als die Raſerey, auf dem Lande alles das zu haben, was zur Noth ein Vorzug der Hauptſtadt bleiben kan. Die Laſt die- fer Verantwortung liegt aber groͤſtentheils denenjenigen auf, welche die Pflichten nicht unterſcheiden, und dasjenige an einem Landmanne nicht mit Fleiß verehren, was zu ſeinem Beruf und zu ſeinem Stande gehoͤret. Ich bin u. ſ. w.
XVI.
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an die Frau … in der Hauptſtadt.
Vergeben Sie mir dieſes altfraͤnkiſche Wort. Ich glaube
Sie werden ſolches nicht verſtehen, darum ſetze ich nur erklaͤ-
rungsweiſe hinzu, daß vor nicht gar langer Zeit die veraͤcht-
liche Mine einer vornehmen Dame aus der Stadt unſern gu-
ten Pachter verfuͤhret hat, an ſeiner Frauen Schmuck eines
Jahres Pachtgeld zu verwenden, den Koͤnig zu betruͤgen, und
ſich, ſeine ſchoͤne Frau und Kinder ungluͤcklich zu machen.
Wie viel Verantwortung wuͤrden Sie nicht auf ſich haben,
wenn ich ſchwach genug geweſen waͤre, mich durch einen Blick
von Ihnen beſchaͤmt zu halten? und wahrlich, es hat zwiſchen
meiner Schweſter und mir ſchon einen kleinen Zank geſetzt,
daß ſie nicht ein Stuͤck Hemdlinnen in Agremens verwan-
deln duͤrfte, weil Sie ihre einfaͤltige Volante verachtet hat-
ten. Glauben Sie mir, die Maͤdgen auſ dem Lande ſind
nicht alle ſo ſtark, dieſer Verſuchung zu widerſtehen. Und
es kan gar leicht dahin kommen, daß wir ſagen werden, wie
der letzte Krieg uns nicht ſo viel Schaden gethan habe, als
die Raſerey, auf dem Lande alles das zu haben, was zur
Noth ein Vorzug der Hauptſtadt bleiben kan. Die Laſt die-
fer Verantwortung liegt aber groͤſtentheils denenjenigen auf,
welche die Pflichten nicht unterſcheiden, und dasjenige an
einem Landmanne nicht mit Fleiß verehren, was zu ſeinem
Beruf und zu ſeinem Stande gehoͤret. Ich bin u. ſ. w.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/105>, abgerufen am 21.11.2024.
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